Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Die Adventszeit soll’s richten
Bäcker versüßen ihren Kunden mit Plätzchen und Marzipan die Zeit vor dem Fest. Gerade in diesem Jahr hängen ihre Geschäfte vom Verkauf des weihnachtlichen Gebäcks ab. Macht ihnen Corona einen Strich durch die Rechnung?
DÜSSELDORF/MÖNCHENGLADBACH Die Hoffnung riecht nach Marzipan. Ihr Duft breitet sich in den Läden aus und macht ein wenig Mut – den Kunden und auch den Mitarbeitern hinter der Theke. Das Weihnachtsgeschäft gehört neben Ostern für die Bäckereien zur wichtigsten Zeit des Jahres. Im Corona-Jahr 2020 könnte es entscheidend sein für die Frage, welcher Betrieb das kommende Jahr durchsteht.
Lange Schlangen bilden sich vor der Düsseldorfer Bäckerei Bulle, meist am Wochenende, manchmal aber auch unter der Woche. Selbst im Lockdown, auch wenn es so kalt ist wie jetzt – es ist ja fast Weihnachten. „Die Leute sind aber längst nicht so in Feststimmung wie in den vergangenen Jahren“, sagt Bäckerei-Inhaber Michael Gauert. Als er Ende Oktober die ersten Stollen auslegte, fragten ihn die Kunden noch, was das denn sei.
Die Stimmung in vielen Bäckereien schwankt auch wenige Wochen vor dem Fest zwischen Sorge und Hoffnung. Die Sorgen sind vielfältig: Die Corona-Einschränkungen haben die Sitzecken und Cafés vieler Bäckereien obsolet gemacht, die Kunden sind ängstlich. Die Corona-Auflagen bedeuten mehr Arbeit, aber nicht mehr Umsatz.
Heike Pelzer ist seit fast 20 Jahren im Geschäft, zuerst in Korschenbroich, jetzt in Mönchengladbach. Nur einige Schritte entfernt vom Rathaus im Stadtteil Rheydt leitet Pelzer eine der 117 Filialen der Großbäckerei Stinges. Die 54-Jährige sagt, sie habe in all den Jahren keines erlebt, das so schwer für das Geschäft gewesen sei wie 2020. Sie sagt aber auch: „Wir lassen den Kopf nicht hängen.“
Das fällt ihr nicht immer leicht. An einem Donnerstagnachmittag ist die Filiale fast leer, nur einzelne Kunden kommen herein. Großer Andrang herrschte zu der Tageszeit nie, aber jetzt fehlt die Sitzkundschaft. In der gemütlichen Bäckerei in Rheydt gibt es mehrere Tische, doch auf den weich gepolsterten Stühlen sitzen seit dem Lockdown keine Kunden mehr.
Stattdessen desinfizieren sich die Kunden beim Betreten der Bäckerei die Hände, kaufen ein paar Brötchen und verlassen das Geschäft wieder durch eine Seitentür. Früher haben sie dort gesessen, gelacht, sind ab
und zu aufgesprungen und haben später noch ein Brot für Zuhause mitgenommen, erzählt Pelzer etwas wehmütig. Weihnachten, das könnte noch gut für die Bäckerei werden. Vielleicht nicht so gut wie in den Jahren davor, aber gut genug.
Während die Bäckereikette Stinges in den vergangenen Monaten infolge der Corona-Maßnahmen ihr Brotsortiment verkleinert hatte, werden im Weihnachtsgeschäft keine Abstriche gemacht. Weckmänner, Butterstollen und Plätzchen in unterschiedlichen Variationen werden am Produktionsstandort in Brüggen jede Nacht gebacken und an die Filialen ausgeliefert. Früh am Morgen rollen zwölf Lkw durch die Region, vollgepackt mit Weihnachten zum Naschen. „Bei den Plätzchen haben wir einen regelrechten Ansturm erlebt, mit dem wir so nicht gerechnet haben“, sagt Marketingleiterin Carlotta Stinges. „Das ist deutlich mehr als in den vergangenen Jahren.“Beliebt seien vor allem die Klassiker; außerdem griffen junge Menschen gerade häufiger zum Stollen, sagt Stinges.
Auch bei Michael Gauert von der Bäckerei Bulle geht der Stollen schnell weg. „Ich muss ihn gar nicht bewerben. Wer letztes Jahr bei uns einen gekauft hat, weiß, wie er schmeckt. Und kauft dieses Jahr drei davon“, sagt Gauert. Erst vor drei Jahren hat er die Bäckerei in Düsseldorf-Flingern eröffnet, schon jetzt hat er viele Stammkunden. Doch die Krise hat vieles verändert. Die Kunden tummeln sich nicht mehr im Laden, sondern bilden Schlangen vor der Tür, halten Abstand. Im Geschäft selbst dürfen sich nur zwei Kunden aufhalten. Das macht die Arbeit langsamer, doch anders gehe es nicht. „Man kann nicht einer alten Frau sagen, sie soll sich doch bitte beeilen, weil schon andere Kunden vor der Tür warten“, sagt Gauert. „Wir haben dieses Jahr mehr zu tun, aber der Umsatz steigt dadurch nicht.“Er musste die Abläufe umplanen, die Schichten anpassen, Hygienemaßnahmen verschärfen.
Gauert und Pelzer hoffen: Darauf, dass die Kunden das wertschätzen, was beide für sie tun und ihnen weiterhin treu bleiben. Und auf eine Lockerung der Maßnahmen – und bis dahin auf Weihnachten. Der Stollen soll es richten.