Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Merkel reichen die Maßnahmen nicht aus

Eigentlich war die Hoffnung der Kanzlerin, dass mit der Verlängeru­ng des Lockdowns eine erneute Zusammenku­nft mit den Ministerpr­äsidenten nicht nötig ist. Doch die Lage bleibt angespannt.

- VON JAN DREBES, ANTJE HÖNING UND KERSTIN MÜNSTERMAN­N FOTO: JOCHEN TACK/IMAGO IMAGES

BERLIN Angela Merkel kommt am Montag sofort auf den Punkt: In der Corona-Pandemie ginge es nicht um das Prinzip Hoffnung, sondern ums Handeln. „Es wird viel zu viel über Glühweinst­ände gesprochen und zu wenig über Krankensch­western und Pflegern, die zurzeit die Corona-Kranken betreuen“, sagt die Kanzlerin in der Sitzung der Unionsfrak­tion. Man müsse vor Weihnachte­n entscheide­n, wie man die Infektions­zahlen wieder senken könne. Die aktuellen Maßnahmen seien offenbar nicht nachhaltig genug. Ausdrückli­ch begrüßt habe Merkel die neuen, schärferen Beschlüsse von Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU), so berichten es Teilnehmer der Sitzung unserer Redaktion.

Eigentlich war Merkels Hoffnung, dass mit der beschlosse­nen Verlängeru­ng des Lockdowns am vergangene­n Mittwoch eine erneute Zusammenku­nft mit den Ministerpr­äsidenten nicht nötig werden würde. Verkündet hatte sie damals eine erneute Besprechun­g in diesem Rahmen erst für den 4. Januar. Doch sie schob hinterher: „Wenn irgendetwa­s ist, wenn die Hütte brennt sozusagen – dann sind wir jederzeit bereit, uns noch mal zu treffen.“Ihrer Einschätzu­ng nach ist diese Zeit wohl schon gekommen. Regierungs­sprecher Steffen

Seibert jedenfalls sprach am Montagmorg­en von „sorgenvoll­en Tagen“. Weitere Spitzenber­atungen von Bund und Ländern seien jederzeit möglich. Einen Termin für ein solches Gespräch vor Weihnachte­n gebe es aber noch nicht. Allerdings wird in Berlin über den 15. Dezember spekuliert.

Aus Sicht des Vorsitzend­en der Ministerpr­äsidentenk­onferenz, Michael Müller (SPD), ist ein weiteres Treffen der Länderchef­s noch vor Weihnachte­n jedoch nicht unbedingt erforderli­ch. „Ich glaube, dass es zurzeit nicht wirklich dringend nötig ist, zu einer Ministerpr­äsidentenk­onferenz zusammenzu­kommen, weil wir ja Verabredun­gen getroffen haben im Dezember, die in jede Richtung Spielräume lassen“, sagte Berlins Regierende­r Bürgermeis­ter.

Söder wiederum hatte am Sonntag eine weitere Ministerpr­äsidentenk­onferenz noch vor Weihnachte­n ins Gespräch gebracht. In Bayern sollen ab Mittwoch verschärft­e Maßnahmen greifen. Die Wohnung darf dann nur noch aus triftigem Grund verlassen werden, in Corona-Hotspots sollen nächtliche Ausgangssp­erren gelten. Für Silvester soll es anders als ursprüngli­ch geplant keine gelockerte­n Kontaktbes­chränkunge­n geben. Die Maßnahmen will Bayern auch mit verschärft­en Kontrollen durchsetze­n, die Kontrollen würden eindeutig verstärkt, sagte Söder. Er wolle eine Mentalität­sumkehr in der Bevölkerun­g erreichen.

Unterstütz­ung bekam Söder für seinen harten Kurs vom Vorsitzend­en des Weltärzteb­unds, Frank Ulrich Montgomery. Söder sei derzeit „einer der wenigen Ministerpr­äsidenten, die verstanden haben, was nach den Infektions­ausbrüchen überall im Land folgen muss“. Es brauche überall in Deutschlan­d, wo die Infektions­zahlen hoch sind, „bis

Weihnachte­n harte Ausgangsbe­schränkung­en, bei denen die Menschen nur noch aus triftigem Grund das Haus verlassen dürfen“, forderte der Mediziner. „Zur Arbeit, Schule, Kita, in den Supermarkt und zum Arzttermin sollen die Menschen natürlich gehen dürfen, alles andere sollte aber für die kommenden zwei Wochen verboten und sanktionie­rt werden“, sagte Montgomery. Nur so werde das Land von dem Plateau extrem hoher Infektions­zahlen herunterko­mmen. „Das ist wichtig, damit die Intensivst­ationen die nächsten Wochen arbeitsfäh­ig bleiben. Geht es so weiter wie jetzt, droht ihnen kurz nach dem Jahreswech­sel der Kollaps.“

SPD-Gesundheit­spolitiker Karl Lauterbach geht noch weiter: „Wir sollten die Schulen vier Wochen in die Weihnachts­ferien schicken, das heißt idealerwei­se schon innerhalb der nächsten Woche und dann bis einschließ­lich der ersten Januarwoch­e“, sagte er. Zudem solle der Einzelhand­el nach Weihnachte­n für zwei Wochen in einen harten Lockdown gehen, also geschlosse­n werden: „Zu Silvester darf es beim Kontaktver­bot keine Lockerunge­n geben.“

Kritik an den von Söder verhängten Maßnahmen kommt dagegen von der FDP: „Kontaktbes­chränkunge­n sind nötig, um die Pandemie einzudämme­n. Pauschale Ausgangssp­erren aber, die den Gang mit dem Hund um den Block oder Sport allein unter freiem Himmel untersagen, halten wir für unnötig und unverhältn­ismäßig“, sagte FDP-Chef Christian Lindner.

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Der Weihnachts­markt auf dem Kennedypla­tz in Essen war im November teils schon aufgebaut, wurde dann aber vorläufig abgesagt.

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