Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Ein riskanter Sonderweg
Während andere Alpenstaaten die Skisaison wegen der Corona-Pandemie abgesagt haben, laufen in der Schweiz die Lifte. Den Gästen wird ein kontrolliertes Vergnügen im Schnee versprochen, trotz hoher Infektionszahlen vor Ort.
ZERMATT Die Schweiz bietet den Freunden des Wintersports grandiose Pisten, erstklassige Nobelherbergen und auch eine Prise Abgehobenheit. Das alles ist für gesalzene Preise zu haben. Auch im Corona-Winter können Skifans im Wallis oder im Berner Oberland ihrer teuren Leidenschaft frönen. Denn während andere Alpenstaaten die Wintersportgebiete coronabedingt vorläufig dichtmachen, hält die Schweiz die Skiregionen offen.
Die siebenköpfige Regierung der Schweiz hat am Wochenende die Parole ausgegeben: Ski und Rodel gut. Hoteliers, Gastwirte und Seilbahnen-Betreiber dürfen schon vor Weihnachten ihre Gäste begrüßen. Sie müssen jedoch strenge Corona-Schutzkonzepte umsetzen. So herrscht fast überall Maskenpflicht. Das ganze Geschäft sei nur gestattet, wenn die „epidemiologische Lage“in den entsprechenden Kantonen nicht zu gefährlich werde, betont die Regierung in Bern. Zudem müssten „ausreichend Kapazitäten in den Spitälern, beim Contact Tracing sowie beim Testen sichergestellt“sein.
Mit dem Beschreiten des riskanten Sonderwegs lösen die Eidgenossen in den meisten Nachbarländern vor allem Kopfschütteln aus – Skiorte gelten vielen Gesundheitsexperten als potenzielle Hotspots. Deshalb forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Corona-Pause in den Alpen: „Wir werden uns in Europa um eine Abstimmung bemühen, ob wir alle Skigebiete schließen könnten“, sagte Merkel. Doch in der Schweiz, einem Land mit international vergleichsweise vielen Covid-19-Fällen, stieß die Kanzlerin auf taube Ohren. Der eidgenössische Gesundheitsminister Alain Berset stellte dann auch unmissverständlich klar: „Wir sind ein souveränes Land.“
Und dieses souveräne Land steht auch Fremden weiter offen. „Gäste aus Deutschland sind in der Schweiz herzlich willkommen, und sie können bei uns ihren Urlaub genießen“, sagt Markus Berger, Leiter Unternehmenskommunikation von Schweiz-Tourismus, unserer Redaktion. „In der Schweiz gibt es ausdrücklich kein Beherbergungsverbot für Ausländer.“Nachfragen im „Zermatterhof“im Schatten des Matterhorns und im „Badrutt’s Palace“in St. Moritz bestätigen Bergers Aussage: Dort stehe eine große Auswahl von Zimmern und Suiten zur Verfügung, auch für Gäste aus dem Ausland. Wer allerdings aus einem Staat wie Luxemburg in die Schweiz einreist, der auf der Liste mit erhöhtem Ansteckungsrisiko steht, der muss sich in Quarantäne begeben.
Die Schweizer Tourismus-Manager weisen den Vorwurf zurück, von der Corona-Krise profitieren zu wollen. „Wir gehen davon aus, dass in dieser Saison zunächst nur wenige Wintersportler aus dem benachbarten Ausland in die Schweizer Skigebiete reisen werden“, unterstreicht Markus Berger von Schweiz-Tourismus. Als Grund verweist Berger auf die harten Quarantäne-Bestimmungen für Reiserückkehrer aus der Schweiz, etwa in Deutschland. Die Regierung in Bern wolle in erster Linie den „Schweizern einen sicheren, kontrollierten, aber auch erholsamen Winterurlaub ermöglichen“. In normalen Zeiten kommen etwa 40 bis 50 Prozent der Gäste in Helvetiens Bergdestinationen aus dem Ausland, die Deutschen stellen das größte Kontingent.
Für das Schneevergnügen hatten sich Wirtschaftsverbände und etliche Politiker in der Schweiz starkgemacht. An vorderster Front trommelte eine der prominentesten Politikerinnen des Landes für die Tourismusbranche: Magdalena Martullo von der Schweizerischen Volkspartei (SVP), Tochter des rechtskonservativen Anführers Christoph Blocher. „Die Skigebiete und die Wintertourismusorte werden an den Pranger gestellt, obwohl es keine Hinweise auf vermehrte Ansteckungen dort gibt“, behauptete die Nationalrätin aus dem Ski-Kanton Graubünden gemäß der „Südostschweiz“. Damit dürfte Martullo auch die Meinung vieler Betreiber von Skipisten außerhalb der Schweiz formuliert haben.