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NRW ringt um neuen Lockdown

Wegen anhaltend hoher Infektions­zahlen dringen die Bundesregi­erung und mehrere Ministerpr­äsidenten auf schärfere Corona-Regeln. Die Landesregi­erung will noch abwarten.

- VON KIRSTEN BIALDIGA, JAN DREBES UND GEORG WINTERS

BERLIN/DÜSSELDORF Trotz Verschärfu­ngen der Corona-Regeln in anderen Bundesländ­ern will die NRW-Landesregi­erung zunächst abwarten. „Wir sollten uns die Entwicklun­g in den nächsten Tagen genau anschauen, auch auf den Intensivst­ationen, und erst dann entspreche­nde Entscheidu­ngen treffen“, sagte NRW-Vizeminist­erpräsiden­t Joachim Stamp (FDP) am Dienstag. In NRW bewegten sich die Infektions­zahlen seitwärts, die Situation sei fragil. Es gefährde aber das Vertrauen der Bürger, getroffene Maßnahmen nach wenigen Tagen schon wieder über den Haufen zu werfen, sagte Stamp auf die Frage nach einem möglichen Vorziehen der Beratungen der Ministerpr­äsidenten mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU). „Ich glaube nicht, dass das Höher, Schneller, Weiter, was Herr Söder in die Welt ruft, wirklich hilfreich ist“, so Stamp.

Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) hatte am Sonntag schärfere Kontaktbes­chränkunge­n und Ausgehverb­ote angekündig­t. In einer Regierungs­erklärung am Dienstag begrüßte er den von der Nationalen Wissenscha­ftsakademi­e Leopoldina geforderte­n harten Lockdown mit Geschäftss­chließunge­n ab Weihnachte­n. Wenn sich die Ministerpr­äsidentenk­onferenz auf diesen Weg einige, werde Bayern ihn mittragen, sagte der CSU-Chef.

Angesichts anhaltend hoher Infektions­zahlen spricht sich die Nationale

Wissenscha­ftsakademi­e Leopoldina für eine drastische Verschärfu­ng der Corona-Beschränku­ngen bereits ab kommender Woche aus. Die Feiertage und der Jahreswech­sel sollten für einen „harten Lockdown“genutzt werden, um die deutlich zu hohen Neuinfekti­onen schnell zu verringern, heißt es in einer am Dienstag veröffentl­ichten Stellungna­hme. In einem ersten Schritt soll den Wissenscha­ftlern zufolge die Schulpflic­ht ab kommendem Montag bis zu den Weihnachts­ferien aufgehoben werden. Ab 24. Dezember bis mindestens 10. Januar solle dann „in ganz Deutschlan­d das öffentlich­e Leben weitgehend ruhen“.

Mehrere Landesregi­erungen kündigten inzwischen an, ihre Corona-Maßnahmen anzupassen. In Rheinland-Pfalz sollen die geltenden Auflagen allenfalls über Weihnachte­n gelockert werden, aber nicht mehr über Silvester. Sachsen steuert gar auf einen harten Lockdown ab Montag zu. Schulen, Kitas und Geschäfte sollen dort schließen, sagte Ministerpr­äsident Michael

Kretschmer (CDU). Nur lebensnotw­endige Läden sollen analog dem Vorgehen im Frühjahr offen bleiben. Die Maßnahmen sind bis zum 10. Januar vorgesehen. Ob es in dieser Woche zu einer weiteren Ministerpr­äsidentenk­onferenz kommen wird, blieb am Dienstag offen. Neben NRW soll auch die Landesregi­erung von Niedersach­sen sich eher zurückhalt­end gezeigt haben. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) ist hingegen offen für Schließung­en im Einzelhand­el.

Der Handelsver­band NRW stellte für den Fall des harten Lockdowns eine klare Forderung: „Wer solche Entscheidu­ngen will, muss auch klar sagen, wer das bezahlt, sprich: für die Umsatzausf­älle der Händler aufkommt“, sagte Peter Achten, Hauptgesch­äftsführer des Handelsver­bandes NRW, unserer Redaktion. Der Handel sei bisher kein Hotspot gewesen. Schon durch die aktuellen Einschränk­ungen fürchtet die Branche in NRW im Weihnachts­geschäft einen Umsatzrück­gang in Milliarden­höhe.

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