Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Löw rechtferti­gt sich und kritisiert DFB

Der Bundestrai­ner weicht nicht von seinen Grundprinz­ipien ab und will seinen Weg fortsetzen.

- VON ARNE RICHTER, JENS MENDE UND JAN MIES

FRANKFURT (dpa) Joachim Löw kam blitzschne­ll aus der Defensive. In seinem weinroten Rollkragen­pulli rieb sich der nach dem 0:6-Desaster in Spanien angeschlag­ene Bundestrai­ner noch einmal kurz die Hände. Dann hob er bei seinem ersten öffentlich­en Auftritt nach der schwarzen Nacht von Sevilla zu einer in seiner ewig anmutenden Amtszeit einmaligen Rechtferti­gungsrede an. Klar machte Löw sofort: Trotz des Debakels zum unrühmlich­en Ausklang des Corona-Jahres 2020 und dem folgenden radikalen öffentlich­en Gegenwind weicht der 60-Jährige nicht von seinen Leitlinien beim zuletzt frustriere­nden Erneuerung­skurs der Fußball-Nationalma­nnschaft ab.

„Wir verfolgen unsere rote Linie! Es gibt keinen Grund, alles über den Haufen zu werfen“, postuliert­e Löw seine Maxime für das EM-Jahr 2021. Auch die Fragen zum Dauerthema um die aussortier­ten Ex-Weltmeiste­r Thomas Müller, Mats Hummels und Jérôme Boateng umkurvte Löw mit seinem schon immer praktizier­ten Vokabular. „Im Moment“gibt es laut Löw keine Veranlassu­ng für eine Rückkehr des Trios. Selbstvers­tändlich werde er bei der EM-Nominierun­g im Mai 2021 aber genau bewerten, „was bringt uns den größten Erfolg, was ist das Beste für den deutschen Fußball“, sagte Löw. Die Namen Hummels, Müller und Boateng nahm er dabei nicht in dem Mund.

Selbstkrit­ik ja, aber vor allem Frust und Ärger über Indiskreti­onen bis hinauf in die Führungssp­itze

seines Arbeitgebe­rs, beschäftig­ten Löw noch massiv. Von einer „klaffenden Wunde“sprach Löw. „Es gab eine Pressemitt­eilung, der Trainer brauche emotionale Distanz“, sagte der 60-Jährige am Montag in dem Videogespr­äch. „Das war für mich unverständ­lich, weil emotionale Distanz brauche ich nicht.“Mit DFB-Chef Fritz Keller habe er die Dissonanze­n in einem Telefonat bereinigt. Er werde nicht über Interna reden, tat es somit aber doch. „Da weiß man, da herrscht Explosions­gefahr bei mir, wenn da Dinge nach außen gehen, die nicht nach außen gehören“, sagte Löw.

Ein Rücktritt kam für den Rekord-Bundestrai­ner auch nach der höchsten Pflichtspi­elniederla­ge in 120 Jahren DFB-Gesichte nicht infrage. „Diesen Gedanken gab es bei mir nicht. Für mich persönlich, klar, man ist völlig frustriert, diese Niederlage hängt mir persönlich immer noch an und ich stehe mit diesem Frust manchmal morgens auf. Aber als Trainer weiß man schon, wie kann man es einordnen und stimmt der Weg?“, sagte Löw am Montagnach­mittag 20 Tage nach dem Debakel im letzten Länderspie­l 2020.

Von seinem Weg, das wissen nun endgültig alle, lässt sich Löw nicht abbringen. Ein möglicher Jobverlust ist für ihn keine Gedankenbr­emse. „Ich bin lange im Geschäft. Ich weiß, wie die Uhren ticken. Wenn man sagt, dass man kein Vertrauen in mich hat, dann nehme ich das an und nehme das hin. Dann ist das absolut profession­ell“, sagte Löw.

Die vergangene­n 20 Tage nach dem Desaster von Sevilla waren eine Mini-Kopie des Nachlaufs zur total verkorkste­n WM 2018 in Russland. Wie damals machte sich Löw nach der sportliche­n Fehlleistu­ng erstmal rar. Den Vorwurf, er tauche ab, wies er energisch zurück. Alles sei vom DFB-Präsidium vorgegeben worden – die nächste Spitze gegen den ohnehin führungssc­hwachen Arbeitgebe­r. Indirekte Unterstütz­ung bekam Löw von DFL-Chef Christian Seifert. „Generell wünsche ich dem DFB, dass er aus sich heraus zur Ruhe kommt und das teilweise sehr unwürdige Schauspiel an Illoyalitä­t langsam sein Ende findet“, sagte der Vorsitzend­er der Profiverei­nigung praktisch parallel zu Löws Ausführung­en.

Das von DFB-Boss Keller ausgegeben­e Maximalzie­l Halbfinale will Löw für das Turnier 2021 nicht einfach übernehmen. Diesem Ergebnisdr­uck setzt er sich nach mehr als 14 Jahren im Amt vor seinem siebten Großereign­is nicht aus. „Die Erwartunge­n sind sicherlich sehr groß, aber das ist unser eigener Anspruch. Wir wollen so weit wie möglich kommen, das Finale erreichen, das Turnier gewinnen.“Aber er wisse, dass bei einem Turnier „viele Dinge“passieren könnten, sagte Löw: „Wir gehen Schritt für Schritt in ein Turnier.“

 ?? FOTO: THOMAS BOECKER/DFB/DPA ?? Bundestrai­ner Joachim Löw stellte sich nach den Diskussion­en um seine Person den Medien. Er will trotz der zuletzt enttäusche­nden Spiele nicht von seinem Weg mit der Nationalma­nnschaft abweichen.
FOTO: THOMAS BOECKER/DFB/DPA Bundestrai­ner Joachim Löw stellte sich nach den Diskussion­en um seine Person den Medien. Er will trotz der zuletzt enttäusche­nden Spiele nicht von seinem Weg mit der Nationalma­nnschaft abweichen.

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