Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
So verändert Corona die Gastronomie
Interview Drei Branchenexperten sprechen über Krisen, Pleiten und Trends für das Jahr 2021.
DÜSSELDORF Der Gastronomieberater Markus Eirund und die Gastronomen Abed Mansour (Café Florian) und Francesco Lauriola (Zum Trotzkopf und Bonalumi) sind alte Hasen in ihrer Branche. Harte Zeiten liegen hinter und auch noch vor ihnen.
Herr Mansour, im ersten Lockdown im Frühjahr waren Ihre Umsätze um 50 Prozent eingebrochen. Wie sieht es jetzt aus?
ABED MANSOUR Die Umsätze im Café Florian sind um 90 Prozent zurückgegangen. Wir bieten zwar Speisen zum Mitnehmen an, aber die Kosten sind höher als die Einnahmen.
FRANCESCO LAURIOLA Auch in meinem Zum Trotzkopf bieten wir Essen To Go an und im Bonalumi, wo ich seit einem halben Jahr Geschäftsführer bin. Ich sehe das auch so: Es ist eine Dienstleistung für unsere Gäste, und sie sollen uns ja auch nicht vergessen.
Woran liegt der weitere Umsatzrückgang? Sind die Leute geiziger geworden in der Corona-Krise?
MARKUS EIRUND Ganz simpel: Im Frühjahr und Sommer war es länger hell, da haben die Leute abends noch einen Vino getrunken. Jetzt, sobald es dunkel wird, sind die Leute zu Hause. Es ist feucht, es ist kalt, da sind die Menschen gerne zu Hause.
Wie ist Ihr Lebensgefühl?
LAURIOLA Die Versprechen wurden nicht eingelöst, unsere Erwartungen nicht erfüllt. Auch jetzt dachten wir, okay, Zähne zusammenbeißen und im Dezember können wir wieder öffnen. Der Glauben geht verloren. Wir vertrauen nicht mehr unbedingt darauf, dass es nach dem 10. Januar weitergeht.
MANSOUR Die Lage ist sehr gefährlich. Wir Gastronomen sind total verunsichert. Wer weiß, wo die Reise langgeht? Ich mache mir große Sorgen um meine Mitarbeiter und auch um meine Kosten. Ich vermiete ja auch, sonst total erfolgreiche Unternehmer betreiben Gastronomien in meinem Immobilien. Da fehlen mir viele Mieten, die Kosten habe ich aber trotzdem.
Wenn Sie einen Blick in die Zukunft wagen, was erwartet die Gastronomie?
EIRUND Eine Bereinigung des Marktes wird es geben. Die Branche ist hart. Die hohen Kosten, das Risiko sehen viele Leute nicht. Den Gastronomen wurden im Zuge des zweiten Lockdowns 75 Prozent des Vorjahresumsatzes für den November versprochen. Bis jetzt ist aber nichts auf deren Konten angekommen. Jetzt ist der neueste Stand, dass es bis Ende 2020 lediglich eine Abschlagszahlung
in Höhe von 10.000 Euro geben soll, die meisten kommen damit nicht weit.
MANSOUR Viele Gastronomen werden pleitegehen. Ich rechne damit, dass 2021 50 Prozent Konkurs anmelden werden beziehungsweise müssen wegen Zahlungsunfähigkeit. Ich persönlich habe noch maximal ein Dreiviertel Jahr Luft. Dann muss ich hohe Kredite aufnehmen. LAURIOLA Und hier ist ja auch die Frage, ob nicht die Kredite einem am Ende das Genick brechen würden. Die verlorenen Umsätze holen wir ja nicht wieder rein.
EIRUND Hinzu kommt noch diese Verschärfung: Das Land NRW versandte gerade Schreiben zur Rückzahlung der Soforthilfe aus dem ersten Lockdown. Es wird minutiös geprüft, wie viel ein Unternehmer überhaupt behalten darf unterm Strich. Im schlimmsten Fall darf er nur den Unternehmerlohn in Höhe von 2000 Euro behalten und muss den Rest wieder zurückzahlen.
Wie kann es überhaupt weitergehen? Können Sie Trends ausmachen, die Corona provozierte oder beschleunigte?
EIRUND Der traurigste Trend: Es wird unfassbar viele Pleiten geben. Mindestens jede fünfte Kneipe, Restaurant oder Bar wird 2021 vom Markt verschwinden. Die Individualgastronomie wird zurückgehen, die Systemgastronomie mit ihren vielen Ketten wird gestärkt aus der Krise hervorgehen. Warum? Die Systemgastronomie hat knallharte Kosten-Nutzen-Rechnungen, ein systematisiertes Know-how.
