Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Wir sollten trotz Pandemie investiere­n“

Interview Der Vorsitzend­e des Umweltauss­chusses, Peter Blumenrath, spricht über Aufgaben und Ziele.

- RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER

DÜSSELDORF Der Umwelt- und Klimaschut­z war im Wahlkampf ein zentrales Thema bei den Parteien. Jetzt stehen sie in der Pflicht, ihre Verspreche­n umzusetzen. Peter Blumenrath, der Vorsitzend­e des neuen Umweltauss­chusses, spricht im Interview über die ersten Ziele des Gremiums und welche Rolle die Bürger beim Ziel Klimaneutr­alität 2035 spielen.

Die Grünen sagen, dass die nächsten fünf Jahre entscheide­nd sein werden, um die Klimaziele zu erreichen. Ist die Arbeit des neuen Umweltauss­chusses bedeutende­r als jemals zuvor?

PETER BLUMENRATH Ja, das würde ich so unterschre­iben. Die Aussage ist aber kein Alleinstel­lungsmerkm­al der Grünen, in der CDU sehen wir das auch so. Der Umweltauss­chuss wird jetzt gerade bei den Mobilitäts-Fragen „Wie kommen wir an regenerati­ve Antriebe? und „Wie bringen wir Wasserstof­f auf den Markt?“wichtige Weichen stellen – stellen müssen. Beim Thema Wasserstof­f sind wir zusammen mit städtische­n Töchtern schon auf einem guten Weg.

Wie sieht dieser Weg aus?

BLUMENRATH Bei der Müllverbre­nnung soll in Zukunft im Rahmen der thermische­n Verwertung Wasserstof­f produziert werden, mit dem dann auch die Busse der Rheinbahn betankt werden können.

Welche ersten Ziele setzt sich der neue Umweltauss­chuss?

BLUMENRATH Wir werden zunächst einmal die Kooperatio­nsgespräch­e zwischen der CDU und den Grünen zu einem positiven Ergebnis bringen. Dann werden wir zusammen Ausschussi­nitiativen einbringen und kommunale Lösungen für die Verkehrs- und Energiewen­de sowie zur Klimaanpas­sung erarbeiten, die von einer breiten Stadtgesel­lschaft getragen werden.

Oberbürger­meister Stephan Keller will die Umweltspur­en abschaffen. Welche Lösungen hat er?

BLUMENRATH Ohne den Ausbau des Radverkehr­s wird es nicht gehen. Das Fahrrad muss als Alternativ­e zum Auto attraktive­r werden und eine wichtigere Rolle spielen. Es gibt Grenzwerte und ein Klimaneutr­alitätszie­l, woran wir uns halten müssen. Deshalb werden wir die Maßnahmen auch so umsetzen, dass die Werte eingehalte­n werden.

Aber welche weiteren Maßnahmen sind das?

BLUMENRATH Es ist der Ausbau des ÖPNV und es sind Überlegung­en, wo man technisch etwas besser machen kann. Zum Beispiel mit einem klugen Ampelsyste­m und einer digitalen Steuerung. Es gibt deutlich feinere Mechaniken als eine Umweltspur, die die Abgase nur verlagert. Die Abgase sind mit den Umweltspur­en nicht weg.

Die Corona-Krise wird finanziell­e Einschnitt­e zu Folge haben, es fehlen voraussich­tlich jetzt schon rund 500 Millionen Euro. Warum sollte jetzt nicht beim Umweltschu­tz der Rotstift angesetzt werden?

BLUMENRATH Wir sollten nicht sparen, sondern die Pandemie nutzen, um Anreize in den Segmenten zu setzen, die uns in den nächsten 15 Jahren helfen. Wir könnten über Landes- und Bundesmitt­el Geld in Projekte investiere­n, die massiv zur CO2-Reduktion beitragen und gleichzeit­ig die Infrastruk­tur für die nächsten Jahre verbessern.

Welche Projekte meinen Sie?

BLUMENRATH Nehmen wir die Bauwirtsch­aft. Wir könnten regenerati­ve Energiesys­teme, Photovolta­ik oder auch Anschlüsse für E-Mobilität fördern. Dann schaffe ich dort eine stabile Auftragsla­ge und habe gleichzeit­ig in die Zukunft investiert.

Das Fliegen ist nicht besonders nachhaltig und die Corona-Krise hat gezeigt, dass vor allem Inlandsflü­ge durch Videokonfe­renzen ersetzt

werden können. Welche Rolle spielt der Flughafen noch in der Zukunft?

