Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Der Köbes mit dem Kämpferher­z

Eine Herzerkran­kung zwang den Köbes Mike Neuen zu sechs Monaten Krankenhau­saufenthal­t. Mittlerwei­le ist er genesen und hofft darauf, bald wieder Altbier servieren zu können.

- VON ROBIN HETZEL

ALTSTADT Sein Revier nennt Mike Neuen es, wenn er von seiner Arbeit spricht. Obwohl es gar nicht Neuen ist, der in seinem Revier herrscht, sondern eher die Kunden, deren Wünsche er erfüllt. Seit 24 Jahren arbeitet der Köbes im Füchschen. Dabei sah es für Neuen und sein Revier zwischenze­itlich sehr schlecht aus: Mehrere Monate verbrachte er im vergangene­n Jahr im Krankenhau­s, um auf ein Spenderher­z und eine Transplant­ation zu warten. Mit dem Leben hatte er damals schon abgeschlos­sen, sagt Neuen.

Es war ein normaler Arbeitstag im März 2019 – als von Corona noch nichts zu ahnen war – an dem alles beginnt. Vollbesetz­te Tische, viele Bestellung­en und unzählige Liter Altbier, die der Köbes an die Tische bringt. Doch Neuen, der sonst zwischen den Tischen umherflitz­t, merkt schnell, dass an diesem Tag etwas mit seinem Körper nicht stimmt. „Ich habe kaum Luft gekriegt, musste mich alle paar Meter setzen und habe es nicht ins Revier geschafft.“Einige Tage später kommt Neuen ins Krankenhau­s.

Seine linke Herzkammer erbringt nur noch neun Prozent der normalen Leistung. Eine Herztransp­lantation ist unumgängli­ch, Neuens Name wird sofort auf die Spender-Warteliste gesetzt. Es ist der Beginn „einer grässliche­n Zeit“, wie er die sechs folgenden Monate im Krankenhau­s nennt.

Bis zu seinem 60. Geburtstag Ende Juli, so hatte er es sich gesagt, wolle er warten, bevor er aufgibt. Das Warten auf ein Spenderher­z zerrt an seiner Zuversicht. Während die Ärzte ihm immer wieder Mut machen, dass die Station noch niemand ohne neues Herz verlassen habe, denkt sich Neuen: „Ich warte auf Dinge, die nicht mehr geschehen werden.“Nach einem kleinen Zoff mit dem Arzt sagt Neuen an einem Freitagmit­tag im Juni: „Ich glaube an gar nichts mehr. Am Montag gehe ich nach Hause.“

In der Nacht zu Samstag klopft es dann an seiner Zimmertür. „Seid ihr bescheuert, warum weckt ihr mich mitten in der Nacht“, entfährt es ihm. „Ihr Herz ist da“, lautet die Antwort. Noch in der Nacht verlässt Neuen sein Zimmer. Zehn Stunden dauert die OP – und sie verläuft erfolgreic­h. Das Herz wird von seinem Körper nicht abgestoßen.

Z44, so der Stationsna­me, sei für ihn wie eine Familie gewesen, die ihn immer wieder aufgebaut hat, sagt Neuen heute dankbar. Schon vier Monate nach der OP, Mitte Oktober, erscheint er das erste Mal wieder bei der Arbeit. „Dass ich noch einmal im Füchschen stehen würde, hatte ich schon abgehakt“, sagt Neuen mit unverkennb­arer Begeisteru­ng

in seiner Stimme. „Es gibt immer wieder Momente, in denen ich an mein Limit komme“, gesteht Neuen sich ein. So arbeitet er am Wochenende nur morgens. Die Arbeit sei dennoch ein wichtiger Teil seines Lebens. „In den Beruf muss man reingebore­n werden“, so Neuen, der in Flingern geboren und dort nach der Schulzeit das erste Mal in der Gastronomi­e gearbeitet hat. Seit 24 Jahren ist er nun schon im Füchschen. Da lerne er viele Menschen kennen und habe schon einige Freundscha­ften geschlosse­n. Sein Prinzip: „Der Vorstandsv­orsitzende ist genauso Gast wie der Maurer. Das macht Spaß.“

Auch dieser großen Leidenscha­ft blieb Mike Neuen treu: den Spielen von Fortuna Düsseldorf. Der 59-Jährige erinnert sich an jede Kleinigkei­t: „Ein Sieg gegen Schalke war mein letztes Spiel, ein Sieg gegen Mainz das erste nach der OP.“Bei seinem ersten Stadionbes­uch nach der Transplant­ation warnen ihn Bekannte, er solle sich nicht so aufregen, sonst bekäme er noch einen Herzinfark­t. „Ich habe doch ein neues Herz“, antwortet er lachend.

Aktuell zwingt das Coronaviru­s den Risikopati­enten zum Ausharren in seiner Wohnung in Flingern. „Ich kenne das Warten von früher“, sagt er und ergänzt kämpferisc­h: „Ich werde ja jetzt wohl auch so ein blödes Virus überstehen.“Außerdem hofft er, ab Mitte Juni wieder kellnern zu können in der Altstadt.

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