Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Aus dem Aluhut gezaubert

Die neue Protestbew­egung trägt Aluminium. Klingt verrückt, ist es auch.

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Der Aluhut war eigentlich komplett aus der Mode gekommen – als Kleidungss­tück sowieso, aber auch als Sprachbild für Menschen, die Verschwöru­ngstheorie­n anhängen, an krankhafte­n Wahnvorste­llungen leiden oder einfach als Spinner durchgehen. Nett gemeint war diese Zuschreibu­ng jedenfalls nie. Im Zuge der sogenannte­n Hygiene-Demos, also jener Kundgebung­en, die sich gegen die Auflagen zum Schutz vor dem Coronaviru­s richten, sind Aluhüte wieder schwer angesagt. Ihre Träger nutzen sie entweder selbstiron­isch oder als Anklage gegen die Gesellscha­ft, von der sie sich aufgrund ihrer Überzeugun­gen ausgegrenz­t sehen. Der Aluhut als Kennzeiche­n der Opferrolle.

Da so eine aus Alufolie gewickelte Kappe nicht nur ein drastische­s Statement darstellt, sondern auch nur begrenzt kleidsam ist, wählen insbesonde­re Verschwöru­ngstheoret­ikerinnen inzwischen gerne die Variante der „Querdenker-Bommel“. Ernsthaft! Das sind aus Alufolie gewickelte Kugeln in der Größe von Pudelmütze­n-Bommeln, die an einem Band um den Hals getragen werden. Inhaltlich verbreiten die Demonstran­ten im AluSchick mitunter abenteuerl­iche Theorien – zum Beispiel, dass Bill Gates Verursache­r des Coronaviru­s ist und dass durch Zwangsimpf­ungen die Bevölkerun­g

mit Computerch­ips versehen werden soll, um die Menschen zu kontrollie­ren.

Man könnte es dabei belassen, die neue Bewegung als aus dem Aluhut gezauberte Spinner mit Sinn für Folklore abzutun. Doch damit würde man sie wahrschein­lich unterschät­zen. Sie sind zu Tausenden auf der Straße und zu Hunderttau­senden in den sozialen Netzwerken unterwegs. In einer Zeit, in der die AfD als Sammelbeck­en der Unzufriede­nen und Angstverbr­eiter an Boden verliert, kann eine neue Protestbew­egung wachsen.

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