Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Whop bop b-luma b-lop bam bom!

Little Richard ist gestorben. Sein „Tutti Frutti“revolution­ierte 1955 die Musik.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

DÜSSELDORF Gleich mal drei Anekdoten vorneweg, die illustrier­en, wie groß dieser Mann war: Auf die Frage, was er sich vom Leben wünsche, antwortete Bob Dylan im Jahrbuch seiner Highschool dieses: „Ich möchte mich Little Richard anschließe­n.“Das erste Lied, das Paul McCartney je in der Öffentlich­keit zum Besten gab, war „Long Tall Sally“von Little Richard. Und als ein junger Jimi Hendrix in seiner Band Gitarre spielte und es mal wieder übertrieb mit der Show, wies sein Chef Little Richard ihn zurecht: „Hör bitte auf, die Saiten mit der Zunge zu bearbeiten, Jimi.“

Little Richard ist tot, er wurde 87 Jahre alt, und er starb an Knochenkre­bs in Tennessee, wie die Nachrichte­nagentur AP meldet. Little Richard hat den Rock’n‘Roll zwar nicht erfunden. Denn Chuck Berry und Fats Domino waren ja bereits erfolgreic­h, und Elvis nahm seit einem Jahr Platten auf, als Little Richard 1955 ins Studio ging und dieses eine Lied einsang. Aber dieses eine Lied veränderte das Genre und den Pop überhaupt. Es heißt „Tutti Frutti“, und es handelt von Sex.

Damals durften Lieder eigentlich nicht von Sex handeln, aber das ließ Little Richard, der als eines von zwölf Geschwiste­rn in Georgia geboren worden war, nicht gelten. Er wollte frei sei, er wollte Überkommen­es überwinden. Deshalb setzte er sich ans Klavier und hämmerte darauf herum, als wäre es eine Gitarre. Deshalb jodelte er und kiekste, schrie und jammerte. Er wollte sich nicht entscheide­n zwischen Mann und Frau, deshalb schminkte und verkleidet­e er sich und toupierte sein Haar. „Wenn Elvis der King ist, bin ich die Queen“, sagte er.

Und er wollte sich erst recht nicht entscheide­n zwischen schwarz und weiß. Im Süden wurden die Rassen bei Konzerten damals getrennt, das muss man sich noch einmal ins Gedächtnis rufen, aber bei Auftritten von Little Richard tanzten sie am Ende gemeinsam, vereint im Groove. Seine Musik machte alle gleich, gleich im besten Sinne, gleich menschlich. Und der Schlachtru­f dieser Revolution der Menschlich­keit steht als Ausrufezei­chen am Anfang seines ersten und berühmtest­en Hits: „A-wop-bop-a-loo-bopa-wop-bam-boom!“

Auf dem Höhepunkt des Erfolgs, 1957 war das, erschien ihm Gott. So beschrieb Little Richard es jedenfalls, und Gott habe zu verstehen gegeben, dass ihm vor allem jene Aspekte der Rock-Musik nicht gefielen, die man zwischen den Zeilen des Textes von „Tutti Frutti“findet. Deshalb drückte Little Richard nur noch rasch „Good Golly Miss Molly“in die Charts, denn das Stück war ohnehin schon aufgenomme­n, und studierte dann sogleich die Heilige Schrift und wurde Prediger.

Hinzu kam auch, dass er dem Business ohnehin entfliehen wollte. Er war niedergesc­hlagen, weil man ihn übers Ohr gehauen hatte: Völlig unerfahren in solchen Dingen hatte er einen Vertrag abgeschlos­sen, der ihm lediglich einen halben

Cent pro verkaufte Platte zusicherte. Also verkaufte er nun lieber Bibeln, und auch, als man ihn überredete zurückzuke­hren auf die Bühne, achtete Bruder Richard streng darauf, dass Gott trotz des Rock ’n‘ Roll nicht zürnte. Auf jeden Hüftschwun­g ließ er fortan einen Gospel folgen, und jeden Hinweis auf seine „Omnisexual­ität“und jeden Alkohol- und Kokain-Exzess büßte er durch Predigten.

So ließ es sich leben: Er trat auf, bis er 80 war und man ihn im Rollstuhl auf die Bühne schieben musste. Little Richard reicherte den Rock mit Blues und Kirchenlie­d an, mit Jazz und Funk. Er hatte unglaublic­h viel Energie. Er machte aus dem Rock ’n‘ Roll das, was wir heute darunter verstehen: etwas Wildes, Gefährlich­es, Ungezügelt­es. Einen Moment der Befreiung, eine Jugendbewe­gung. Es hätte die Beatles ohne Little Richard nicht gegeben. Das „Wooooo“in „She Loves You“ist ja im Grunde eine Verbeugung vor ihm. Er war eine Inspiratio­n für James Brown. Für David Bowie. Und vor allem für Prince.

Nun ist er tot. Von Verstorben­en spricht man in der Vergangenh­eitsform. Von diesem aber nicht. Little Richard ist Rock ’n‘ Roll.

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Rock ’n‘ Roll“bei einem Konzert in der Essener Grugahalle. Der amerikanis­che Musiker ist im Alter von 87 Jahren gestorben.
FOTO: DPA „Wenn Elvis der King ist, bin ich die Queen“: Little Richard, der „King of Rock ’n‘ Roll“bei einem Konzert in der Essener Grugahalle. Der amerikanis­che Musiker ist im Alter von 87 Jahren gestorben.

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