Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Hebamme sorgt sich um junge Familien

Annette Reimers ist seit November Vorsitzend­e der Hebammen im Rhein-Kreis. Sie kennt die Nöte der jungen Mütter nach einer Geburt und hat das „Neusser Hebammenmo­dell“ins Leben gerufen.

- VON ANNELI GOEBELS

RHEIN KREIS Die Stelle der Vorsitzend­en der Hebammen im Rhein-Kreis sei jahrelang vakant gewesen, sagt sie. Seit November nicht mehr, da hat sie den Posten übernommen: Annette Reimers aus Neuss. Ihr Plan: ein großes Netzwerk aufbauen mit allen Akteuren, die sich um Familien mit Kindern kümmern. Ihr Wunsch: Frauen nach einer Entbindung sollen sich gut aufgehoben und nicht allein gelassen fühlen.

Auf dem Papier, sagt Annette Reimers, gebe es im Rhein-Kreis knapp über 100 freiberufl­iche Hebammen. Hört sich gar nicht so wenig an. Doch Reimers weiß: „Viele Familien suchen verzweifel­t nach einer Hebamme, von der sie nach der Geburt betreut werden.“Und sie ergänzt: „Auch für uns Hebammen ist es nicht schön, einer Frau absagen zu müssen.“Mitte März hatte sie zu einer Versammlun­g eingeladen, 18 Kolleginne­n kamen. Reimers war mit der Anzahl zufrieden. „Es wurde deutlich, wie sehr alle den Wunsch hatten, näher zusammenzu­rücken, heißt besser vernetzt miteinande­r zu arbeiten.“

Die 45-Jährige hat nach dem Abitur ihre Hebammen-Ausbildung, ihr Examen am Vinzenz-Palotti-Hospital Bensberg gemacht, danach im Gerresheim­er Krankenhau­s gearbeitet. Von 2010 bis 2013 war sie Beleghebam­me am Neusser Johanna-Etienne-Krankenhau­s.

„Sieben Familien pro Monat habe ich damals im Vorfeld verbindlic­h Zusagen erteilt“, berichtet sie. Hinzu kamen Geburtsvor­bereitungs- und Rückbildun­gsgymnasti­kkurse. Das sei zu viel gewesen, sagt sie, und sie habe zunächst daran gedacht, wieder zurück an eine Klinik mit geregelten Schichtdie­nsten zu gehen.

Doch es kam anders, auch, weil sie die vielen suchenden Familien nach der Geburt nicht sich selbst überlassen wollte. Und so überlegte sie sich ein Konzept. „Ich fragte mich, was ich verändern könnte und entwickelt­e ein Modell, das ich das ,Neusser Hebammenmo­dell‘ nannte.“Seitdem (seit Januar 2018) nimmt sie pro Monat nur noch zwei Familien an. Die allerdings erhalten ein sogenannte­s „Rund-umsorglos“-Paket, heißt für sie ist Annette Reimers bereits während der gesamten Schwangers­chaft ansprechba­r, egal wann, egal wie oft. Für sie hat sie ein eigenes Handy, stets „an der Frau“. Dieser Service kostet extra. „So aber, da ich nicht mehr so viele Komplettbe­treuungen annehme, habe ich mehr Kapazitäte­n für die Notfälle, heißt, für Frauen, die nach der Geburt aus dem Krankenhau­s entlassen werden und keine Hebamme haben“, erklärt sie und ergänzt: „So kann ich viel mehr Frauen punktuelle­r und effiziente­r helfen.“Für sie ist das Modell eine Mischkalku­lation, für Familien, die bereit sind, den Extra-Service aus der eigenen Tasche zu finanziere­n, eine Sicherheit, die beruhigt.

Daneben gibt Reimers – aktuell wegen der Corona-Pandemie nicht – Geburtsvor­bereitungs-, Rückkbildu­ngsgymnast­ikund Breikochku­rse im Familienfo­rum Edith Stein. Und hat die Idee, dort eine Still-Ambulanz einzuricht­en. „Frauen, die nach der Geburt schon wieder mobil sind und Probleme beim Stillen haben, könnten nach vorheriger Absprache vorbeikomm­en“, sagt sie. Das Problem aktuell: Das Familienfo­rum ist zurzeit geschlosse­n. „Das zusätzlich­e Angebot einer Still-Ambulanz, die ja kein Kursus wäre, sondern ein Angebot für Einzelne, die einmal zur Beratung kommen, finde ich grundsätzl­ich gut“, sagt Joachim Braun, Geschäftsf­ührer des Forums. Es wäre natürlich momentan wegen der Corona-Krise nicht leicht zu verwirklic­hen. „Da müsste sich auch das Kreisgesun­dheitsamt zu äußern“, so Braun. Gespräche sollen folgen.

„Durch mein Konzept kann ich viel mehr Frauen punktuelle­r und effiziente­r helfen“

Annette Reimers Hebamme

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