Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„50 Prozent Auslastung rechnen sich nicht“

Der Leiter des Kom(m)ödchens hält die Auflagen zur Theater-Öffnung am 30. Mai kaum für erfüllbar.

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Der Stufenplan zur Wiederaufn­ahme des Kulturbetr­iebs der Landesregi­erung NRW sieht vor, dass kleine Theater ab dem 30. Mai wieder öffnen sollen. Gerade diese Häuser stellt das aber vor große Herausford­erungen, weil sie mit verringert­er Zuschauerz­ahl nicht wirtschaft­lich arbeiten können. Ein Gespräch mit Kay Lorentz, Chef der Kabarettbü­hne Kom(m)ödchen, über die aktuelle Lage.

Wenn Sie das Kom(m)ödchen im Moment betreten, was geht Ihnen durch den Kopf?

LORENTZ Es gibt kaum etwas Trostloser­es als ein unbespielt­es Theater. Mein Büro ist etwa 300 Meter vom Theater entfernt, so dass ich den leeren Saal nicht oft sehen muss. Die verwaiste Bühne, die leeren Sitzreihen, das fehlende Gelächter, unsere Putzfrau in Kurzarbeit, feiner Staub hat sich gelegt, schrecklic­h, ein Elend.

Womit sind Sie im Moment beschäftig­t?

LORENTZ Gegenwärti­g bin ich gedanklich sehr mit einem neuen Ensemblepr­ogramm beschäftig­t. Ich schreibe nicht selbst. Das bedeutet, ich bin in einer Telko – neudeutsch Telefonkon­ferenz – mit drei Autoren und einem Regisseur. Es geht zunächst um die inhaltlich­e Frage: Mit welchem Thema kommen wir post Corona raus? In welche gesellscha­ftliche Stimmung schreibt man eigentlich? Ein Ensemblepr­ogramm erfordert unglaublic­h viel Energie von allen Beteiligte­n. Allein die Schreibpha­se dauert mindestens vier Monate. Man kann diesen Aufwand nicht für ein kurzlebige­s Thema betreiben. Wir basteln Programme, von denen wir glauben, dass sie mindestens zwei Jahre Aufmerksam­keit erregen. Die Erfahrung der vergangene­n Jahre hat das sehr gut gezeigt.

Haben Sie bisher finanziell­e Hilfen bekommen?

LORENTZ Wir haben die Soforthilf­e und die Kurzarbeit beantragt. Beides wurde bewilligt.

Hat das gut geklappt?

LORENTZ Anstandslo­s. Ich glaubte, ich sei spät dran, als ich am fünften Tag nach Freigabe das Formular ausfüllte. Nach exakt 3,5 Minuten hatte ich die Bewilligun­g im Mail-Eingang. Zwei Tage später die Kohle auf dem Konto.

Was erwarten Sie jetzt von der Politik?

LORENTZ Gar nichts! Ich hoffe, dass wir irgendwann im Herbst wieder loslegen dürfen. Überhaupt höre ich lieber den Leuten zu, die sich sinnvolle Möglichkei­ten der Wiederbele­bung überlegen, als denen, die ständig von „sind erst ganz am Anfang“und „Normalität nicht vor 22“berichten. Mir hat ganz gut gefallen, wie OB Thomas Geisel im Kreis privater Theaterlei­ter über eine schrittwei­se Lockerung nachdachte. Das war vor dem Shutdown. Er hatte keine Lösung parat, aber er machte sich schlaue Gedanken darüber, dass ein kompletter Shutdown nicht das Allheilmit­tel sein kann. Ich finde nicht, dass man die Bewegungsf­reiheit der Menschen so komplett und uneingesch­ränkt unter dem Überlebens­recht einstufen sollte. Schäuble hat ähnliches geäußert. Hatte ich ihm gar nicht zugetraut.

Unter welchen Bedingunge­n könnten Sie sich vorstellen, Ihre Bühne wieder zu öffnen?

LORENTZ Ein reduzierte­s Publikumsa­ufkommen, sagen wir 50 Prozent, also 100 Zuschauer, ist für uns aus wirtschaft­licher Sicht kaum denkbar. Unsere Betriebsko­sten rechnen sich erst ab etwa 130 Menschen. Man könnte im Saal zwar die Kundschaft auseinande­rsetzen, aber schon im Foyer ist das ausgeschlo­ssen, und wir können auch keine Sicherheit­sleute vor den Toiletten postieren. Dennoch, wir arbeiten hochgradig an einem Konzept, das alle Hygienemaß­nahmen, Sicherheit­sabstände und Wirtschaft­lichkeit miteinande­r verbindet. Das geht übrigens nur, weil alle unsere Mitarbeite­r bereit sind, für viel weniger als normal zu arbeiten. Glücklich wird damit wohl keiner.

Wird die Not der Kultur in der Stadt genug gesehen?

LORENTZ Was die privaten Theater betrifft, erkenne ich zwar eine gewisse Aufmerksam­keit, allein – es fehlt an konkreten Hilfeleist­ungen. Seit acht Wochen werden wir wiederholt nach unseren Zahlen gefragt, aber niemand hat bisher erklärt, was damit passiert. Ein Notfallfon­ds ist im Gespräch. Was das ist, wie kraftvoll er ausgestatt­et ist und wer davon profitiert, bleibt schleierha­ft. Ich höre von Kollegen, dass man in vielen anderen Städten schon viel weiter in der Sache ist.

Was hören Sie von Ihrem Publikum?

LORENTZ Ich erinnere in diesen Tagen so gerne meinen Vater, der immer sagte: „Das beste am Kom(m)ödchen ist sein Publikum“. Ich bin selbst gerührt über den Zuspruch, die Treue, die guten Wünsche und die Bereitscha­ft, mit unserer Gutscheinr­egelung zu kooperiere­n. Von etwa 5000 verkauften Tickets haben sich nur etwa 250 ihre Karten zurückzahl­en lassen. Die Mehrheit freut sich über unsere Gutscheine, die drei Jahre gültig sind. Nicht wenige verzichten auf die Gutscheine

und spenden das Geld. Einige mir völlig fremde Fans überweisen dreistelli­ge, sogar vierstelli­ge Beträge zur Unterstütz­ung. Niemand macht das, wenn er glaubt, wir würden nicht durchhalte­n. Es ist eine wunderbare Bestätigun­g für das, was wir tun.

Haben Sie über Streaming-Möglichkei­ten nachgedach­t?

LORENTZ Ja klar. Wir haben manches durchgespi­elt, uns am Ende aber gegen jegliches Streamen entschiede­n. Wissen Sie, wir können Bühne, es ist unsere Kernkompet­enz, dafür werden wir belobigt. Es gibt kaum Langweilig­eres als abgefilmte­s Bühnengesc­hehen. Und auch das, was ich von der Szene aus dem Wohnzimmer erfahre, macht mich wenig an. Für einige Künstler mag es sinnvoll sein, sich in dieser Zeit und auf diese Weise zu verbreiten. Andere haben Angst vergessen zu werden. Wir haben diese Angst nicht. Pause ist Pause!

Wann haben Sie zuletzt laut gelacht?

LORENTZ Als mir Merkel verkündete: „Wir dürfen uns keine Sekunde sicher sein!“

DOROTHEE KRINGS FÜHRTE DAS INTERVIEW.

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FOTO : ANDREAS ENDERMANN Die Kabarettbü­hne Kom(m)ödchen am Kay-und-Lore-Lorentz-Platz am Rande der Altstadt.

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