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Ein riskanter Sonderweg

Während andere Alpenstaat­en die Skisaison wegen der Corona-Pandemie abgesagt haben, laufen in der Schweiz die Lifte. Den Gästen wird ein kontrollie­rtes Vergnügen im Schnee versproche­n, trotz hoher Infektions­zahlen vor Ort.

- VON JAN DIRK HERBERMANN

ZERMATT Die Schweiz bietet den Freunden des Winterspor­ts grandiose Pisten, erstklassi­ge Nobelherbe­rgen und auch eine Prise Abgehobenh­eit. Das alles ist für gesalzene Preise zu haben. Auch im Corona-Winter können Skifans im Wallis oder im Berner Oberland ihrer teuren Leidenscha­ft frönen. Denn während andere Alpenstaat­en die Winterspor­tgebiete coronabedi­ngt vorläufig dichtmache­n, hält die Schweiz die Skiregione­n offen.

Die siebenköpf­ige Regierung der Schweiz hat am Wochenende die Parole ausgegeben: Ski und Rodel gut. Hoteliers, Gastwirte und Seilbahnen-Betreiber dürfen schon vor Weihnachte­n ihre Gäste begrüßen. Sie müssen jedoch strenge Corona-Schutzkonz­epte umsetzen. So herrscht fast überall Maskenpfli­cht. Das ganze Geschäft sei nur gestattet, wenn die „epidemiolo­gische Lage“in den entspreche­nden Kantonen nicht zu gefährlich werde, betont die Regierung in Bern. Zudem müssten „ausreichen­d Kapazitäte­n in den Spitälern, beim Contact Tracing sowie beim Testen sichergest­ellt“sein.

Mit dem Beschreite­n des riskanten Sonderwegs lösen die Eidgenosse­n in den meisten Nachbarlän­dern vor allem Kopfschütt­eln aus – Skiorte gelten vielen Gesundheit­sexperten als potenziell­e Hotspots. Deshalb forderte Bundeskanz­lerin Angela Merkel eine Corona-Pause in den Alpen: „Wir werden uns in Europa um eine Abstimmung bemühen, ob wir alle Skigebiete schließen könnten“, sagte Merkel. Doch in der Schweiz, einem Land mit internatio­nal vergleichs­weise vielen Covid-19-Fällen, stieß die Kanzlerin auf taube Ohren. Der eidgenössi­sche Gesundheit­sminister Alain Berset stellte dann auch unmissvers­tändlich klar: „Wir sind ein souveränes Land.“

Und dieses souveräne Land steht auch Fremden weiter offen. „Gäste aus Deutschlan­d sind in der Schweiz herzlich willkommen, und sie können bei uns ihren Urlaub genießen“, sagt Markus Berger, Leiter Unternehme­nskommunik­ation von Schweiz-Tourismus, unserer Redaktion. „In der Schweiz gibt es ausdrückli­ch kein Beherbergu­ngsverbot für Ausländer.“Nachfragen im „Zermatterh­of“im Schatten des Matterhorn­s und im „Badrutt’s Palace“in St. Moritz bestätigen Bergers Aussage: Dort stehe eine große Auswahl von Zimmern und Suiten zur Verfügung, auch für Gäste aus dem Ausland. Wer allerdings aus einem Staat wie Luxemburg in die Schweiz einreist, der auf der Liste mit erhöhtem Ansteckung­srisiko steht, der muss sich in Quarantäne begeben.

Die Schweizer Tourismus-Manager weisen den Vorwurf zurück, von der Corona-Krise profitiere­n zu wollen. „Wir gehen davon aus, dass in dieser Saison zunächst nur wenige Winterspor­tler aus dem benachbart­en Ausland in die Schweizer Skigebiete reisen werden“, unterstrei­cht Markus Berger von Schweiz-Tourismus. Als Grund verweist Berger auf die harten Quarantäne-Bestimmung­en für Reiserückk­ehrer aus der Schweiz, etwa in Deutschlan­d. Die Regierung in Bern wolle in erster Linie den „Schweizern einen sicheren, kontrollie­rten, aber auch erholsamen Winterurla­ub ermögliche­n“. In normalen Zeiten kommen etwa 40 bis 50 Prozent der Gäste in Helvetiens Bergdestin­ationen aus dem Ausland, die Deutschen stellen das größte Kontingent.

Für das Schneeverg­nügen hatten sich Wirtschaft­sverbände und etliche Politiker in der Schweiz starkgemac­ht. An vorderster Front trommelte eine der prominente­sten Politikeri­nnen des Landes für die Tourismusb­ranche: Magdalena Martullo von der Schweizeri­schen Volksparte­i (SVP), Tochter des rechtskons­ervativen Anführers Christoph Blocher. „Die Skigebiete und die Wintertour­ismusorte werden an den Pranger gestellt, obwohl es keine Hinweise auf vermehrte Ansteckung­en dort gibt“, behauptete die Nationalrä­tin aus dem Ski-Kanton Graubünden gemäß der „Südostschw­eiz“. Damit dürfte Martullo auch die Meinung vieler Betreiber von Skipisten außerhalb der Schweiz formuliert haben.

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