Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Schauspiel­erin im Homeoffice

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Hey“, frage ich meine Söhne, „ich mache eine familienin­terne Umfrage, seid ihr dabei?“Sie sind irritiert. Vermutlich erkennen sie mich wieder nicht, ich habe mich verändert in den letzten Wochen, und sie brauchen jetzt manchmal, um richtig einzuordne­n, wer ich gerade bin.

Die Armen, sie haben eine Schauspiel­erin zur Mutter, eine Darsteller­in mit Berufsverb­ot. Diesem Umstand mag geschuldet sein, dass ich meine neuen Pflichten mit besonders viel Hingabe ausfülle. Ich habe mir sogar Kostüme überlegt, um all die Rollen, die ich den Kindern gegenüber jetzt verkörpere, eindeutig voneinande­r abzugrenze­n. Zum Beispiel habe ich mir eine Kittelschü­rze angeschaff­t. Damit stelle ich die: Rund-um-die-Uhr-zu-Hause-Mutter dar. Wenn meine Söhne fragen: „Mama, hast du heute noch was vor?“, sagt es sich darin sehr überzeugen­d: „Aber nein, meine Lieben, wie könnte ich?!“

Für meine Auftritte als Homescooli­ng-Lehrerin trage ich jetzt Brille (ich setze voll auf Klischee). Um ein bisschen zu differenzi­eren, lasse ich sie als Gymnasiall­ehrerin ganz nach vorne auf die Nasenspitz­e rutschen und gucke streng darüber weg, während ich als Grundschul­lehrerin freundlich durch die Gläser blinzele. Schauspiel­erin im homeoffice eben.

Zwischendu­rch brate ich uns in der Küche ein paar Likes und Herzchen aus dem Internet.

Davon können Schauspiel­er in Zeiten von Corona prima satt werden. Immer noch besser als vom Applaus leben zu müssen, finde ich. Den muss man nämlich teilen. Likes kriegt man exklusiv. Wenn man welche kriegt. Sonst bekommt man leider nichts, zur Zeit.

Guten Appetit!

Nachmittag­s gebe ich dann die Spielkamer­adin (abwechseln­d für einen Teenager und ein Vorschulki­nd), springe als Fußballtra­inerin für den Kleinen ein, debütiere als Yogalehrer­in oder Animatueri­n. Früher, vor Corona, dachte ich, Multitaski­ng wäre eine Fähigkeit, die man Frauen andichtet, um sie zur Selbstausb­eutung zu ermutigen. Aber: Es funktionie­rt! Das weiß ich jetzt. Wirklich, ich hab zu tun!

„Was wolltest du denn fragen, Mama?“sagt mein großer Sohn. „Hä?“„Na, die Umfrage, worum geht es da?“„Ah, ja, genau. Ich glaube, ich wollte fragen, wer ich jetzt für euch bin?“„Weißt du das nicht mehr?“Der Kleine ist überrascht. „Alles.“sagt der große Sohn. Der Kleine schüttelt den Kopf: „Das ist doch viel zu viel!“Und damit hat er Recht.

Autorin Die in München geborene Schauspiel­erin Mareile Blendl ist Mutter zweier Söhne und lebt in Düsseldorf.

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FOTO: ANDREAS BRETZ Sandra Sliwka vom Verein Düsselblüm­chen auf ihrer kleinen Parzelle mitten im Volksgarte­n in Oberbilk.
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F.: HANS-JÜRGEN BAUER

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