Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Niedrigwasser bremst Rhein-Schifffahrt aus
DUISBURG (anh/dpa/mah) Anwohner und Spaziergänger sehen es täglich: Der Rhein hat nach dem trocknen Herbst ungewöhnlich wenig Wasser. Das belastet nun massiv die europäische Binnenschifffahrt. Viele Schiffe könnten nicht einmal die Hälfte der üblichen Ladung befördern, sagte Roberto Spranzi, Vorstand im Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt. Das führe zu erheblichen Mehrkosten. So könne ein Schubverband mit 5200 Tonnen Tragfähigkeit aktuell teilweise nur noch 2200 bis 2400 Tonnen Ladung transportieren, wenn er auf seinem Weg den besonders niedrigen Pegel Kaub nahe dem Loreley-Felsen in Rheinland-Pfalz passieren wolle. Die Loreley gilt unter Binnenschiffern als einer der neuralgischen Punkte der Rheinschifffahrt. Der Hydrologe Jörg Uwe Belz von der Bundesanstalt für Gewässerkunde erklärte: „Auf der Bundeswasserstraße Rhein ist die Schifffahrt über weitere Strecken behindert, viele Schiffe müssen ihren Tiefgang reduzieren.“Das belastet auch die Unternehmen in NRW und treibt die Preise in die Höhe: So seien Auftraggeber zwar vielfach verpflichtet, den Binnenschiffern über den sogenannten Kleinwasserzuschlag einen Ausgleich zu zahlen, sagte Spranzi. Dies verteuere aber den Transport.
Das bekommen auch NRW-Unternehmen wie der Leverkusener
Chemiekonzern Covestro bereits zu spüren. „Die Zuladungen der Binnenschiffe sind im Durchschnitt bei dem derzeitigen Niedrigwasserstand geringer als sonst. Covestro setzt daher zur Zeit mehr Schiffe ein. „Das heißt: Die Schiffe fahren häufiger, um die Rohstoffe und Produkte in der benötigten Menge zu transportieren“, erklärte das Unternehmen. Doch so schlimm wie 2018 sei es dieses Mal nicht. „Einschränkungen für die Anlieferung oder Auslieferung bestehen derzeit nicht und sind mit dem Ausblick des leicht steigenden Wasserstands auch erst mal nicht zu erwarten“, erklärte der Covestro-Sprecher weiter.
Vor zwei Jahren war das anders. Da hatte der Rheinpegel so niedrig gelegen, dass Covestro Probleme hatte, Rohstoffe über die Wasserstraße nach Leverkusen zu holen und Fertigprodukte auszuliefern. Der Chemiekonzern musste wegen des Niedrigwassers sogar seine Gewinnprognose senken.
Auch den Stahlriesen Thyssenkrupp und den Chemiekonzern BASF traf das Neidrigwasser damals schwer. 2018 hatte Thyssenkrupp für sechs Wochen die Produktion seines Stahlwerks drosseln müssen, weil der Nachschub an Rohstoffen ausgeblieben war. Gegenüber Kunden hatte Thyssenkrupp höhere Gewalt („force majeure“) geltend machen müssen. Die Belastung für den Konzern lag damals im niedrigen dreistelligen Millionen-Bereich. Aktuell sind die Stahlwerke in Duisburg aber wegen der Corona-Pandemie ohnehin nicht ausgelastet, im Sommer waren 30.000 Thyssenkrupp-Beschäftigte in Kurzarbeit.
Die Chemieindustrie fordert seit langem eine Vertiefung des Rheins und die Beseitigung von Engstellen, um die Losgistik zu sichern. Die Branche ist für zehn Prozent des Transportvolumens verantwortlich, das über Binnenschiffe abgewickelt wird. Der Rhein ist dabei die Hauptschlagader.
Aus wirtschaftlichen Gründen fahren auf dem Rhein zunehmend größere Binnenschiffe mit mehr Transportkapazität und damit mehr Tiefgang. Aktuell liegen die Rhein-Wasserstände nach mehreren trockenen Monaten vor allem am Niederrhein teils noch deutlich unter dem mittleren Niedrigwasser. So lag der Pegel in Emmerich kurz vor der Grenze zu den Niederlanden am Freitagnachmittag bei 76 Zentimetern (mittleres Niedrigwasser 94 Zentimeter) und in Duisburg-Ruhrort bei 236 Zentimetern, knapp unter dem mittleren Niedrigwasser.