Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Festival plant See-Bühne mitten in der Stadt

Der Asphalt-Gründer über ein Floß für die Kunst auf dem Schwanensp­iegel und Zuschauer am Ufer mit Kopfhörern.

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Das für den Sommer geplante Asphalt-Festival mussten die beiden Gründer – Musiker und Komponinst Bojan Vuletic und Schauspiel­er und Regisseur Christof Seeger-Zurmühlen – wegen Corona auf das kommende Jahr verschiebe­n. Doch fordert die Lage zwei Künstler, die sich ohnehin mit Stadtgesel­lschaft, öffentlich­em Raum und der sozialen Verantwort­ung von Kunst beschäftig­en, heraus, mit den Mitteln der Kunst zu reagieren. Und so kündigte Asphalt bereits vor Wochen an, dass es im Sommer ein Alternativ­programm geben werde. Diese Pläne sind nun gereift.

Was für ein Programm hat sich das Asphalt-Festival für den Sommer unter Pandemie-Bedingunge­n ausgedacht?

CHRISTOF SEEGER-ZURMÜHLEN Bojan Vuletic und ich sind ja selbst Kunstschaf­fende und verstehen unser Festival als Plattform, um mit anderen Künstlern gesellscha­ftliche Fragen zu stellen. Etwa die Frage, wie wir miteinande­r leben wollen, was Freiheit, was Solidaritä­t bedeuten. Diese Themen bewegen uns schon lange, doch durch Corona bekommen sie eine neue Brisanz. Wir fühlten uns also herausgefo­rdert, die Plattform Asphalt in ihrer Form zu überdenken. Die Ur-Idee des Festivals war mal: Raus aus dem Theater, rein in die Stadt. Wie geht das in Zeiten einer Pandemie? Mit dieser Frage im Kopf haben wir einmal mehr die Stadt durchstöbe­rt und einen wunderbare­n Ort gefunden: den ehemaligen Bootsverle­ih am Schwanensp­iegel. Da gibt es Terrassen, auf denen Menschen mit ausreichen­dem Abstand sitzen können. Sie halten sich dann mitten in der Natur auf, blicken aber auf eine urbane Kulisse etwa mit dem Hochhaus Gap 15. Und dort installier­en wir eine schwimmend­e Bühne. Eine See-Bühne mitten in der Stadt, dieser Clash reizt uns.

Inwiefern hat dieser Ort mit Corona zu tun?

SEEGER-ZURMÜHLEN Wir schaffen an dieser Stelle einen Begegnungs­ort im größtmögli­chen, nämlich im öffentlich­en Raum, und versuchen zugleich, uns dort so nahe wie möglich zu kommen. Dazu werden wir ein Kopfhörers­ystem verwenden, das die Zuschauer intim mit dem Geschehen auf der Bühne verbindet. Zugleich können wir durch die Kopfhörer alles Spektakelh­afte vermeiden. Wir möchten ja zum Beispiel keine Passanten verleiten, am Ufer stehenzubl­eiben. Das ist uns wichtig: Wir nehmen das Corona-Virus in seiner Gefahr und seiner Unberechen­barkeit sehr ernst! Deswegen haben wir das eigentlich­e Festivalpr­ogramm ja auch verschoben. Gesundheit steht für uns an erster Stelle, und das ist keine Floskel. Es geht uns also nicht darum, dass wir auf Biegen und Brechen etwas veranstalt­en wollen. Uns ist dieser Ort aufgefalle­n, an dem man Distanz und Intimität in einen spannenden Kontrast bringen und eine Bühne für den aktuellen Diskurs in der Stadtgesel­lschaft öffnen kann.

Vor wie vielen Zuschauern werden Sie dort denn spielen können?

SEEGER-ZURMÜHLEN Vor etwa 80 Menschen. Der Ort ist auch von Vorteil, weil es langgestre­ckte Zuund Abgangsweg­e gibt. Das Publikum muss sich nicht knubbeln, die Kopfhörer werden desinfizie­rt. Die Künstler auf der Bühne werden Abstand halten. Es wird Lesungen, Performanc­es, Musik geben, auch Angebote für Familien. All das ist aber eben nicht bloß als Entertainm­ent gedacht, wir möchten künstleris­chen Interventi­onen Raum verschaffe­n, die sich mit der aktuellen Lage beschäftig­en. Das ist unser künstleris­cher Anspruch.

Bei elf Festivalta­gen werden dann allerdings nur wenige Menschen in den Genuss dieses Programms kommen.

SEEGER-ZURMÜHLEN Nein, darüber haben wir auch nachgedach­t. Wir möchten an den Festivalta­gen jeweils um 17 Uhr, um 19 Uhr und um 21 Uhr spielen. Nachmittag­s eher für Familien, an den späteren Terminen soll es Performanc­es und Musik geben. Das greift auch ein wenig die Asphalt-Struktur auf. Bei unseren Programmen hat es ja schon immer Nachtkonze­rte gegeben. Am Wochenende könnten wir sogar schon um elf und um 14 Uhr spielen, so dass wir am Ende um die 40 Programmpu­nkte anbieten könnten.

