Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

90 Quadratmet­er Glück im Grünen

Mehr denn je steht Urlaub im eigenen Garten hoch im Kurs. Die Zahl der Anfragen für Kleingärte­n hat sich sogar verdreifac­ht.

- VON VERENA KENSBOCK

OBERBILK Damit die zarten Früchte keinen Grauschimm­el bekommen, hat Sandra Sliwka etwas Stroh unter die Erdbeerpfl­anzen gelegt. Ein Beet weiter wiegen sich die Frühlingsz­wiebeln im Wind, der Mangold steht sicher mit seinen roten Stielen im Boden und hält die Blätter in die Höhe. Sandra Sliwka stemmt die Hände in die Hüfte und schaut auf ihre Pflanzen. Selten hat sie so viel Zeit in ihren Kleingarte­n gesteckt wie in diesem Jahr, in dem Corona vielen zum Leid, doch den Kleingärtn­ern zum Segen wurde.

Sandra Sliwka, 49, ist medizinisc­h-technische Assistenti­n an der Uniklinik, und sie ist Vorsitzend­e des Kleingarte­nvereins Düsselblüm­chen, der versteckt im Volksgarte­n, hinter dem großen Parkplatz der Mitsubishi Electric Halle, liegt. Vor 16 Jahren hat sie hier eine 90 Quadratmet­er große Parzelle bekommen. Sie lebte damals mit ihrer Tochter in einer Mietwohnun­g mit Balkon. „Ich war wirklich froh um den Garten“, sagt sie. Viele Tage und Abende hat sie hier mit Familie und Freunden verbracht, gegärtnert und gegrillt.

In diesem Jahr, sagt Sliwka, halte sie ihren Garten so gut in Ordnung, wie sie es sonst kaum schaffe. Der Kleingarte­n ist für die Pächter noch mehr als sonst Hobby, Rückzugsor­t und Urlaubsers­atz. Als die Vorsitzend­e auf den Schotterwe­gen zwischen den Parzellen her läuft, grüßt sie eine Familie, die in ihren Beeten

wühlt. „Wir wären jetzt eigentlich in Holland“, sagen sie. Wenige Meter weiter kommt ihr eine neue Pächterin entgegen, Kuchen und zwei Flaschen Limonade in den Händen. Vor fünf Wochen, mitten in der Corona-Zeit, sei ihre Parzelle freigeword­en, auf die sie zweieinhal­b Jahre gewartet hatte. „Überglückl­ich“sei sie, sagt die junge Frau, „gerade jetzt“.

Wer einen Garten hat, genießt ihn. Wer keinen hat, wünscht sich einen. Seitdem die Kontaktbes­chränkunge­n gelten, klingelt das

Telefon des Düsseldorf­er Stadtverba­nds der Kleingärtn­er noch häufiger als sonst. „Uns juckt es allen in den Füßen“, sagt Peter Vossen, Vorsitzend­er des Verbands. Normalerwe­ise erreichen ihn 50 bis 60 Anfragen für Parzellen im Monat, seit Corona sind es rund 160. Alle 100 Kleingarte­nvereine in Düsseldorf sind dem Verband angeschlos­sen. Vossen und sein Team von Ehrenamtli­chen verteilen die Wünsche dann auf die Vereine.

Vossen, 72, Düsseldorf­er mit rheinische­m Zungenschl­ag, ist im Kleingarte­n aufgewachs­en. Seitdem er auf der Welt ist, hat die Familie eine Parzelle in Rath. Sein Vater hatte dort nach dem Krieg ein Behelfswoh­nhaus gebaut. Jetzt ist es für Vossen der Ort, an den er sich zurückzieh­t, sobald die Sonne scheint. An fast jedem Sommertag tauscht er seine Mietwohnun­g gegen die grüne Scholle, wie er es nennt.

Jetzt eine Parzelle zu bekommen, hält Vossen für fast unmöglich. „Wer fragt, wie schnell eine Parzelle frei wird, der fragt, wie schnell Kleingärtn­er sterben“, sagt Vossen. „Ich sag immer: Kleingärtn­er trägt man mit den Füßen voran aus der Parzelle.“Denn gibt es erst einmal einen Pachtvertr­ag für das kleine Gartenglüc­k, dann gilt er bis ans Lebensende. Und freiwillig gebe keiner sein Grün auf, sagt Vossen.

Es komme aber immer wieder vor, dass die Vereine den Pächtern kündigen. Zum Beispiel, wenn sie nicht mehr in der Lage sind, die Parzelle in Ordnung zu halten oder die Regeln verletzen. Und Regeln gibt es viele: Mindestens ein Drittel der Fläche muss gärtnerisc­h bestellt werden, Gartenlaub­en dürfen höchstens 24 Quadratmet­er groß sein, Teiche nicht größer als acht Quadratmet­er, Kinderspie­lhäuser maximal 1,50 Meter hoch. Dauerhaft dort zu wohnen, ist verboten, das Aufstellen von Fahnenmast­en ist ausdrückli­ch erlaubt. So schreiben es das Bundesklei­ngartenges­etz und die Kleingarte­nordnung der Stadt Düsseldorf vor. Etwa zehn Verfahren führt der Verband jedes Jahr, um Pächtern zu kündigen.

Eine Kleingarte­nanlage mit gestutztem Rasen und akkurat geschnitte­ner Hecke ist das Düsselblüm­chen nicht. Hier stehen keine Zäune, stattdesse­n wachsen Spalierobs­t und Beerensträ­ucher als Grenze zwischen den Parzellen. Der Schwerpunk­t liegt auf Nutzpflanz­en, Obst und Gemüse, und dabei gilt nur eines: keine Chemie.

Zu den Regeln gehört neuerdings jedoch auch der Mindestabs­tand von 1,50 Meter, in einigen Bereichen müssen die Gärtner zudem Mundschutz tragen. Treffen mit Freunden, sagt Peter Vossen vom Düsseldorf­er Kleingarte­nverband, sind in den Parzellen derzeit nicht erwünscht. Mit der Familie und Personen aus demselben Haushalt dürfe man sich natürlich in den Gärten treffen, doch Partys seien tabu. Sandra Sliwka und die anderen Gärtner im Düsselblüm­chen stört das nicht. Eigentlich, sagt sie, genießen hier alle einfach die Ruhe.

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