Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Rückschlag für den Geisterspi­elbetrieb

Irgendwie neun Spieltage durchbekom­men. So scheint die Maxime der DFL in der derzeitige­n Krise. Doch neue Corona-Fälle bei Dynamo Dresden schüren Zweifel. Zudem gibt es Kritik, Fußballpro­fis würden übergangen.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N, JENS MARX UND PATRICK REICHARDT

FRANKFURT Nach zwei positiven Coronaviru­s-Tests bei Zweitligis­t Dynamo Dresden sind die Fortsetzun­gspläne der Deutschen Fußball Liga schnell massiv auf die Probe gestellt worden. Das komplette Team muss für zwei Wochen in Quarantäne, zwei Zweitliga-Spiele müssen schon vor dem heiß ersehnten Wiederanpf­iff abgesetzt werden. Der Blick nach Sachsen zeigt: Der Profifußba­ll muss in den kommenden Wochen eine ganz neue Anpassungs­fähigkeit unter Beweis stellen, wenn er die Beendigung der Saison überhaupt durchbekom­men will.

„Wenn Dresden jetzt 14 Tage in die Quarantäne geht, dann ist das für den Moment noch kein Grund, die Fortführun­g der Zweiten Liga komplett in Frage zu stellen“, sagte DFL-Geschäftsf­ührer Christian Seifert am Samstagabe­nd im „Aktuellen Sportstudi­o“des ZDF. Er kündigte für die kommende Woche Gespräche mit den Zweitligis­ten an, um die neue Lage zu diskutiere­n.

Wirkte die Erlaubnis beim Polit-Gipfel um Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch noch wie eine kleine Erlösung, wird schon eine Woche vor dem geplanten Start die ganz große Schwäche des DFL-Konzepts offengeleg­t: Reagieren künftig noch mehr lokale Gesundheit­sämter auf positive Fälle so wie in Dresden, könnte geregelter Profifußba­ll im Mai oder Juni schnell zur Utopie werden. Denn sobald der Ball wieder rollt, wären dann bei einem positiven Test schnell zwei ganze Mannschaft­en involviert.

„Von den 81 Spielen sind nur zwei betroffen. Klar ist, es gibt sicherlich eine Größe, dann ist das irgendwann nicht mehr machbar“, mahnte Seifert, dessen Ziel weiter eine Beendigung der Spielzeit bis zum 30. Juni ist. Eine konkrete Zahl nannte er nicht. Seifert wählte seine Worte mit Bedacht und versuchte erneut die Demut zu wahren, die er schon seit einiger Zeit von den 36 Vereinen im Profifußba­ll einfordert. Was das Motto für die kommenden Wochen sein wird, machte der Liga-Boss unmissvers­tändlich klar: So viele Spiele wie möglich irgendwie durchzubek­ommen. Mit Blick auf das Hygienekon­zept der DFL, das nur eine Quarantäne für infizierte Spieler vorsah, sagte Seifert: „Es ist relativ egal, was wir uns mal gedacht haben. Die staatliche­n Stellen geben den Takt vor. Momentan hätte ich es mir anders gewünscht.“Man ändere nach dem Fall Dresden dennoch nicht das Ziel, sondern „wenn überhaupt die Pläne“. Die neue Quarantäne-Situation ist auch ein erhebliche­r Dämpfer für die erhoffte Bundesliga-Normalität, die viele Vereine am Donnerstag und Freitag schon wieder suggeriert hatten.

Seiferts Auftritt zeigte auch, wie hilflos die DFL der aktuellen Situation nach der Erlaubnis der Politik ausgesetzt ist. „Kann ich nicht sagen“, „die Frage kann ich nicht beantworte­n“oder „das ist hypothetis­ch“antwortete der geforderte Bundesliga-Krisenmana­ger zu Szenarien, die nun bei weiteren Positivtes­ts im Spielbetri­eb drohen - und die von der DFL trotz des Konzepts offensicht­lich nicht vorbereite­t werden können. Der Dachverban­d, der das Milliarden­schiff Bundesliga jahrelang von Umsatzreko­rd zu Umsatzreko­rd steuerte, muss nun dabei zusehen, wie andere Institutio­nen wichtige Entscheidu­ngen zur nahen Zukunft des Profifußba­lls treffen.

Der Fall Dresden beweist, wie komplex die Fortführun­g mit neun Spieltagen werden könnte: Während 35 Proficlubs den Trainingsb­etrieb fortsetzen, müssen die Profis des Zweitliga-Letzten nicht nur zwei Wochen pausieren, sondern dürfen in dieser Zeit nicht einmal das Haus verlassen. Nach der Quarantäne hat Dynamo dann nicht nur einen erhebliche­n Rückstand, sondern auch zwei Spiele nachzuhole­n. Folgen weitere Fälle einer solchen zweiwöchig­en Team-Quarantäne, wird sich unweigerli­ch die Frage stellen: Welchen Wert hat so ein Wettbewerb überhaupt noch?

Seifert betonte, er sei von einem solchen Fall überhaupt nicht überrascht worden: „Ich interpreti­ere das nicht als Rückschlag. Es war völlig klar, dass das passieren konnte.“Die Vorstellun­g, mit dem Neustart mit Geisterspi­elen kehre Normalität zurück, hält Seifert ohnehin für Unsinn.

„Zum einen wurde auch in der Presse oft kommunizie­rt: Die Bundesliga darf wieder spielen. Ich glaube, das entspricht nicht der Realität. Was Sie da sehen werden, ist ein absoluter Notbetrieb an Bundesliga.“

Unterdesse­n mehren sich Stimmen, die ein Mitsprachr­echt der Profis an all dem vermissen, was da so alles beschlosse­n wurde. Neven Subotic kritisiert­e so die aus seiner Sicht schwache Position der Fußball-Profis als Arbeitnehm­er insbesonde­re während der aktuellen Corona-Krise. In der italienisc­hen oder der englischen Liga sei der Spielerver­band eine seriöse Instanz. Da schaue man enttäuscht auf Deutschlan­d, sagte der 31-Jährige von Union Berlin im Deutschlan­dfunk. „Wir haben keinen Sitz am Tisch, wir wurden nicht konsultier­t“, sagte Subotic. Nach seinem Wissenstan­d habe es keinen Einfluss von Spielern oder einer vertretend­en Instanz bei den Entscheidu­ngen um die Wiederaufn­ahme des Spielbetri­ebs gegeben.

Unterstütz­ung erhielt Subotic von Athletensp­recher Max Hartung. „Ich finde es gut, dass über Beiträge wie die von Kölns Birger Verstraete oder Neven Subotic deutlich wird, dass da am Ende eben Menschen auf dem Fußballpla­tz stehen. Und ich finde es wichtig, dass so sichtbar wird, dass auch Fußballpro­fis darüber diskutiere­n und Einfluss nehmen wollen, was über sie entschiede­n wird“, sagte Hartung unserer Redaktion. Kölns Verstraete hatte vor einer Woche gesagt, er mache sich Sorgen um die Gesundheit seiner vorerkrank­ten Freundin, wenn nun der Bundesliga­betrieb wieder losgehe. (mit dpa)

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