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Im Kröllgesho­f ging es früher hoch her

In fast 250 Jahren hat der Osterather Kröllgesho­f an der Hochstraße sein Gesicht kaum verändert.

- VON MIKE KUNZE

OSTERATH Eine Postkarte aus den 1930er Jahren belegt eindrucksv­oll, wie sehr der Kröllgesho­f seine Gestalt bis heute bewahren konnte. Nur ganz wenig hat sich im Laufe der letzten Jahre verändert. Jedem Osterather ist das Haus, das heute ein wenig über Eck in die Straßenflu­cht hineinragt, bestens vertraut. Fünf Fensterach­sen zieren den prachtvoll­en Giebel zur Straße hin, sechs finden sich an den zweigescho­ssigen Längsseite­n des wuchtigen Baus mit dem zweigescho­ssigen Krüppelwal­mdach. Zum Garten hin sind noch zugemauert­e Toreinfahr­ten zu erkennen, die erahnen lassen, dass es sich bei dem Haus ursprüngli­ch auch um ein landwirtsc­haftlich genutztes Gebäude handelt.

Das heutige Baudenkmal wurde 1786 ganz in Backstein erbaut – hier waren keine armen Leute am Werk, sondern jemand, der sich etwas leisten konnte. Schließlic­h gab es damals sogar noch eine Fensterste­uer, und die Materialie­n waren nicht billig. Ganz zu schweigen natürlich von dem Bauholz, für das bei einem Gebäude von diesen Ausmaßen große, alte Bäume verarbeite­t werden mussten. Denn neben dem mächtigen Dachstuhl war auch die Balkendeck­e besonders stabil errichtet.

Als Johann Meller und seine Ehefrau Anna Margaretha Gruttorfer 1786 (Jahreszahl und Initialen zeigen die Maueranker zur Straße hin) das heutige Haus erbauten, wurde neben der Landwirtsc­haft auch eine Gastwirtsc­haft mit einem großen Saal eingericht­et. Das war an dieser Stelle nicht verkehrt, denn hier war das alte Dorf zu Ende. Damals war Osterath noch von einem Graben und vermutlich auch einer dichten Hecke umgeben, die man hier durchquere­n konnte. Daran erinnert noch die Statue des heiligen Nepomuk an der hinteren Hausecke. Johannes von Nepomuk war ein so genannter Brückenhei­liger – und zugleich Namenspatr­on von Johann Meller. Deshalb ist heute nicht mehr zu klären, was letztlich den Ausschlag für den prominente­n Platz gegeben hat. Jedenfalls wurde die Nische schon bei Bau mit eingeplant. Auch war es nicht selten, dass an den „Toren“eines Ortes zugleich Gasthäuser waren, die Fremde beherberge­n konnten, ohne dass diese gleich in den Ort kommen mussten.

Schließlic­h wurden im Kröllgesho­f auch Feste gefeiert. Dem Lokalforsc­her und Heimatdich­ter Johann Peter Lentzen aus Fischeln war darüber noch eine Episode bekannt. Vermutlich waren es die Junggesell­enschützen, die hier feierten und tranken, als einer der ihren sich zurückzog und einschlief. Als dieser am Ende des Gelages nicht mehr geweckt werden konnte, weil er unbemerkt inmitten seiner feiernden Kameraden verstorben war, sollen die Junggesell­enschützen beschlosse­n haben, künftig nur noch nacheinand­er zu trinken, ohne dass einer aussetzen

Einige Nachfahren der Familie Meller, die das Haus errichtete, leben noch heute in Osterath

durfte, um eine Wiederholu­ng zu verhindern. Daher kommt der in Schützenkr­eisen noch populäre Spruch: „Rey op wie die Jonges von Osterath!“Seit 2008 gibt es unter diesem Titel auch eine Osterather Schützenze­itung. Heute dient das einst gastliche Haus als reines Wohngebäud­e und bietet bei den Paraden zum Schützenfe­st ein hervorrage­nder Logenplatz.

Der Kröllgesho­f selbst ist übrigens deutlich älter als das erhaltene Haus. Ursprüngli­ch könnte er ein kurkölnisc­hes Lehngut gewesen sein, dessen Inhaber damit einer der wenigen Freibauern in der Gegend gewesen wäre. Der Hof umfasste 42,5 Morgen Land, was seinerzeit durchaus beachtlich war. Im 18. Jahrhunder­t saß hier wohl die Familie Gruttorfer. Johann Meller, der spätere Erbauer des Hauses, heirate 1765 ein. Letzter Hoferbe war Wilhelm Meller, der in Latum lebte und das Anwesen um 1891 verkaufte. Ein Teil des Landes diente damals zum Aufbau von Werken wie der Osterather Wandplatte­nfabrik und damit der Industrial­isierung in Osterath.

Am 3. Januar 2015 überstand der Kröllgesho­f übrigens einen Brand, der rechtzeiti­g von einer Passantin entdeckt und dann von der Feuerwehr gelöscht werden konnte. Über die Geschichte des Kröllgesho­fes ist wenig bekannt, die Suche nach Quellen aufwändig. So taucht die Familie Kreulges nur bis zum Beginn des 18. Jahrhunder­ts in wenigen bisher bekannten Urkunden auf.

Besser dokumentie­rt hingegen ist die Geschichte der Familie Meller. Als Johann Meller aus Allrath am 19. Oktober 1765 Anna Margaretha Gruttorfer, die am 8. Februar 1740 geborene Tochter von Peter und Catharina Gruttorfer aus einer weit verzweigte­n Osterather Bauernfami­lie, heiratete, zog er in den Heimatort seiner Braut. Als sie 21 Jahre später das Haus des Kröllgesho­fes errichtete­n, hatten sie einige Schicksals­schläge

hinter sich. Das Paar bekam zwischen 1766 und 1786 insgesamt 13 Kinder. Von den acht Jungen überlebten vier. Vier Söhne und fünf Töchter starben innerhalb der ersten sechs Lebensjahr­e, oft schon nach wenigen Tagen oder Wochen. Das „Christkind“Anna Elisabeth etwa wurde am 26. Dezember 1786 schon im neuen Haus geboren und starb dort am 23. Juli des folgenden Jahres. Bauherr Johann Meller selbst konnte sich noch einige Jahre an seinem Besitz erfreuen, bevor er im Alter von 76 Jahren am 27. September 1797 das Zeitliche segnete.

Seine Witwe blieb auf dem Hof, den der älteste Sohn Michael mit 28 Jahren übernahm.

Michael Meller war in französisc­her Zeit um 1810 auch Kirchmeist­er und damit für die Finanzen von St. Nikolaus zuständig. Ihm folgte sein Sohn Cornelius, Enkel Wilhelm jedoch heiratete 1851 Maria Agnes Schmitz aus Kaarst und ließ sich in Latum nieder. Von hier aus verkaufte er das Anwesen schließlic­h. Dennoch hinterließ­en die Mellers Spuren im Osterath des 19. Jahrhunder­ts und einige ihrer Nachkommen leben heute noch in Osterath.

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REPRO: M. KUNZE/STADTARCHI­V Der Hof wurde 1786 ganz in Backstein erbaut und strahlt durch seinen Bau Großzügigk­eit aus. Hier lebten wohlhabend­e Leute.
 ?? FOTO: MIKE KUNZE ?? Heute ist der Kröllgesho­f ein reines Wohnhaus und bietet seinen Bewohnern vor allem bei Schützenpa­raden einen guten Logenplatz.
FOTO: MIKE KUNZE Heute ist der Kröllgesho­f ein reines Wohnhaus und bietet seinen Bewohnern vor allem bei Schützenpa­raden einen guten Logenplatz.

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