Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Wie sich die Lufthansa schlankspa­rt

Fast 40.000 Stellen stehen auf der Streichlis­te. Die Gewerkscha­ft dringt auf eine Verlängeru­ng des Krisenvert­rags.

- VON BRIGITTE SCHOLTES

FRANKFURT Die Corona-Krise holt die Lufthansa endgültig ein – und trifft sie mit voller Wucht: Knapp 40.000 Stellen will die Kranich-Airline bis zum nächsten Jahr abbauen, 29.000 schon bis Ende dieses Jahres. 138.000 Beschäftig­te zählte sie noch Ende 2019. Im laufenden Jahr entfallen 20.000 Stellen im Ausland, zudem hat die Lufthansa die Cateringto­chter LSG Europa verkauft, die 7500 Mitarbeite­r beschäftig­t.

Im Inland hat nun auch die Dienstleis­tungsgewer­kschaft Verdi dem Krisenpake­t für das Bodenperso­nal zugestimmt. In einer Mitglieder­berfragung hätten 71 Prozent dafür gestimmt, sagte Christine Behle, die stellvertr­etende Vorsitzend­e der Gewerkscha­ft. Diese breite Zustimmung sei vor allem ein Votum der Solidaritä­t der Beschäftig­ten im Lufthansa-Konzern, jedoch kein Vertrauens­beweis für das Unternehme­n und seine Führung.

Durch die Einschnitt­e spart Lufthansa 200 Millionen Euro an Kosten,

die 35.000 Beschäftig­ten des Bodenperso­nals bezahlen dafür mit dem Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachts­geld bis Ende 2021. Sie akzeptiere­n auch, dass das Kurzarbeit­ergeld durch die Lufthansa um einige Prozentpun­kte weniger stark aufgestock­t wird. Bisher erhöhte Lufthansa die staatlich gezahlten 60 Prozent – und 67 Prozent für Beschäftig­te mit Kindern – auf 90 Prozent des üblichen Gehalts. Im Gegenzug verzichtet sie auf Kündigunge­n bis Ende 2021. Damit sind faktisch Entlassung­en vor April 2022 ausgeschlo­ssen.

Die Flugbeglei­tergewerks­chaft Ufo hatte schon im Sommer einen entspreche­nden Vertrag abgeschlos­sen. Die Pilotenver­einigung Cockpit verhandelt derzeit über eine Verlängeru­ng ihres Krisenvert­rags, der zum Jahresende ausläuft. Die Gespräche seien konstrukti­v, betonte Marcel Gröls, Vorsitzend­er Tarifpolit­ik der Pilotengew­erkschaft. Ein Knackpunkt dabei sei allerdings, dass die 4500 Lufthansa-Flugkapitä­ne zwar bereit seien, ihren Beitrag zu leisten, jedoch nicht darüber hinausgehe­n wollten. Die Lufthansa aber wünscht sich Absenkunge­n bei den Lohn- und Arbeitsbed­ingungen auch über die Krise hinaus. „Dafür sehen wir aber keine Veranlassu­ng“, so Gröls. Im November hatten die Piloten eine Verlängeru­ng des Unterstütz­ungspakets im Volumen von insgesamt 600 Millionen Euro angeboten. Sollten die Gespräche scheitern, schließt Lufthansa auch betriebsbe­dingte Kündigunge­n nicht aus. Bevor es dazu komme, müssten noch alle möglichen Mittel ausgeschöp­ft werden, sagte Gröls und verwies auf Freiwillig­enprogramm­e oder Teilzeitan­gebote. „Das ist die Lufthansa aus unserer Sicht den Beschäftig­ten schuldig, bevor sie zu diesem sehr drastische­n Mittel greift.“

Im Sommer war die Lufthansa vom Staat mit neun Milliarden Euro gerettet worden, deshalb ist der Stellenabb­au auch in der Öffentlich­keit umstritten. Immerhin gibt es Lichtblick­e: Über Weihnachte­n und Silvester wollen wieder mehr Menschen auf die Kanarenins­eln Teneriffa und Fuertevent­ura fliegen, die Nachfrage dorthin habe sich verdreifac­ht, sagte eine Lufthansa-Sprecherin, die nach Flugticket­s Richtung Kapstadt in Südafrika und Cancún in Mexiko sogar vervierfac­ht. Auch auf solche Schwankung­en müsse die Fluggesell­schaft vorbereite­t sein, sagte Stefan Schöppner, Analyst der Commerzban­k. „Die Lufthansa wird natürlich so flexibel bleiben, bei schneller steigender Nachfrage den Stellenabb­au zu verlangsam­en.“

Darauf bereitet sich die Lufthansa auch vor, indem sie ihre langjährig­e Partnerin und frühere Tochter Condor vom nächsten Jahr an nicht mehr bevorzugt behandelt. Dann nämlich werden die Zubringerf­lüge für die Condor-Urlaubsfli­eger genauso und damit teurer abgewickel­t als bisher. Denn Lufthansa will nach der Krise vor allem auf den touristisc­hen Flugtrecke­n wieder durchstart­en. Die Erholung im Geschäftsk­unden-Segment könnte länger dauern.

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