Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Tiefschlag für den Motorsport
Sebastian Vettel wird nach dieser Saison nicht mehr für die Scuderia Ferrari auf Titeljagd gehen, das gab Ferrari am Dienstag bekannt. Sein Vertrag läuft nach dieser Saison aus. „Das Team und ich haben gemerkt, dass es nicht mehr den gemeinsamen Wunsch gab, über das Ende dieser Saison zusammenzubleiben“, sagte Vettel. Damit bleibt ihm nur noch 2020 die Chance, die Zusammenarbeit mit dem WM-Titel in der Formel 1 zu krönen. Gelingt das nicht, bleibt es eine unvollendete Liebe zwischen dem 32-jährigen Deutschen und dem traditionsreichen Rennstall aus Italien. Vettel und Ferrari hatten auf eine ähnlich erfolgreiche Ära, wie sie einst Michael Schumacher bei Ferrari hatte, gehofft. Doch Pech, unterlegene Autos und Fahrfehler verhinderten bisher den Triumph in der Königsklasse des Motorsports.
Härter als Vettel und Ferrari trifft die Trennung jedoch die deutschen Formel-1-Fans und den Motorsport in Deutschland überhaupt. Denn der droht immer mehr in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Sollte Vettel sich für ein Ende seiner Formel-1-Karriere entscheiden oder keinen neuen Arbeitgeber finden, wäre Stand jetzt in der Saison 2021 kein deutscher Fahrer in der Königsklasse vertreten. Nun ruhen alle Hoffnungen auf Michael Schumachers Sohn Mick, der in der Formel 2 fährt und zur Ferrari-Akademie gehört. Als Vettel-Nachfolger bei der Scuderia wird allerdings vor allem Carlos Sainz jr. gehandelt. Gut möglich also, dass in der kommenden Saison tatsächlich kein Cockpit an einen deutschen Fahrer
geht. Das wäre erneut ein Tiefschlag für das Land der Autohersteller und die Rennfahrer-Nation Deutschland - nachdem in diesem Jahr bereits kein Formel-1-Rennen in Deutschland stattfindet.
DTM oder 24-Stunden-Rennen wie auf dem Nürburgring ziehen zwar auch Tausende Fans an. Die Formel 1 ist aber das Zugpferd des internationalen Motorsports, nicht nur wegen der TV-Präsenz. Die Rennserie hat mit ihrer Historie und Teams wie Mercedes und Ferrari die größte Anziehungskraft auf Fans und Sponsoren. Diese hängt aber auch maßgeblich von den Fahrertypen ab, mit denen die Fans mitfiebern können. Es ist unumstritten, dass der Hype in Deutschland immer dann besonders groß war, wenn deutsche Rennfahrer um Titel gefahren sind. Seit 2000 gingen durch Michael Schumacher (5), Sebastian Vettel (4) und Nico Rosberg (1) zehn WM-Titel an deutsche Fahrer. In den vergangenen 30 Jahren gab es immer mindestens einen deutschen Piloten in der Königsklasse
– vor zehn Jahren waren es noch sieben Deutsche, 2020 ist es nur noch Vettel.
Deutschland ist schon jetzt keine Fahrer-Dynastie mehr. Das liegt zum einen daran, dass es Nachwuchsfahrer hierzulande schwer haben, in den Fokus von großen internationalen Teams zu gelangen. Viele Rennställe setzen auf junge Fahrer, die bereits Sponsoren und Geld mitbringen. Zum anderen kostet der Sport die Famillien schon in den Rennserien der Kinder Zehntausende Euro pro Jahr. Das können sich viele nicht leisten, sodass viele Talente erst gar nicht bis in die höheren Nachwuchsserien vordringen. Fehlen nun auch noch Idole aus dem eigenen Land, wird der Anreiz sich selbst ins Kart zu setzen, um irgendwann mal Weltmeister zu werden, noch geringer. Zumal es für Fans nicht mal mehr ein Formel-1-Rennen in Deutschland gibt, bei dem sie die Stars und die Faszination des Rennsports hautnah erleben können.
Die deutsche Motorsport-Szene muss schleunigst wieder eigene Fahrer mit Siegchancen und Starpotenzial in die Königsklasse bringen. Mick Schumacher scheint mit seiner Familiengeschichte der optimale Rettungsanker, doch darf man nicht allein auf ihn setzen. Es braucht wieder Konkurrenz unter den besten Jung-Piloten in Deutschland. Schafft es in den nächsten Jahren kein Deutscher in die Formel 1, bedeutet der Einschnitt jetzt das Ende der Rennsport-Nation Deutschland auf der großen Bühne.