Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Die Adventszei­t soll’s richten

Bäcker versüßen ihren Kunden mit Plätzchen und Marzipan die Zeit vor dem Fest. Gerade in diesem Jahr hängen ihre Geschäfte vom Verkauf des weihnachtl­ichen Gebäcks ab. Macht ihnen Corona einen Strich durch die Rechnung?

- VON VIKTOR MARINOV FOTO: ANNE ORTHEN

DÜSSELDORF/MÖNCHENGLA­DBACH Die Hoffnung riecht nach Marzipan. Ihr Duft breitet sich in den Läden aus und macht ein wenig Mut – den Kunden und auch den Mitarbeite­rn hinter der Theke. Das Weihnachts­geschäft gehört neben Ostern für die Bäckereien zur wichtigste­n Zeit des Jahres. Im Corona-Jahr 2020 könnte es entscheide­nd sein für die Frage, welcher Betrieb das kommende Jahr durchsteht.

Lange Schlangen bilden sich vor der Düsseldorf­er Bäckerei Bulle, meist am Wochenende, manchmal aber auch unter der Woche. Selbst im Lockdown, auch wenn es so kalt ist wie jetzt – es ist ja fast Weihnachte­n. „Die Leute sind aber längst nicht so in Feststimmu­ng wie in den vergangene­n Jahren“, sagt Bäckerei-Inhaber Michael Gauert. Als er Ende Oktober die ersten Stollen auslegte, fragten ihn die Kunden noch, was das denn sei.

Die Stimmung in vielen Bäckereien schwankt auch wenige Wochen vor dem Fest zwischen Sorge und Hoffnung. Die Sorgen sind vielfältig: Die Corona-Einschränk­ungen haben die Sitzecken und Cafés vieler Bäckereien obsolet gemacht, die Kunden sind ängstlich. Die Corona-Auflagen bedeuten mehr Arbeit, aber nicht mehr Umsatz.

Heike Pelzer ist seit fast 20 Jahren im Geschäft, zuerst in Korschenbr­oich, jetzt in Mönchengla­dbach. Nur einige Schritte entfernt vom Rathaus im Stadtteil Rheydt leitet Pelzer eine der 117 Filialen der Großbäcker­ei Stinges. Die 54-Jährige sagt, sie habe in all den Jahren keines erlebt, das so schwer für das Geschäft gewesen sei wie 2020. Sie sagt aber auch: „Wir lassen den Kopf nicht hängen.“

Das fällt ihr nicht immer leicht. An einem Donnerstag­nachmittag ist die Filiale fast leer, nur einzelne Kunden kommen herein. Großer Andrang herrschte zu der Tageszeit nie, aber jetzt fehlt die Sitzkundsc­haft. In der gemütliche­n Bäckerei in Rheydt gibt es mehrere Tische, doch auf den weich gepolstert­en Stühlen sitzen seit dem Lockdown keine Kunden mehr.

Stattdesse­n desinfizie­ren sich die Kunden beim Betreten der Bäckerei die Hände, kaufen ein paar Brötchen und verlassen das Geschäft wieder durch eine Seitentür. Früher haben sie dort gesessen, gelacht, sind ab

und zu aufgesprun­gen und haben später noch ein Brot für Zuhause mitgenomme­n, erzählt Pelzer etwas wehmütig. Weihnachte­n, das könnte noch gut für die Bäckerei werden. Vielleicht nicht so gut wie in den Jahren davor, aber gut genug.

Während die Bäckereike­tte Stinges in den vergangene­n Monaten infolge der Corona-Maßnahmen ihr Brotsortim­ent verkleiner­t hatte, werden im Weihnachts­geschäft keine Abstriche gemacht. Weckmänner, Butterstol­len und Plätzchen in unterschie­dlichen Variatione­n werden am Produktion­sstandort in Brüggen jede Nacht gebacken und an die Filialen ausgeliefe­rt. Früh am Morgen rollen zwölf Lkw durch die Region, vollgepack­t mit Weihnachte­n zum Naschen. „Bei den Plätzchen haben wir einen regelrecht­en Ansturm erlebt, mit dem wir so nicht gerechnet haben“, sagt Marketingl­eiterin Carlotta Stinges. „Das ist deutlich mehr als in den vergangene­n Jahren.“Beliebt seien vor allem die Klassiker; außerdem griffen junge Menschen gerade häufiger zum Stollen, sagt Stinges.

Auch bei Michael Gauert von der Bäckerei Bulle geht der Stollen schnell weg. „Ich muss ihn gar nicht bewerben. Wer letztes Jahr bei uns einen gekauft hat, weiß, wie er schmeckt. Und kauft dieses Jahr drei davon“, sagt Gauert. Erst vor drei Jahren hat er die Bäckerei in Düsseldorf-Flingern eröffnet, schon jetzt hat er viele Stammkunde­n. Doch die Krise hat vieles verändert. Die Kunden tummeln sich nicht mehr im Laden, sondern bilden Schlangen vor der Tür, halten Abstand. Im Geschäft selbst dürfen sich nur zwei Kunden aufhalten. Das macht die Arbeit langsamer, doch anders gehe es nicht. „Man kann nicht einer alten Frau sagen, sie soll sich doch bitte beeilen, weil schon andere Kunden vor der Tür warten“, sagt Gauert. „Wir haben dieses Jahr mehr zu tun, aber der Umsatz steigt dadurch nicht.“Er musste die Abläufe umplanen, die Schichten anpassen, Hygienemaß­nahmen verschärfe­n.

Gauert und Pelzer hoffen: Darauf, dass die Kunden das wertschätz­en, was beide für sie tun und ihnen weiterhin treu bleiben. Und auf eine Lockerung der Maßnahmen – und bis dahin auf Weihnachte­n. Der Stollen soll es richten.

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Inhaber Michael Gauert in der Backstube seiner Düsseldorf­er Bäckerei Bulle.
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FOTO: JANA BAUCH Heike Pelzer in der StingesBäc­kerei in Rheydt vermisst die Kunden, die sich in ihrer Filiale auf einen Kaffee treffen.

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