Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Merkel reichen die Maßnahmen nicht aus
Eigentlich war die Hoffnung der Kanzlerin, dass mit der Verlängerung des Lockdowns eine erneute Zusammenkunft mit den Ministerpräsidenten nicht nötig ist. Doch die Lage bleibt angespannt.
BERLIN Angela Merkel kommt am Montag sofort auf den Punkt: In der Corona-Pandemie ginge es nicht um das Prinzip Hoffnung, sondern ums Handeln. „Es wird viel zu viel über Glühweinstände gesprochen und zu wenig über Krankenschwestern und Pflegern, die zurzeit die Corona-Kranken betreuen“, sagt die Kanzlerin in der Sitzung der Unionsfraktion. Man müsse vor Weihnachten entscheiden, wie man die Infektionszahlen wieder senken könne. Die aktuellen Maßnahmen seien offenbar nicht nachhaltig genug. Ausdrücklich begrüßt habe Merkel die neuen, schärferen Beschlüsse von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), so berichten es Teilnehmer der Sitzung unserer Redaktion.
Eigentlich war Merkels Hoffnung, dass mit der beschlossenen Verlängerung des Lockdowns am vergangenen Mittwoch eine erneute Zusammenkunft mit den Ministerpräsidenten nicht nötig werden würde. Verkündet hatte sie damals eine erneute Besprechung in diesem Rahmen erst für den 4. Januar. Doch sie schob hinterher: „Wenn irgendetwas ist, wenn die Hütte brennt sozusagen – dann sind wir jederzeit bereit, uns noch mal zu treffen.“Ihrer Einschätzung nach ist diese Zeit wohl schon gekommen. Regierungssprecher Steffen
Seibert jedenfalls sprach am Montagmorgen von „sorgenvollen Tagen“. Weitere Spitzenberatungen von Bund und Ländern seien jederzeit möglich. Einen Termin für ein solches Gespräch vor Weihnachten gebe es aber noch nicht. Allerdings wird in Berlin über den 15. Dezember spekuliert.
Aus Sicht des Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz, Michael Müller (SPD), ist ein weiteres Treffen der Länderchefs noch vor Weihnachten jedoch nicht unbedingt erforderlich. „Ich glaube, dass es zurzeit nicht wirklich dringend nötig ist, zu einer Ministerpräsidentenkonferenz zusammenzukommen, weil wir ja Verabredungen getroffen haben im Dezember, die in jede Richtung Spielräume lassen“, sagte Berlins Regierender Bürgermeister.
Söder wiederum hatte am Sonntag eine weitere Ministerpräsidentenkonferenz noch vor Weihnachten ins Gespräch gebracht. In Bayern sollen ab Mittwoch verschärfte Maßnahmen greifen. Die Wohnung darf dann nur noch aus triftigem Grund verlassen werden, in Corona-Hotspots sollen nächtliche Ausgangssperren gelten. Für Silvester soll es anders als ursprünglich geplant keine gelockerten Kontaktbeschränkungen geben. Die Maßnahmen will Bayern auch mit verschärften Kontrollen durchsetzen, die Kontrollen würden eindeutig verstärkt, sagte Söder. Er wolle eine Mentalitätsumkehr in der Bevölkerung erreichen.
Unterstützung bekam Söder für seinen harten Kurs vom Vorsitzenden des Weltärztebunds, Frank Ulrich Montgomery. Söder sei derzeit „einer der wenigen Ministerpräsidenten, die verstanden haben, was nach den Infektionsausbrüchen überall im Land folgen muss“. Es brauche überall in Deutschland, wo die Infektionszahlen hoch sind, „bis
Weihnachten harte Ausgangsbeschränkungen, bei denen die Menschen nur noch aus triftigem Grund das Haus verlassen dürfen“, forderte der Mediziner. „Zur Arbeit, Schule, Kita, in den Supermarkt und zum Arzttermin sollen die Menschen natürlich gehen dürfen, alles andere sollte aber für die kommenden zwei Wochen verboten und sanktioniert werden“, sagte Montgomery. Nur so werde das Land von dem Plateau extrem hoher Infektionszahlen herunterkommen. „Das ist wichtig, damit die Intensivstationen die nächsten Wochen arbeitsfähig bleiben. Geht es so weiter wie jetzt, droht ihnen kurz nach dem Jahreswechsel der Kollaps.“
SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach geht noch weiter: „Wir sollten die Schulen vier Wochen in die Weihnachtsferien schicken, das heißt idealerweise schon innerhalb der nächsten Woche und dann bis einschließlich der ersten Januarwoche“, sagte er. Zudem solle der Einzelhandel nach Weihnachten für zwei Wochen in einen harten Lockdown gehen, also geschlossen werden: „Zu Silvester darf es beim Kontaktverbot keine Lockerungen geben.“
Kritik an den von Söder verhängten Maßnahmen kommt dagegen von der FDP: „Kontaktbeschränkungen sind nötig, um die Pandemie einzudämmen. Pauschale Ausgangssperren aber, die den Gang mit dem Hund um den Block oder Sport allein unter freiem Himmel untersagen, halten wir für unnötig und unverhältnismäßig“, sagte FDP-Chef Christian Lindner.