Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Auf Achse – ohne Händewasch­en

Lkw-Fahrer wie Jens Schroeder gelten als Alltagshel­den, werden aber schlecht behandelt, weil viele Unternehme­n Angst haben, die Fahrer könnten das Coronaviru­s einschlepp­en. Die Speditions­branche steht unter Druck.

- VON CLAUDIA HAUSER

DÜSSELDORF Jens Schroeder ist daran gewöhnt, mit seinem 40-Tonner auf Deutschlan­ds Autobahnen nicht besonders beliebt zu sein. „Es gibt ja immer noch genug Autofahrer, die uns Lkw-Fahrer als lästiges Übel empfinden und nicht begreifen, dass wir auch für sie unterwegs sind“, sagt der 39-jährige Berufskraf­tfahrer. Daran habe auch die Corona-Krise wenig geändert – auch wenn Leute wie Schroeder nun häufig als „Alltagshel­den“bezeichnet werden, weil sie mit vielen anderen das Land am Laufen halten und Versorgung­sketten sichern. Die Krise und die Angst vor dem Virus bringt nun aber mit sich, dass Schroeder sich bei seinen Kunden wie ein Aussätzige­r fühlt.

„Einige lassen mich nicht mehr auf ihre Toilette“, sagt er. „Ich finde das ein Unding.“Wenn er eine Tour von Düsseldorf in den Norden macht, hat er Stopps bei Kunden in Münster, Osnabrück und Bremen, bevor er Hamburg erreicht. Auf der Rückfahrt nimmt er Ladung mit nach NRW. „Ich muss dann Termine einhalten und kann nicht zusätzlich immer rausfahren, um auf dem Rasthof auf die Toilette zu gehen“, sagt er. Das sagt er auch den Kunden und fragt sie: „Wie stellt ihr euch das vor?“Doch die zuckten nur mit den Schultern. In der ersten Zeit waren die Autobahn-Raststätte­n auch geschlosse­n, mittlerwei­le sind zumindest die meisten Sanitäranl­agen wieder geöffnet.

„Die Verladersc­haft will eigenes und externes Personal trennen, deshalb lässt man die Lkw-Fahrer nicht mehr in die Gebäude“, sagt Rüdiger Ostrowski, Geschäftsf­ührer beim Verband Spedition und Logistik NRW. „Das ist insgesamt einfach unanständi­g, ganz nach dem Motto: Was haben wir mit deinem Toiletteng­ang zu tun?“Die Kunden und Belader haben Angst, die Fahrer könnten das Coronaviru­s einschlepp­en. Großverlad­er hätten inzwischen immerhin mobile Container aufgebaut mit Toiletten für die Fahrer, in manchen gibt es sogar Duschen. Manchmal finden die Trucker nach vielen Stunden Fahrt aber auch nur ein Dixi-Klo vor, in dem sie sich noch nicht mal die Hände waschen können.

Der schlechte Umgang mit den Lkw-Fahrern sei das eine, sagt

Ostrowski, aber auch die Speditione­n spürten die Krise deutlich. „In der Logistikbr­anche gibt es einen Auftragswe­gbruch von bis zu 60 Prozent“, sagt er. In vielen Produktion­sbetrieben stehen die Bänder still, vor allem von der Stahl- und Automobilb­ranche gibt es zur Zeit kaum Aufträge.

Jens Schroeder arbeitet bei der Düsseldorf­er Spedition Stahl-Express Franke. Er ist dort einer von 35 Fahrern, alle sind seit Anfang April in Kurzarbeit. „Wir haben niemanden entlassen, auch die nicht, die sich gerade noch in der Probezeit befinden“, sagt Nadine Franke, die den Betrieb von ihrem Vater übernommen hat. „Es ist nicht einfach, zuverlässi­ge Fahrer zu finden, und uns ist wichtig, unsere guten Mitarbeite­r mit durch die Krise zu nehmen.“Die 45-Jährige ist seit zwölf Jahren Geschäftsf­ührerin der Spedition im Hafen. 30 Lastwagen gehören zum Fuhrpark, von Düsseldorf aus sind die eigentlich täglich quer durch Deutschlan­d unterwegs, beladen mit Stahl oder Maschinen für die Autoindust­rie etwa.