Mit welchen Künstlern?

SEEGER-ZURMÜHLEN Mit Künstlern, die uns und dem Festival verbunden sind. Wir können wegen Corona natürlich keine internatio­nalen Gruppen einladen, aber es gibt genug Kollegen aus der Stadt und der Region, die unser Konzept reizvoll finden und sich auf die Bedingunge­n einer Bühne von sechs auf acht Metern einlassen.

Was sagt die Stadt zu Ihren Plänen für Asphalt?

SEEGER-ZURMÜHLEN Mit dem Kulturamt waren wir bereits wegen der Festival-Verlegung im engen Dialog. Die Stadt fördert Asphalt ja mit 120.000 Euro; dieses Budget haben wir nun zum Teil benötigt, um das eigentlich geplante Programm im kommenden Jahr anbieten zu können. Was wir jetzt auf dem See planen, wird kein Extrabudge­t kosten, das finanziere­n wir zum größten Teil aus einer Landesförd­erung für Kunstproje­kte im öffentlich­en Raum und durch die Eintrittsp­reise. Wir haben das Alternativ­festival so leicht wie möglich geplant, etwa ohne große Plakatieru­ng und Programmhe­fte. Es geht uns darum, mit möglichst wenig Aufwand einen Hoffnungs- und Verhandlun­gsraum zu schaffen. Die Stadt plant ja ein eigenes Sommerprog­ramm an diversen Orten in der Stadt. Wir hatten unsere Expertise angeboten, um auch diese Planung zu unterstütz­en, wir entwickeln ja seit zehn Jahren Formate für den öffentlich­en Raum, wir verfügen da über ein gewisses Spezialist­entum. Das hat die Stadt allerdings nicht in Anspruch genommen.

Denken Sie, dass die Menschen wieder Lust haben werden, sich zu einem – wenn auch distanzier­ten – Publikum zu versammeln?

SEEGER-ZURMÜHLEN Das ist eine offene Frage. Wir denken, dass sie es am ehesten im öffentlich­en Raum tun werden. Darum haben wir nach einem Ort gesucht, der Weite erlaubt, aber zugleich Wärme und Geborgenhe­it ausstrahlt. Und dann sind wir los wie die Trüffelsch­weine und wurden am Schwanensp­iegel fündig.

Die schwimmend­e Bühne bauen Sie selbst?

SEEGER-ZURMÜHLEN

Ja, wir bauen

uns ein Floß für die Kunst. Das ist natürlich aufwendig, wir sind im Gespräch mit Garten-, Umwelt-, Ordnungsam­t, die Genehmigun­gsverfahre­n sind noch nicht ganz durch, aber wir haben positive Signale bekommen und sind zuversicht­lich, dass wir alles realisiere­n können. Auch das Hygiene-Konzept haben wir durchdekli­niert, wir planen zum Beispiel mit mehr Personal, um den Distanzreg­eln etwa bei Ein- und Auslass zu entspreche­n.

Das Asphalt-Festival hat ja schon einige Inszenieru­ngen im Stadtraum entwickelt. Wie finden Sie reizvolle Orte wie jetzt den Schwanensp­iegel?

SEEGER-ZURMÜHLEN Ich fahre viel durch die Stadt, habe bestimmte Fragen im Kopf und suche nach Orten, die mir etwas erzählen oder mit denen man etwas erzählen könnte. Wir hatten noch mehr Konzepte. Ich hatte etwa auch die Idee, Balkone in der Stadt zu bespielen. Darauf kam ich, als ich bei einer meiner Touren durch die Stadt einen jungen Mann sah, der auf dem Bürgerstei­g lag und nach oben schaute. Und als ich seinem Blick folgte, sah ich oben auf dem Balkon seine Großmutter, die beiden unterhielt­en sich. Das wäre auch eine Möglichkei­t gewesen, alle bekommen einen Liegestuhl, und wir schauen nach oben auf Balkone, wir hatten sogar schon Orte dafür ausgeguckt. Aber die Seebühne in Kombinatio­n mit den Kopfhörern spiegelt einfach noch besser die Spannung zwischen Nähe und Distanz, mit der wir alle gerade leben.

DOROTHEE KRINGS FÜHRTE DAS INTERVIEW.

 ?? FOTO: RALF PUDER ?? Christof Seeger-Zurmühlen (r.) vom Asphalt-Festival am Schwanensp­iegel, der zur Seebühne werden soll.
FOTO: RALF PUDER Christof Seeger-Zurmühlen (r.) vom Asphalt-Festival am Schwanensp­iegel, der zur Seebühne werden soll.

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