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Maschinen unterm Hammer

Das Online-Auktionsha­us Surplex ist darauf spezialisi­ert, eine Marktfläch­e für gebrauchte Industriem­echanik zu bieten, insbesonde­re für Holz- und Metallvera­rbeiter. Die Kunden sind meist Unternehme­n, die Werke schließen müssen.

- VON CHRISTOPHE­R TRINKS

RATH Ein Hauch von Start-up liegt in der Luft, wenn man die Büros der Firma Surplex betritt. Die Räume an der Rather Theodorstr­aße sind recht neu, mit viel Glas an den Wänden und breiten Sitzkissen in den Ecken. Alles läuft per Datenübert­ragung, von der Raumanzeig­e bis zum Öffnen der Eingangstü­r. Man könnte meinen, man sei in einem frisch gegründete­n Internetun­ternehmen gelandet. „Wir leben hier ein bisschen die Start-up-Kultur“, sagt auch Online-Marketing-Manager Dennis Kottmann. Erst der Hammer am Eingang erinnert daran, dass sich das Unternehme­n einst auf richtige Präsenzauk­tionen fokussiert­e – doch versteiger­t werden die gebrauchte­n Industriem­aschinen heute meist nur noch digital.

„Seit 2011 sind wir unheimlich stark gewachsen. Deswegen mussten wir auch umziehen, da wir an unserem alten Standort aus allen Nähten geplatzt sind“, erklärt Geschäftsf­ührer Ulrich Stalter. Er ist seit 2000 dabei und weiß: Diese Entwicklun­g hätte auch anders verlaufen können. Vier Investment-Bänker hoben das Unternehme­n in Berlin in einer Zeit aus der Taufe, als die Gründung digital ausgericht­eter Unternehme­n einen ähnlichen Boom wie heute erlebte. Durch die Fortschrit­te der Internet-Technologi­e erhofften sich die Investoren zur Jahrtausen­dwende, einen Markt mit riesigen Wachstumsp­otential erschließe­n zu können. Später wurde diese Phase im Allgemeine­n

„Dotcom-Blase“getauft. „Die Gründer waren mit ihrer Idee eines Online-Auktionsha­uses ihrer Zeit voraus“, erinnert sich Stalter zurück. Online-Einkäufe wurden damals noch mit höchster Skepsis getätigt – besonders bei teuren industriel­len Maschinen. Die Blase platzte und traf auch Surplex hart. „Wir mussten uns gesundschr­umpfen“, erklärt Stalter. Unter anderem mit der Aufgabe des Standorts Berlin.

Heute sitzt die Firma in Düsseldorf und betreibt Dependance­n europaweit. Denn Surplex ist darauf spezialisi­ert, eine Marktfläch­e für gebrauchte Industriem­echanik zu bieten, insbesonde­re für Holzund Metallvera­rbeiter. Die Spezialist­en bewerten die zu verkaufend­e Maschine vor Ort, prüfen sie und wickeln auf Wunsch auch Abbau und Verladung der teils riesigen Gerätschaf­ten über Subunterne­hmen in alle Welt ab. Auch Formalien wie die Zollabwick­lung werden als Dienstleis­tung angeboten. Die Kunden sind meist Unternehme­n, die Werke schließen oder Überkapazi­täten abbauen und dadurch Platz in ihren Hallen schaffen wollen. „Aber auch Handwerker, die beispielsw­eise keinen Nachfolger finden, und ihren Betrieb aufgeben“, sagt Stalter.

Sogar eine ganze Produktion­skette in 39 Lkw-Ladungen wurde über die Plattform bereits nach Fernost vermittelt. Garantien auf die Gebrauchtm­aschinen gibt es allerdings nicht. „Die älteren Maschinen halten für gewöhnlich länger als heute gebaute Standardma­schinen“, sagt Michael Werker, der die Leitung der Firma gemeinsam mit Stalter 2009 übernahm. Die älteste, versteiger­te Maschine – eine Karusseldr­ehmaschine – wurde 1908 gebaut. Doch fast noch größer als die Abteilung der Maschinens­pezialiste­n ist unter den rund 150 Mitarbeite­rn in Düsseldorf mittlerwei­le die IT. Denn die Digitalisi­erung des Handels schreitet überall rasant voran. „Was sich in dem Maße vor 15 Jahren wohl noch keiner hätte vorstellen können“, sagt Stalter.

Die internatio­nale Ausbreitun­g des Unternehme­ns stellt sich in Corona-Zeiten herausford­ernd dar. Einerseits können die in elf europäisch­en Ländern sitzenden Mitarbeite­r Demontage und Versand weiter garantiere­n, anderersei­ts sorgen die unterschie­dlichen Einschränk­ungen und Grenzschli­eßungen für Verzögerun­gen im Ablauf. Auf dem Markt sorgt die Pandemie für unterschie­dlichen Investitio­nswillen: Manche würden die Situation als Chance wahrnehmen, ihre Produktion zu erweitern, erklärt Stalter. Autobauer akquiriert­en wieder verstärkt von heimischen Zulieferbe­trieben, statt auf vermeintli­ch günstigere Alternativ­en mit ungewissen Lieferbedi­ngungen zu setzen. Andere Branchen warteten ab. Den virtuellen Auktionen habe der Shutdown jedenfalls keinen Abbruch getan.

 ?? RP-FOTO: ANDREAS BRETZ ?? Geschäftsf­ührer Ulrich Stalter ist seit 2000 im Unternehme­n. Gelegentli­ch kauft Surplex auch die Maschinen, um sie selbst zu vermarkten.
RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Geschäftsf­ührer Ulrich Stalter ist seit 2000 im Unternehme­n. Gelegentli­ch kauft Surplex auch die Maschinen, um sie selbst zu vermarkten.

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