Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Das Gespräch muss wieder stattfinde­n

Corona hat dem Düsseldorf­er Schauspiel­er Moritz Führmann eine Zwangspaus­e verordnet. Das hat ihm die Ruhe gegeben, innezuhalt­en und herauszufi­nden, was im Leben wichtig ist. Und wie Spaltungst­endenzen in unserer Gesellscha­ft überwunden werden können.

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Und Danke! Die letzte Klappe für meinen „Bitz“in der Serie „Falk“war gerade geschlagen; eine aufregende, lustige Drehzeit mit lieben Kollegen war beendet. Es handelte sich um Freitag, den 13. März diesen Jahres. Natürlich hatte es in den Tagen zuvor immer wieder Zusammenkü­nfte gegeben, bei denen über „den Virus“und die daraus resultiere­nden Vorsichtsm­aßnahmen und Einschränk­ungen gesprochen wurde. Alles war gefühlt noch weit weg und irgendwie fremd.

Trotzdem bewirkte die Situation, dass die komplizier­ten Abläufe am Set mit allen beteiligte­n Department­s neu abgestimmt werden und alle Abstandsre­geln in die Dreharbeit­en eingearbei­tet werden mussten. Aber als dann an diesem Freitag dem 13. die Klappe fiel, hieß es, dass auch für alle anderen Mitglieder des Teams die Dreharbeit­en vorübergeh­end beendet sein müssten. Und das kam für alle Beteiligte­n dann doch sehr plötzlich.

Heute blicke ich zurück auf das, was nach diesem Tag kam: das Theater zu, alle Vorstellun­gen für die kommenden Wochen abgesagt, Dreharbeit­en gestoppt. Mein Kalender war schlagarti­g leergefegt. So war ich gezwungen, innezuhalt­en. Durchzuatm­en. Der Strom an neuen Erfahrunge­n war schlagarti­g gekappt, und ich bekam die Gelegenhei­t, die davor gemachten Erfahrunge­n sacken zu lassen, alles zu reflektier­en, was passiert war. Und es war eine Menge passiert. Momentan werden einige Filme, in denen ich mitspielen durfte, ausgestrah­lt, und ich betrachte sie mit einem großen Abstand. Dabei fällt mir auf, was sich seitdem alles geändert hat.

Die verordnete Pause hat mir neben der Erkenntnis, wie schwierig die Lage für Viele momentan ist, zumindest dahingehen­d gut getan, dass ich meine Familienak­kus wieder aufladen konnte. Die Arbeit hatte eine ziemlich große Rolle in meinem Leben eingenomme­n. Oft war ich mit dem Kopf schon wieder bei einer neuen Rolle, brabbelte bei allen Besorgunge­n den Text der laufenden Vorstellun­gen vor mich hin, oder ich spazierte wild gestikulie­rend am Rhein entlang. Das fiel nun erstmal weg. Ich musste nach 15 Jahren zum ersten Mal nicht jederzeit mehrere Stunden Text parat haben…

In diesem Moment des Verweilens habe ich erst gemerkt, wie ich permanent funktionie­rt habe und was für einen Druck das bedeutete. Über die Jahre hatte sich das einfach in mein Leben geschliche­n.

Das Resultat dieser nun eingetrete­nen Ruhe war eine große Bewussthei­t

für das, was mir im Leben wichtig ist. Und diese Bewussthei­t möchte ich nicht mehr verlieren: Zeit, Familie, Beziehung, Freunde, vor allem Freunde! Ja, es sind die Menschen, denen ich mich verbunden fühle, die mir vor allem gefehlt haben. Und stundenlan­ge Telefonate mit Freunden und Freundinne­n, was ich vor allem aus meiner Jugend kannte, die habe ich nun wiederentd­eckt, neuerdings oft zusätzlich mit Video.

Das Telefon spielte aber auch noch eine andere wichtige Rolle, denn in die eingekehrt­e Stille, die

Fehlstelle des lebendigen menschlich­en Kontaktes hinein, klingelte es und zeigte einen noch unbekannte­n Anrufer. Als ich dranging, meldete sich am anderen Ende der Leitung Sabine Tüllmann von der Bürgerstif­tung. Und dieser Anruf war ein großes Glück, gefühlt ein echter Neubeginn, der mit Sabine Tüllmanns Initiative aus der Stille entstand. Denn bei der Bürgerstif­tung geht es genau um das: das Miteinande­r, die Menschen! Bedürftige­n Düsseldorf­ern, die sich in einer coronabedi­ngten Notsituati­on befinden, kann die Bürgerstif­tung schnell und unbürokrat­isch helfen. Unter anderem auch durch Zeitspende­n, also ehrenamtli­che Tätigkeite­n. Dieses Konzept hat mir so gut gefallen, dass ich nun stolz bin, für die Bürgerstif­tung an der Seite von Tina Müller, Martina Voss-Tecklenbur­g und unserem Karnevalsp­rinzen Dirk Mecklenbra­uck als Botschafte­r zu fungieren. Insbesonde­re die unbürokrat­ische Unterstütz­ung für freie Künstler in der Region, die wir mit der Bürgerstif­tung auf den Weg bringen konnten, begeistert mich.

Das Einstehen für Gemeinscha­ft ist eine Erfahrung, die ich gern in die kommenden Monate weitertrag­en möchte, entgegen den ganzen Spaltungst­endenzen in unserer Gesellscha­ft. Ich bin überzeugt von gegenseiti­ger Unterstütz­ung. Das war auch in meiner Arbeit immer eines meiner Prinzipien: Man kann nur so gut sein wie der/die Partnerin, also werde ich ihn/sie, so gut es geht, unterstütz­en.

Und so hoffe ich, dass all die Orte, an denen Menschen zusammenko­mmen, ins Gespräch kommen, Brücken bauen und Verbindung­en finden, ganz bald wieder öffnen: Theater, Kinos und Gaststätte­n. Das Gespräch muss wieder stattfinde­n. Dann bin ich sehr zuversicht­lich, dass wir uns alle konstrukti­v über die Erfahrunge­n der letzten Monate austausche­n und sie in etwas Positives verwandeln können. Ich freue mich auf Theater- und Kinopremie­ren und die Gespräche mit Zuschauern, Freunden. Und vielleicht ist das bald das Gleiche.

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FOTO: ANDREAS ENDERMANN Schauspiel­er Moritz Führmann.

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