Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
IHK: 2,3 Millionen Euro für 136 Projekte
Vollversammlung der IHK verabschiedet Projektliste und ein Positionspapier zum geplanten Lieferkettengesetz.
RHEIN-KREIS Das geplante Lieferkettengesetz weckt Befürchtungen in der Wirtschaft. Haftungsrisiken, mehr bürokratischer Aufwand, Wettbewerbsnachteile und eine Neuausrichtung bei der Güterbeschaffung sind zentrale Sorgen, die Unternehmer aus der Region in einer Umfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein hinterlegt haben. Dabei herrscht bei den Zielen grundsätzlich Zustimmung, schließlich geht es um Bestrebungen, Menschenrechte und Umweltstandards weltweit durchzusetzen. 82 Prozent der Umfrageteilnehmer sind denn auch der Meinung, dass Wohlstand nicht auf Kosten von Arbeitern im Ausland erwirtschaftet werden darf und setzen sich entsprechend ein. Allerdings dürfe es keine Abwälzung staatlicher Kernaufgaben auf die Unternehmen und keine Haftung für das Handeln anderer geben. Ihre Forderungen hat die IHK in einem jetzt von der Vollversammlung verabschiedeten Positionspapier formuliert.
Das Papier bringt die Sorgen der Betriebe zum Ausdruck. Viele Unternehmen würden sich bereits dafür einsetzen, dass ihre Lieferanten Nachhaltigkeitsstandards erfüllen. Die Einhaltung der Menschenrechte und hohe Umweltstandards seien Ziele, die auch die Wirtschaft verfolge. Als unverhältnismäßig wird jedoch kritisiert, dass deutsche Unternehmen ihre ausländischen Zulieferer lückenlos auf Einhaltung der Standards überprüfen und bei Verstößen haften beziehungsweise mithaften sollen.
Eine solche Verpflichtung überschätze die tatsächlichen Kontrollund Einflussmöglichkeiten der Unternehmen. Peer Kesper, Mitglied der IHK-Vollversammlung und Vorsitzender des Außenhandelsausschusses,
erklärt: „Dem Gesetzentwurf nach sollen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern gewährleisten, dass bei der Produktion der von ihnen im Ausland beschafften Vorleistungsgüter Menschenrechte und Umweltstandards eingehalten werden.“Der Entwurf sehe vor, „dass Unternehmen ein entsprechendes Risikomanagement verankern, jährlich öffentlich über ihre Lieferketten berichten und unter bestimmten Voraussetzungen bei Verstößen gegen das Gesetz mithaften“. Das führe laut IHK-Positionspapier zu mehr Bürokratie, die den Mittelstand neben den Corona-Folgen, einer Rezession in wichtigen Absatzmärkten und dem Brexit belaste.
Neben dem Lieferkettengesetz ging es in der IHK-Vollversammlung auch um die Corona-Pandemie und ihre wirtschaftlichen Auswirkungen. Zudem wurden insgesamt 136 Projekte verabschiedet. Dafür stellt die IHK rund 2,3 Millionen Euro zur Verfügung. „Seit März haben wir viele unserer Services auf die corona-bedingten Bedürfnisse der Unternehmen abgestimmt und immer wieder angepasst“, erklärt
IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz, „und natürlich haben wir in unsere Projektplanung für das kommende Jahr das Thema Corona-Pandemie, deren Auswirkungen und Erkenntnisse, die wir gewonnen haben, einfließen lassen.“
Schwerpunkte der IHK-Arbeit werden die Bereiche „Qualifizierung und Ausbildung“, „Service für Unternehmen“,
„Politische Interessenvertretung“und „Digitalisierung“sein. Mit dem Projekt „Digi-Camps für Azubis“zum Beispiel bietet die IHK gemeinsam mit einem Projektpartner eine digitale Qualifizierung von Auszubildenden an. In zweitägigen Camps werden Azubis praxisnah im unternehmensrelevanten Umgang mit Themen wie „Social Media“, „Datenschutz“und neuen Ausbildungsmethoden aus dem Bereich „Virtual Reality/Augmented Reality“geschult.
Darüber hinaus wird es die etablierten Formate wie unter anderem „Check In Berufswelt“und „Azubi-Speed-Dating“geben. „In der Corona-Krise waren wir im Frühjahr außerhalb unserer Öffnungszeiten für Unternehmen über unsere Hotline erreichbar.
Das ist von den Unternehmen gut angenommen worden“, sagt Jürgen Steinmetz. „Deshalb werden wir unsere Service-Zeiten erweitern.“Auch jenseits der Öffnungszeiten wird die IHK Angebote wie zum Beispiel eine Gründungsberatung über Videokonferenzen und die telefonische Erreichbarkeit ermöglichen. Konkrete neue Services bietet die IHK unter anderem mit dem „Ladencheck vor Ort“und dem „Insolvenz-Check“an. Der stationäre Einzelhandel sei extrem gefordert – nicht erst seit der Corona-Pandemie. „Wir motivieren Händler, parallel zu ihrem Ladengeschäft auch einen Online-Vertrieb zu betreiben“, sagt der IHK-Hauptgeschäftsführer. „Gleichzeitig ist es für Händler entscheidend, das Ladengeschäft vor Ort attraktiv zu gestalten.“Deshalb möchte die IHK Einzelhändler beim visuellen Marketing unterstützen. Es wird Schulungs-Workshops und einen Praxis-Leitfaden geben.
Im Bereich „Politische Interessenvertretung“wird die Bundestagswahl 2021 eine besondere Rolle spielen. „Die Unternehmen in der Region sind von zahlreichen politischen Entscheidungen auch auf Bundesebene abhängig“, betont IHK-Präsident Elmar te Neues. „Deshalb begleitet die IHK die Bundestagswahl 2021 mit verschiedenen Aktivitäten.“Es werden Wahlprüfsteine entwickelt und die Direktkandidaten der jeweiligen Teilregion in vier Wahlarenen zu ihrer wirtschaftspolitischen Positionierung befragt.