Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Das stille Leiden der Ärmsten
NEUSS Sie sind die Ärmsten der Armen und haben vor allem in den kommenden Wintermonaten besonders zu kämpfen: Auch in Neuss prägen Obdachlose in manchen Bereichen das Stadtgebiet. Im Gespräch mit unserer Redaktion haben Betroffene jetzt ihre Sicht der Dinge geschildert. Als besonders störend empfinden sie aktuell die Situation im Hauptbahnhof. Früher sei es möglich gewesen, im Inneren des Gebäudes zu verweilen, um sich aufzuwärmen. „Manchmal bekamen wir auch etwas zu essen oder Kaffee von ehrenamtlichen Helfern von ,Neuss packt an’ vorbeigebracht“, sagt ein Betroffener (70), der namentlich nicht genannt werden möchte.
Mittlerweile sei das Klima im Bahnhof aber rauer geworden. „Obdachlose werden sofort des Gebäudes verwiesen. Egal, ob es kalt ist oder nicht“, sagt der 70-Jährige, der hinzufügt: „Wer sich hinsetzt, der fliegt.“Darum nächtigten einige Wohnungslose zum Beispiel in Einfahrten rund um den Marienkirchplatz, in alten Lagerhäusern oder in einer Tiefgarage wenige hundert Meter weiter.
In Neuss wurden jedoch extra Anlaufstellen geschaffen, in denen Obdachlose übernachten können – zum Beispiel die Hin- und Herberge am Derendorfweg. „Dort bestehlen sich die Bewohner aber gegenseitig, es kommt auch zu Gewaltandrohungen untereinander. Davon kriegt die Außenwelt halt nichts mit“, sagt der 70-Jährige. Ein weiterer Wohnungsloser, der erst seit wenigen Wochen in Neuss ist, bestätigt: „Am nächsten Tag war mein Tabak weg.“Darüber hinaus könne man aktuell nur dort übernachten, wenn man einen negativen Corona-Test vorweisen kann.
Wie ein Sprecher der Bahn auf
Nachfrage unserer Redaktion mitteilt, treten die Mitarbeiter der „DB Sicherheit“grundsätzlich „mit viel Fingerspitzengefühl“an die obdachlosen Menschen heran. Das Grundprinzip: „Wer sich an die Hausordnung hält, wird auch nicht des Gebäudes verwiesen.“Dazu gehöre unter anderem: Keine Reisenden stören, nicht betteln und keine Fluchtwege blockieren. In Neuss habe man am Hauptbahnhof jedoch weniger mit einem „Obdachlosen-Problem“als mit „jugendlichen
Randgruppen“zu kämpfen, die die Fahrgäste belästigen.
Stadtsprecher Peter Fischer teilt auf Nachfrage mit, dass sowohl der Kommunale Service- und Ordnungsdienst als auch Sozialarbeiter von der Fachstelle Wohnen regelmäßig am Hauptbahnhof unterwegs sind und obdachlose Personen auf die Unterbringungs-Angebote aufmerksam machen – insbesondere Frauen. „Allen stehen die Einrichtungen offen, aber nicht jeder nimmt sie auch wahr“, sagt Fischer, der zum Thema Corona-Tests für Obdachlose erklärt: „Neue Personen müssen einen negativen Test vorweisen. Den vermitteln wir ihnen über das Gesundheitsamt.“Doch die Betroffenen würden, so Fischer, nicht wieder auf die Straße geschickt, sondern in einem abgetrennten Bereich der Einrichtung untergebracht, bis ein negatives Test-Ergebnis vorliegt. Das dauere zwei bis drei Tage.