BLUMENRATH Als Stadt haben wir zumindest schon begonnen, den Flughafen über die Fernwärme besser ans Wärmenetz anzubinden. Wir möchten ihn in der Bodenlogis­tik umweltfreu­ndlicher gestalten. Der Luftverkeh­r muss Lösungen entwickeln, damit die Klimaziele eingehalte­n werden. Hier gibt es von Wasserstof­f über synthetisc­he Treibstoff­e einige Ansätze, die zeitnah umgesetzt werden müssen. Der Flughafen vernetzt die Welt und die Menschen, diese werden auch in Zukunft in den Urlaub fliegen. Wenn wir im nächsten Jahr feststelle­n, dass mehr Menschen mit dem Zug fahren oder online von zu Hause aus arbeiten, wäre das eine Entwicklun­g, auf die sich der Flugmarkt einstellen muss.

Sie befürworte­n den Umstieg auf die Bahn zu Lasten des Flughafens?

BLUMENRATH Die Bahn muss attraktive­r werden. Ich glaube, dass private Wochenenda­usflüge durchaus mit attraktive­n Angeboten der Bahn verbunden werden können. Der Flughafen bleibt dennoch ein wichtiger wirtschaft­licher Erfolgsfak­tor für die Stadt. Wir brauchen Lösungen, die unsere Klimaziele einhalten und den Wirtschaft­sfaktor Flughafen langfristi­g attraktiv halten.

Wird Düsseldorf das Ziel Klimaneutr­alität bis zum Jahr 2035 erreichen?

BLUMENRATH Ich bin sehr zuversicht­lich. Wenn wir keine Pandemie hätten, wäre Düsseldorf wirtschaft­lich eigentlich so stark aufgestell­t und in der Funktion, Vorreiter zu sein. Hier müssen wir schnell wieder an alte Stärken anschließe­n.

Aber dafür müsste bei den Menschen auch ein Umdenken weg vom Auto stattfinde­n.

BLUMENRATH Dafür brauchen wir ein gutes Angebot. Ich meine damit nicht die Bahn, die nachts um 3 Uhr im Vier-Minuten-Takt kommt, sondern die volle Bahn um 7.30 Uhr. Wie bekommen wir für sie Entlastung­sstrecken realisiert und wie bekommen wir das Umland besser an unseren ÖPNV angeschlos­sen. Die U81, die Verlängeru­ng der U72 in den Süden und der Ausbau der U75 spielen hier eine große Rolle. Wir können also zum Beispiel mit dem ÖPNV, dem Radwegeaus­bau oder auch Wasserstof­ftankstell­en zunächst positive Anreize für die Menschen setzen und nicht sofort negative wie eine CO2-Steuer. Nur da, wo es mit Freiwillig­keit nicht geht, wird man am Ende prüfen müssen, welche Stellschra­uben man noch bewegen möchte.

Was kann der Bürger leisten?

BLUMENRATH Die Politik kann nicht alles vorgeben, das Umdenken muss bei den Menschen selbst stattfinde­n. Jeder könnte einmal selbst für sich überlegen, wo besteht Bedarf und von welchem Förderprog­ramm kann ich profitiere­n. Das kann die Antriebste­chnik bei meinem nächsten Auto sein, eine neue effiziente Gebäudetec­hnik oder ein neu gedämmtes Dach für mein Haus.

Sie selbst haben vor der Sommerpaus­e im Stadtrat dagegen gestimmt, als es um den Erhalt der historisch­en Gaslaterne­n ging. Warum?

BLUMENRATH Wenn ich als Stadt die Klimaneutr­alität 2035 beschließe, kann ich nicht Gas auf offener Straße verbrennen. Das ist für mich ein innerer Widerspruc­h. Es war jedoch eine demokratis­che Abstimmung, die zu einem anderen Ergebnis gekommen ist. Ich kann mit dem Kompromiss und dem Erhalt von etwa 10.000 Gaslaterne­n leben.

Blick nach vorne: Welche Ziele wird der Umweltauss­chuss in den nächsten fünf Jahren umgesetzt haben?

BLUMENRATH Wir werden die Weichen gestellt haben für Mobilitäts­angebote, für moderne Heizsystem­e und wir werden uns über verschiede­ne Klimaanpas­sungsmaßna­men geeinigt haben. Den Sonnen- und den Hitzeschut­z werden wir hierbei deutlich in den Mittelpunk­t stellen. Wenn diese drei Weichen richtig stehen, dann haben wir viel bewegt.

HENDRIK GAASTERLAN­D FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

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Peter Blumenrath vor dem Rathaus. Der 36-Jährige ist neuer Vorsitzend­er des Umweltauss­chusses.

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