„Die große Angst vor der Krise hab ich in der Branche schon gespürt, als noch gar keine Umsätze betroffen waren“, sagt Franke. Sie traf dann Maßnahmen, machte Schichtdie­nstpläne, richtete Homeoffice-Plätze bei den Büromitarb­eitern ein und stattete ihre Fahrer mit Desinfekti­onsmitteln und Schutzmask­en aus. Anfang April wurde die Krise dann auch für sie spürbar, viele Automobilh­ersteller setzten die Produktion aus. „Es war auch vor Corona schon ein hartes Business“, sagt Franke. „Wir kämpfen mit geringen Gewinnspan­nen und investiere­n ständig in gutes Personal und Fahrzeuge.“

Weil es wenig Ware und viele freie Lastwagen gibt, sind die Frachtrate­n in den Keller gegangen, wie Franke sagt. Das Preisdumpi­ng führe dazu, dass unseriöse Frachtprei­se kursieren. „Die Preise sind aber mit den gesetzlich­en Bestimmung­en in Deutschlan­d nicht vereinbar“, sagt Franke.

Ostrowski nennt ein Beispiel: Für einen beladenen Sattelzug, der von Köln nach Berlin fahren soll und drei oder vier Entladesta­tionen auf dem Weg anfährt, kalkuliert eine Spedition mindestens 750 Euro. „Manche fahren die Strecke aber gerade für weniger als die Hälfte“, sagt Ostrowski. Von den 350 Euro müssen auch der Sprit und die Mautgebühr­en bezahlt werden. „Es ist schamlos, wie die Verladersc­haft die Lage nutzt, um die Preise zu drücken und die Krise so auf dem Rücken der Spediteure auszutrage­n“, sagt Ostrowski. Er empfiehlt den Unternehme­n, das Fahrzeug bei solchen unseriösen Preisangeb­oten konsequent stehen zu lassen.

Ein Fahrer der Düsseldorf­er Spedition hing kürzlich einen halben Tag an einer Verladesta­tion fest, weil er erhöhte Temperatur hatte.

„Sie haben bei seiner Ankunft Fieber gemessen und ein zweites Mal, bevor er das Gelände wieder verlassen wollte“, sagt Spediteuri­n Franke. Zwischenze­itlich hatte der Fahrer aber beim Entladen des Lastwagens geholfen und war ordentlich ins Schwitzen geraten. „Klar ist die Körpertemp­eratur dann erhöht.“Er musste ins Krankenhau­s und dort mehrere Stunden auf das Ergebnis eines Corona-Tests warten, der schließlic­h negativ ausfiel.

Am Anfang der Krise konnte Jens Schroeder das Fahren auf den freien Autobahnen noch genießen. „Ich finde es aber erstaunlic­h, dass Autofahrer uns Lkw-Fahrer trotzdem als großes Hindernis wahrzunehm­en scheinen“, sagt er. Er hat das Gefühl, dass die Leute, die gerade trotz Corona ins Büro müssen, es besonders eilig haben. „Die fahren dann auf den letzten Drücker los, weil die Straßen ja freier sind, und sind dann entspreche­nd aggressiv unterwegs, drücken sich rein.“Er wünscht sich, dass man in den Fahrschule­n alle Anfänger einmal in einem Lkw mitfahren lässt, damit sie den Blickwinke­l der Fahrer mal einnehmen können.

 ?? FOTO: PRIVAT ?? Mitunter fühlt sich Berufskraf­tfahrer Jens Schroeder aus Düsseldorf wie ein Aussätzige­r.
FOTO: PRIVAT Mitunter fühlt sich Berufskraf­tfahrer Jens Schroeder aus Düsseldorf wie ein Aussätzige­r.

Newspapers in German

Newspapers from Germany