LAURIOLA Aber die Individualgastronomie, die überleben wird, wird wieder mehr Familien mit einbeziehen. Wie früher mal: Mutter und Tochter arbeiten mit in dem Laden, das spart Personalkosten. MANSOUR Wenn im Januar oder vielleicht doch Februar alle Läden wieder aufmachen dürfen, dann wird es erst einmal eine Art Aufbäumen und Aufbruchstimmung geben, und dann bricht das Kartenhaus kurz danach zusammen. Und überhaupt: Noch so ein Schlag und 80 Prozent der gastronomischen Betriebe in Düsseldorf sind platt.
EIRUND In drei Jahren dann werden die Betriebe vom Finanzamt für das Jahr 2020 geprüft. Wir dürfen jetzt schon alle gespannt sein auf die vielen Fragen des Finanzamtes und die Steuerzuschätzungen, die dann zum Tragen kommen. Das wird für viele Gastronomen ein richtig böses Erwachen.
So richtig erwacht ist das Thema Digitalisierung. Wie geht es weiter?
EIRUND Die wird noch mehr durchschlagen. Kein Laden mehr ohne Webseite, Facebook-Auftritt, digitale Speisekarte, digitale Gästeliste. Kontaktloses, bargeldloses Bezahlen wird sich noch mehr durchsetzen. Mehr Umweltbewußtsein wird es auch geben müssen in der Gastronomie. Allein das To-Go-Geschäft gerade produziert Berge von Müll. Von 1.1.2022 müssen Betriebe, die Einwegverpackungen für Lebensmittel verwenden, künftig zwingend Mehrwegbehältnisse als Alternative anbieten.
Abgesehen von der Vermeidung von Lockdowns, was bräuchten Sie, um als Branche wieder auf die Beine zu
kommen?
MANSOUR Der Staat sollte fairer mit uns umgehen. Er muss rapide runtergehen mit der Umsatzsteuer, idealerweise auf zehn Prozent. Und es muss auch über Subventionen für die Gastronomie nachgedacht werden. Der Gastronom ist außerdem kein geschützter Beruf. Jeder kann das ja machen, aber nicht jeder kann es eben. Auch in Frankreich sind Gastronomen hoch angesehen. Auch hier ist der Gesetzgeber gefragt, die IHKs, Bildungsträger. LAURIOLA In der Schweiz zum Beispiel muss jeder, der eine Konzession haben will, zwei Jahren lang die Schulbank drücken und dann eine Prüfung ablegen, hier sind es zwei Tage Pauken.
MANSOUR Dann lieber weniger Läden, aber Läden mit Qualität.
Es ist noch nicht so lange her, da wurde Personal in der Gastronomie händeringend gesucht. Wie wird das in Zukunft aussehen?
LAURIOLA Gutes Personal läuft uns nicht die Bude ein, im Gegenteil: Es läuft uns weg, denn es will ja auch überleben. Viele satteln gerade um, fahren Pakete aus. Die Existenzangst treibt die Leute aus der Gastronomie.
MANSOUR Auch viele meiner Kellner fahren gerade Pakete aus oder arbeiten im Supermarkt. 2021 und darüber hinaus wird es mühsam sein, gute Leute zu finden oder die guten zurückzugewinnen für unsere arg gebeutelte Branche.
Corona setzte neue Standards bei der Hygiene. Ich nehme an, der Schritt zurück ist nicht mehr denkbar, oder?
LAURIOLA Mit den Masken werden wir leben müssen, alle, auch in der Gastronomie. Hygienespender werden Standard bleiben. Hauben in der Küche oder Handschuhe werden Standard sein. Fettabscheider in der Küche.
EIRUND Spezielle Luftfilter und Luftreiniger werden sicher künftig zu den staatlichen Auflagen gehören, wenn man einen Gastrobetrieb betreibt. Die gängigen Abluftfilter werden nicht mehr reichen. Viele Neubauprojekte sind schon komplett mit diesen Filtern ausgestattet worden wie das neue Kö-Quartier. MANSOUR Nur, wer bezahlt die? EIRUND Genau genommen müßte das der Vermieter übernehmen, weil der Pächter in der Regel nichts bezahlen muss, was er nicht irgendwann mitnehmen kann. Aber es wird am Ende so sein, dass der Gastronom dafür die Kosten übernehmen wird. Es gibt ja auch Geräte zum Aufstellen.
BRIGITTE PAVETIC FÜHRTE DAS GESPRÄCH.