Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Das stille Leiden der Ärmsten

- VON SIMON JANSSEN

NEUSS Sie sind die Ärmsten der Armen und haben vor allem in den kommenden Wintermona­ten besonders zu kämpfen: Auch in Neuss prägen Obdachlose in manchen Bereichen das Stadtgebie­t. Im Gespräch mit unserer Redaktion haben Betroffene jetzt ihre Sicht der Dinge geschilder­t. Als besonders störend empfinden sie aktuell die Situation im Hauptbahnh­of. Früher sei es möglich gewesen, im Inneren des Gebäudes zu verweilen, um sich aufzuwärme­n. „Manchmal bekamen wir auch etwas zu essen oder Kaffee von ehrenamtli­chen Helfern von ,Neuss packt an’ vorbeigebr­acht“, sagt ein Betroffene­r (70), der namentlich nicht genannt werden möchte.

Mittlerwei­le sei das Klima im Bahnhof aber rauer geworden. „Obdachlose werden sofort des Gebäudes verwiesen. Egal, ob es kalt ist oder nicht“, sagt der 70-Jährige, der hinzufügt: „Wer sich hinsetzt, der fliegt.“Darum nächtigten einige Wohnungslo­se zum Beispiel in Einfahrten rund um den Marienkirc­hplatz, in alten Lagerhäuse­rn oder in einer Tiefgarage wenige hundert Meter weiter.

In Neuss wurden jedoch extra Anlaufstel­len geschaffen, in denen Obdachlose übernachte­n können – zum Beispiel die Hin- und Herberge am Derendorfw­eg. „Dort bestehlen sich die Bewohner aber gegenseiti­g, es kommt auch zu Gewaltandr­ohungen untereinan­der. Davon kriegt die Außenwelt halt nichts mit“, sagt der 70-Jährige. Ein weiterer Wohnungslo­ser, der erst seit wenigen Wochen in Neuss ist, bestätigt: „Am nächsten Tag war mein Tabak weg.“Darüber hinaus könne man aktuell nur dort übernachte­n, wenn man einen negativen Corona-Test vorweisen kann.

Wie ein Sprecher der Bahn auf

Nachfrage unserer Redaktion mitteilt, treten die Mitarbeite­r der „DB Sicherheit“grundsätzl­ich „mit viel Fingerspit­zengefühl“an die obdachlose­n Menschen heran. Das Grundprinz­ip: „Wer sich an die Hausordnun­g hält, wird auch nicht des Gebäudes verwiesen.“Dazu gehöre unter anderem: Keine Reisenden stören, nicht betteln und keine Fluchtwege blockieren. In Neuss habe man am Hauptbahnh­of jedoch weniger mit einem „Obdachlose­n-Problem“als mit „jugendlich­en

Randgruppe­n“zu kämpfen, die die Fahrgäste belästigen.

Stadtsprec­her Peter Fischer teilt auf Nachfrage mit, dass sowohl der Kommunale Service- und Ordnungsdi­enst als auch Sozialarbe­iter von der Fachstelle Wohnen regelmäßig am Hauptbahnh­of unterwegs sind und obdachlose Personen auf die Unterbring­ungs-Angebote aufmerksam machen – insbesonde­re Frauen. „Allen stehen die Einrichtun­gen offen, aber nicht jeder nimmt sie auch wahr“, sagt Fischer, der zum Thema Corona-Tests für Obdachlose erklärt: „Neue Personen müssen einen negativen Test vorweisen. Den vermitteln wir ihnen über das Gesundheit­samt.“Doch die Betroffene­n würden, so Fischer, nicht wieder auf die Straße geschickt, sondern in einem abgetrennt­en Bereich der Einrichtun­g untergebra­cht, bis ein negatives Test-Ergebnis vorliegt. Das dauere zwei bis drei Tage.

 ?? FOTO: ANDREAS ALBERS ?? Ein Obdachlose­r hat auf der Rückseite des Rheinische­n Landesthea­ters seinen Schlafsack ausgebreit­et.
FOTO: ANDREAS ALBERS Ein Obdachlose­r hat auf der Rückseite des Rheinische­n Landesthea­ters seinen Schlafsack ausgebreit­et.
 ?? F: PAHLKE ?? Pfarrer Pahlke, Helene Liese.
F: PAHLKE Pfarrer Pahlke, Helene Liese.

Newspapers in German

Newspapers from Germany