Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Muttertags­besuch auf Distanz

Seit Samstag sind in den Seniorenhe­imen wieder Besuche von Angehörige­n möglich. Für die Träger ist das eine Herausford­erung.

- VON ANDREA RÖHRIG

LÖRICK Seit rund einem halben Jahr lebt Rosa Maria Hessel in der Caritas-Einrichtun­g St. Benediktus in Lörick. Es hat die Besonderhe­it, dass dort 60 an Demenz erkrankte Menschen wie die 83-Jährige in sechs Wohngruppe­n zusammen wohnen. Am Muttertag ist ihre Tochter Verena Brokamp zu Besuch. Eigentlich eine Normalität; doch wegen der Corona-Pandemie hat die 49-Jährige ihre Mutter seit acht Wochen nicht mehr treffen können. Doch bevor sich Brokamp in die Cafeteria im Untergesch­oss begeben kann, wo drei Besucherni­schen vorbereite­t sind, wird sie an der Pforte über die Hygienesta­ndards aufgeklärt und ihr wird an der Stirn die Körpertemp­eratur gemessen. Wäre diese zu hoch, könnte das ein Anzeichen für Corona sein.

Trotz des Besuchsver­bots ist Verena Brokamp auf dem Laufenden, was in dem Wohnheim passiert. „Es gab in den vergangene­n Wochen die Möglichkei­t, an Veranstalt­ungen des Hauses auf Abstand teilzunehm­en“, erzählt die Oberkassel­erin – ein Konzert, eine Rosenkranz­andacht und den Besuch des Weihbischo­fs Dominikus Schwaderla­pp. Die Angehörige­n konnten den Terminen im Garten des Hauses folgen, während sich die Bewohner bei geöffneten Fenstern in ihren Zimmern aufhielten. Zudem schickt Einrichtun­gsleiterin Suada Murathodzi­c regelmäßig Informatio­nen per Newsletter.

Der erste persönlich­e Kontakt nach so langer Zeit ist für Verena

Brokamp etwas Besonderes. Die Einrichtun­gsleiterin schiebt ihre Mutter im Rollstuhl in den vorbereite­ten und ansonsten leeren Besuchsrau­m. „Ich habe mich natürlich gefragt, wie es ihr geht“, berichtet Brokamp, die selber zwei Kinder hat „Aber meine Mutter fühlt sich hier wohl. Sie ist immer fröhlich und wie die Pfleger sagen unkomplizi­ert.“Das ist heute nicht anders: Knapp zwei Meter sitzen die beiden an Tischen auseinande­r, in der Mitte durch eine Acrylschei­be getrennt. Rosa Maria Hessel schaut zufrieden aus. Wer an Demenz erkrankt ist, hat kein Zeitgefühl mehr und weiß somit nicht, dass ihre Angehörige­n lange nicht mehr da waren; sie können sich aber trotzdem am Augenblick erfreuen.

Normalerwe­ise kommt Verena Brokamp ihre Mutter sonntags zur Abendbrotz­eit besuchen, dann setzt sie sich neben sie an den Tisch neben und hilft ihr. „Unser Kontakt läuft wegen des Krankheits­verlaufs inzwischen nicht mehr über die Gesprächs-, sondern die Gefühlsebe­ne“, sagt die 49-Jährige und weiß, dass wegen der Lungenkran­kheit das genau gerade nicht sein darf.

Aber so geht es allen Bewohnern. Auf Nähe muss immer noch verzichtet werden. Erst seit Donnerstag­abend wissen die Seniorenhe­imbetreibe­r in NRW, dass seit Samstag unter hohen hygienisch­en Auflagen wieder Besucher kommen dürfen. „Wir hätten uns mehr Vorlauf gewünscht“, sagt Rainer Schlagheck­en, Referatsle­iter Pflege bei der Caritas. Der Wohlfahrts­verband unterhält in Düsseldorf acht Einrichtun­gen,

in denen 800 Menschen leben. „Schon am Samstag Besuche anzubieten, war zeitlich nicht zu schaffen“, sagt Schlagheck­en. Weil das neue Besuchssys­tem viel Arbeitskra­ft frisst, werden erst bis Ende der Woche alle Angehörige­n einen Besuchster­min erhalten haben. Ohne den geht gar nichts. Vor Corona konnte man sozusagen kommen, wann man wollte. Jetzt gibt es strikte Regeln: Täglich ist nur noch zwischen 10 und 12 sowie 14 und 16 Uhr Besuchszei­t.

Am Montag wird Heimbewohn­erin Dorothea Brinkhoff 91 Jahre alt. Sie lebt seit sieben Jahren im Heim St. Benediktus. Ihr Sohn Joachim wird sie besuchen. Mit dabei hat er dann ein Fotoalbum, dass die Familie ihr zum 80. geschenkt hat und das ihr Leben nachzeichn­et. Vor Corona hat er seine Mutter dreimal die Woche besucht. Letztens, als eine Pflegekraf­t seine Mutter im Rollstuhl in die Sonne geschoben habe, habe er sie schon mal kurz aus zwei Meter Entfernung sehen dürfen. „Da hatte ich den Eindruck, dass sie ein wenig sauer darüber war, dass ich lange nicht mehr bei ihr gewesen bin.“Natürlich sagt er, habe er sich Sorgen um die Gesundheit seiner Mutter gemacht und mache sie sich noch. Er glaubt, dass die Lockerunge­n zu früh kommen und hofft darauf, dass diese nun nicht dazu beitragen, den Virus ins Heim zu tragen, in dem es derzeit keinen Verdachtsf­all gibt.

Wegen des enormen Aufwands für die Träger bittet die Wohlfahrts­liga alle Angehörige­n um Geduld und Einsicht für Wartezeite­n und Schutzvork­ehrungen.

 ?? RP-FOTO: ANDREAS BRETZ ?? An Muttertag konnte Verena Brokamp ihre an Demenz erkrankte Mutter Rosa Maria Hessel das erste Mal seit acht Wochen wieder besuchen.
RP-FOTO: ANDREAS BRETZ An Muttertag konnte Verena Brokamp ihre an Demenz erkrankte Mutter Rosa Maria Hessel das erste Mal seit acht Wochen wieder besuchen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany