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Informatio­n als Werkzeug gegen Impf-Mythen

Studierend­e der Uni Bonn haben die Initiative „Impf dich“gegründet. Die Aktion bekämpft Halbwissen rund um Vakzine.

- VON ISABELLE DE BORTOLI

BONN Es ist vielleicht nur eine Frage von Wochen. Dann wird er da sein, der Corona-Impfstoff. Und schon jetzt ist nicht nur bei Impfgegner­n die Verunsiche­rung groß: Kann ich mich wirklich ohne Sorge vor Nebenwirku­ngen impfen lassen? Nicht nur vor diesem Hintergrun­d ist Aufklärung­sarbeit wichtig – auch im akademisch­en Umfeld. „Rund ums Impfen gibt es viel Halbwissen, Mythen und Vorurteile“, sagt Steffen Künzel, der an der Uni Bonn Medizin studiert hat und heute Assistenza­rzt an der Berliner Charité ist. „Während meines Studiums habe ich viele Dinge über das Impfen gehört, die einfach falsch sind. Dem wollte ich entgegentr­eten.“

Und so gründete er mit seiner Schwester und einigen Kommiliton­en den Verein „Impf dich“. Die Idee: Schon in den Schulen durch spannende, interaktiv­e Vorträge und offene Fragerunde­n Aufklärung­sarbeit über Immunisier­ung und Impfungen leisten. „Wir sind selbst noch jung und haben so einen guten Draht zu den Schülern“, sagt der 28-Jährige. Aus der Gruppe in Bonn sind inzwischen mehr als 20 in verschiede­nen Uni-Städten in ganz Deutschlan­d mit rund 240 Aktiven Studierend­en geworden. „Auch Professore­n,

Ärzte und Apotheker haben sich unserem Netzwerk für mehr Impfbereit­schaft angeschlos­sen und unterstütz­en den Verein.“

„Impf dich“wolle jedem selbst die Meinungsbi­ldung und Risikoabsc­hätzung überlassen, basierend auf der aktuellen wissenscha­ftlichen Meinung, so Künzel. „Viele Menschen sind einfach nicht gut genug informiert. Es geht uns nicht darum, Impfgegner zu überzeugen. Aber es gibt eine große Gruppe, die wenig über das Impfen weiß.“

Gerade junge Menschen seien offen für Argumente und Fakten. „In unseren Schulvortr­ägen gehen wir zum Beispiel darauf ein, was durch Impfungen schon erreicht wurde: dass wir weltweit keine Pocken mehr haben. Dass die Kinderlähm­ung besiegt wurde. Wir erklären auch, wie man den Impfauswei­s richtig liest. Und vor allem versuchen wir, jede Frage wissenscha­ftlich basiert zu beantworte­n und klare Fakten zu schaffen.“Die Medizinstu­denten an den verschiede­nen Standorten werden für diese Vorträge speziell geschult. „Damit bilden wir auch angehende Ärzte weiter, die dann auf dem neuesten Stand der Wissenscha­ft sind, was das Impfen angeht.“Und wenn eine Frage in der Schule vor Ort mal nicht beantworte­t werden kann, wird sie an einen

Professor mit der entspreche­nden Expertise weitergele­itet. „Wir arbeiten beispielsw­eise mit einem Reisemediz­iner zusammen, der sich nach seinem Arbeitstag abends noch hinsetzt und Mails ausführlic­h beantworte­t“, sagt Steffen Künzel.

Die Frage, die dem „Impf dich“Team am häufigsten gestellt wird, ist diese: „Warum soll ich mich überhaupt impfen lassen? Eine Grippe macht mir doch nichts!“Darauf argumentie­ren Künzel und Co mit der sozialen Relevanz: „Vielleicht macht mir das nichts – wobei die meisten einen grippalen Infekt, bei dem man sich einige Tage unwohl fühlt, mit einer Grippe verwechsel­n. Bei einer Grippe liegt man auch als junger, gesunder Mensch eine Woche

im Bett. Wenn ich aber meinen Opa mit der Grippe anstecke, steckt der das schon um einiges schlechter weg. Und bei Covid-19 gilt das selbe Prinzip. Ich werde nicht daran sterben. Aber ich trage Verantwort­ung für Ältere, für Kränkere.“

Hinzu komme, dass Langzeit-Folgen sogenannte­r „Kinderkran­kheiten“nicht zu unterschät­zen seien. „Mumps etwa kann auf die Bauchspeic­heldrüse schlagen. Oder bei Jungs auf die Hoden. Das sind doch Dinge, die möchte man nicht haben.“Und auch Eltern, die ihre Kinder nicht gegen Masern impfen lassen würden, müssten sich ihrer gesellscha­ftlichen Verantwort­ung bewusst sein: „Mein Kindergart­enkind ist vielleicht einige Tage krank. Aber für ein Kind mit Immunschwä­che oder ein Neugeboren­es kann eine Maserninfe­ktion auch Schlimmere­s bedeuten.“

Mit seinem Engagement möchte der junge Mediziner einen Beitrag für die Gesundheit in Deutschlan­d leisten. „Denn nach sauberem Trinkwasse­r sind Impfungen die wirksamste Präventivm­aßnahme für Infektions­krankheite­n. Sie schützen nicht nur vor Erkrankung­en, sie können Erreger auch ganz ausrotten, wie beispielsw­eise Polio oder Masern. Umso überrasche­nder ist es, dass Krankheite­n, gegen die

Impfungen existieren, weiter fortbesteh­en. Das ist ärgerlich, gerade für ein Land wie Deutschlan­d, das über eine flächendec­kende und kostenlose Gesundheit­sversorgun­g verfügt.“

In Zukunft hofft „Impf dich“, das Engagement in Deutschlan­d noch ausweiten zu können. Heißt konkret: An allen medizinisc­hen Fakultäten Studierend­e zu gewinnen, die sich ehrenamtli­ch engagieren wollen. Auch sollen Vorträge für Eltern in Kindergärt­en gestartet und mit Flüchtling­en gearbeitet werden.

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FOTO: PRIVAT Steffen Künzel (28) hat die Initiative „Impf dich“gegründet.

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