Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Maschinen unterm Hammer
Das Online-Auktionshaus Surplex ist darauf spezialisiert, eine Marktfläche für gebrauchte Industriemechanik zu bieten, insbesondere für Holz- und Metallverarbeiter. Die Kunden sind meist Unternehmen, die Werke schließen müssen.
RATH Ein Hauch von Start-up liegt in der Luft, wenn man die Büros der Firma Surplex betritt. Die Räume an der Rather Theodorstraße sind recht neu, mit viel Glas an den Wänden und breiten Sitzkissen in den Ecken. Alles läuft per Datenübertragung, von der Raumanzeige bis zum Öffnen der Eingangstür. Man könnte meinen, man sei in einem frisch gegründeten Internetunternehmen gelandet. „Wir leben hier ein bisschen die Start-up-Kultur“, sagt auch Online-Marketing-Manager Dennis Kottmann. Erst der Hammer am Eingang erinnert daran, dass sich das Unternehmen einst auf richtige Präsenzauktionen fokussierte – doch versteigert werden die gebrauchten Industriemaschinen heute meist nur noch digital.
„Seit 2011 sind wir unheimlich stark gewachsen. Deswegen mussten wir auch umziehen, da wir an unserem alten Standort aus allen Nähten geplatzt sind“, erklärt Geschäftsführer Ulrich Stalter. Er ist seit 2000 dabei und weiß: Diese Entwicklung hätte auch anders verlaufen können. Vier Investment-Bänker hoben das Unternehmen in Berlin in einer Zeit aus der Taufe, als die Gründung digital ausgerichteter Unternehmen einen ähnlichen Boom wie heute erlebte. Durch die Fortschritte der Internet-Technologie erhofften sich die Investoren zur Jahrtausendwende, einen Markt mit riesigen Wachstumspotential erschließen zu können. Später wurde diese Phase im Allgemeinen
„Dotcom-Blase“getauft. „Die Gründer waren mit ihrer Idee eines Online-Auktionshauses ihrer Zeit voraus“, erinnert sich Stalter zurück. Online-Einkäufe wurden damals noch mit höchster Skepsis getätigt – besonders bei teuren industriellen Maschinen. Die Blase platzte und traf auch Surplex hart. „Wir mussten uns gesundschrumpfen“, erklärt Stalter. Unter anderem mit der Aufgabe des Standorts Berlin.
Heute sitzt die Firma in Düsseldorf und betreibt Dependancen europaweit. Denn Surplex ist darauf spezialisiert, eine Marktfläche für gebrauchte Industriemechanik zu bieten, insbesondere für Holzund Metallverarbeiter. Die Spezialisten bewerten die zu verkaufende Maschine vor Ort, prüfen sie und wickeln auf Wunsch auch Abbau und Verladung der teils riesigen Gerätschaften über Subunternehmen in alle Welt ab. Auch Formalien wie die Zollabwicklung werden als Dienstleistung angeboten. Die Kunden sind meist Unternehmen, die Werke schließen oder Überkapazitäten abbauen und dadurch Platz in ihren Hallen schaffen wollen. „Aber auch Handwerker, die beispielsweise keinen Nachfolger finden, und ihren Betrieb aufgeben“, sagt Stalter.
Sogar eine ganze Produktionskette in 39 Lkw-Ladungen wurde über die Plattform bereits nach Fernost vermittelt. Garantien auf die Gebrauchtmaschinen gibt es allerdings nicht. „Die älteren Maschinen halten für gewöhnlich länger als heute gebaute Standardmaschinen“, sagt Michael Werker, der die Leitung der Firma gemeinsam mit Stalter 2009 übernahm. Die älteste, versteigerte Maschine – eine Karusseldrehmaschine – wurde 1908 gebaut. Doch fast noch größer als die Abteilung der Maschinenspezialisten ist unter den rund 150 Mitarbeitern in Düsseldorf mittlerweile die IT. Denn die Digitalisierung des Handels schreitet überall rasant voran. „Was sich in dem Maße vor 15 Jahren wohl noch keiner hätte vorstellen können“, sagt Stalter.
Die internationale Ausbreitung des Unternehmens stellt sich in Corona-Zeiten herausfordernd dar. Einerseits können die in elf europäischen Ländern sitzenden Mitarbeiter Demontage und Versand weiter garantieren, andererseits sorgen die unterschiedlichen Einschränkungen und Grenzschließungen für Verzögerungen im Ablauf. Auf dem Markt sorgt die Pandemie für unterschiedlichen Investitionswillen: Manche würden die Situation als Chance wahrnehmen, ihre Produktion zu erweitern, erklärt Stalter. Autobauer akquirierten wieder verstärkt von heimischen Zulieferbetrieben, statt auf vermeintlich günstigere Alternativen mit ungewissen Lieferbedingungen zu setzen. Andere Branchen warteten ab. Den virtuellen Auktionen habe der Shutdown jedenfalls keinen Abbruch getan.