Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Ein Rat der Religionen für Düsseldorf
Christen, Muslime und Juden wollen ihr Miteinander vertiefen und sich weiteren Religionen öffnen. Geplant ist eine Versammlung, die zum Sprachrohr der Düsseldorfer mit religiöser Bindung wird.
DÜSSELDORF Menschen, die sich einer Religion nahe fühlen, sollen in Düsseldorf gemeinsame Interessen künftig besser abstimmen und nach außen vertreten können. „Wir wollen spätestens bis Mitte 2021 einen Rat der Religionen ins Leben rufen“, sagt Heinrich Fucks, Superintendent des evangelischen Kirchenkreises. Mehrere Arbeitstreffen hat es bereits gegeben. Christen, Muslime und Juden treiben die Initiative voran. Auch andere religiöse Gruppen, wie beispielsweise Hindus und Buddhisten, sollen sich beteiligen. Unterstützt wurde das Projekt bislang vom früheren Rathaus-Chef Thomas Geisel. Die wichtigsten Fakten im Überblick.
Warum soll es einen Rat der Religionen geben?
„Die Tendenz, dass die Gesellschaft auseinander driftet, macht vor Düsseldorf nicht halt. Betont wird in größer werdenden Kreisen nicht mehr das Gemeinsame, sondern das Trennende. Unsere Idee ist, hier ein Gegengewicht zu schaffen“, sagt Michael Szentei-Heise, der als ehemaliger Geschäftsführer die Jüdische Gemeinde im Gründungskreis vertritt. Und Fucks betont: „Es macht Sinn, wenn die geringer werdende Zahl an Menschen, die in Düsseldorf noch religiöse Bezüge haben, bei der Debatte zu bestimmten sozialen und gesellschaftlichen Fragen mit einer Stimme sprechen kann.“Aktionen, wie der bundesweit beachtete Toleranzwagen, auf dem Christen, Muslime und Juden gemeinsam Karneval feierten, oder das interreligiöse Fußball-Turnier, seien bereits sehr gute Projekte, findet Stadtdechant Frank Heidkamp. Darüber hinaus mache aber ein Gremium Sinn, in dem man sich regelmäßig austausche und das Miteinander vertiefe. „Der künftige Rat ermöglicht beispielsweise auch rasche und auf einer sehr breiten Basis stehende Botschaften, wenn wir auf Terror oder schreckliche Anschläge wie zuletzt in Frankreich und Österreich reagieren müssen“, betont der Seelsorger.
Für Dalinç Dereköy vom Kreis der Düsseldorfer Muslime (KDDM) ist die geplante Gründung ein Signal mit Strahlkraft. „Es gibt weltweit fanatische und gewaltbereite Muslime, Christen, Juden, Hindus und sogar Buddhisten, wie man zuletzt in Südost-Asien verfolgen konnte.“Das Signal, das Düsseldorf mit der Gründung des Rats verbreite, sei dagegen ein gegenteiliges: „Die große Mehrheit aller religiös Verwurzelten denkt und fühlt anders als die Fanatiker. Wir können und wir wollen miteinander auskommen und wir leben die Toleranz.“
Kann jeder Mitglied des Rates werden?
Nein. Wer die Grundwerte des Grundgesetzes missachtet, muss draußen blieben. Der Rat soll kein Forum bieten für antisemitische, fundamentalistische oder politisch radikale Positionen „Diesen Bezug auf das Grundgesetz haben wir auch in den Entwurf für eine Präambel geschrieben“, sagt Michael Hänsch, Geschäftsführer der katholischen Kirche. Jenseits dieser Trennlinie sind aber sämtliche Religionsgemeinschaften willkommen. Mehr als 70 wurden zu einem Gründungstreffen eingeladen. „Das haben wir coronabedingt leider verschieben müssen, werden es aber in den kommenden Wochen nachholen“, sagt Hänsch.
Gibt es Vorbilder für den Rat der Religionen?
Ja. Städte wie Hannover, Köln und Frankfurt haben ein solches Gremium bereits etabliert. „In Köln ist das Ganze stärker ans Rathaus angebunden, wir sympathisieren mit dem Frankfurter Modell, bei dem sich die Religionsgemeinschaften
selbst organisieren“, sagt der Superintendent. Für Düsseldorf sei zudem an ein Gremium gedacht, das die Stärke der jeweiligen Gemeinschaft ungefähr abbilde.
Kann es Konflikte rund um den Religionsrat geben?
Auszuschließen ist das nicht. „In Frankfurt hatten die Vertreter der Jüdischen Gemeinde vor einigen Jahren wegen eines Streits um die Palästina-Politik Israels den Rat zwischenzeitlich verlassen, sie sind aber später wieder zurückgekehrt“, sagt Fucks. Dereköy rechnet damit, dass nicht alle Düsseldorfer Muslime die Mitgliedschaft ihrer Glaubensgenossen in einem multireligiösen Gremium begrüßen. „Es gibt in Düsseldorf auch Muslime, die unseren KDDM-Fußball-Cup, bei dem christliche Seelsorger und Imame gegeneinander kicken, als ,Kuffar-Cup’, also als eine
Veranstaltung mit Ungläubigen, strikt ablehnen“, sagt der Anwalt.
Wie kann der Rat in die Stadtgesellschaft wirken?
Darüber wollen die Gründer noch beraten. Denkbar ist Vieles. So ist es aus Sicht der Initiatoren wichtig, das Bewusstsein für die Feiertage anderer Religionen zu schärfen, gegenseitige Besuche zu vereinbaren, in Schulklassen zu gehen oder in Krisensituationen schnell gemeinsame Positionen zu formulieren. „Wir denken auch daran, mit diesen praktischen Aspekten auf Quartiersebene, also in den Stadtbezirken, zu beginnen“, sagt Hänsch. Und Fucks freut sich schon auf noch buntere Fußballturniere: „Wäre doch schön, wenn es beim nächsten KDDM-Cup neben dem jüdischen Schieds- auch noch einen buddhistischen Linienrichter gibt.“
BLAULICHT