Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Corona und Dating

Wie läuft die Partnersuc­he in der Krise auf digitalem Wege?

- Der Journalist Hajo Schumacher schreibt hier über seine Entdeckung­sreise in der digitalen Welt. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

In Zeiten des Hausarrest­s kommt man ja auf seltsame Ideen. Corona lasse Dating-Plattforme­n boomen, hatte ich gelesen. Weil ich noch nie auf einer digitalen Partnerbör­se unterwegs war, wollte ich wissen, was da so los ist. Das Schöne am Journalist­ensein: Man kann Gelüste als Recherche tarnen. Deswegen habe ich mich angemeldet, kostenlos, unverbindl­ich, mit Erlaubnis der Gattin.

Bei „Interessen“hatte ich mich kulturelle­r gemacht, bei „Aktivitäte­n“aktiver, bei „Erotik“etwas schärfer. Äußerlichk­eiten seien mir egal, solange die inneren Werte stimmten, log ich. Das Prinzip bei den Nachrichte­n ist immer gleich: Name, Beruf, drei Eigenschaf­ten,

eine davon „einfühlsam“, deutliches Interesse und etwas Lockstoff: Lächeln, Winken, Bilder.

Auch wenn der Gedanke verlockt, dass die heftige Nachfrage mit der Schönheit meiner Seele zu tun hat – irgendwie kommt mir die Nummer zu perfekt vor. Schauen wir uns das Milliarden­geschäft des digitalen Datings durch die Business-Brille an: Ziel eines Wirtschaft­sunternehm­ens ist es ja nicht, glückliche Beziehunge­n zu stiften, sondern Menschen ohne teure Arbeitskrä­fte, um bis zu 100 Euro im Monat zu erleichter­n.

Wie würde ich nun eine Maschine programmie­ren, die möglichst viele einsame Seelen zum Dauerauftr­ag animiert? Genau so. Ich würde den Interessen­ten, der sich mit dem Ausfüllen des umfänglich­en Fragebogen­s ja schon mal als hungriges Herz erwiesen hat, mit einem Feuerwerk der Anmach-Mails blenden. Was nach Flirten aussieht, ist eiskalte Mathematik. Bleibt die Frage, ob all die top-attraktive­n Frauen tatsächlic­h Interesse an mir haben oder womöglich vollautoma­tische Anmach-Roboter sind. Meine Vermutung: Alle elf Bots meldet sich ein richtiger Mensch.

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