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NRW ringt um neuen Lockdown
Wegen anhaltend hoher Infektionszahlen dringen die Bundesregierung und mehrere Ministerpräsidenten auf schärfere Corona-Regeln. Die Landesregierung will noch abwarten.
BERLIN/DÜSSELDORF Trotz Verschärfungen der Corona-Regeln in anderen Bundesländern will die NRW-Landesregierung zunächst abwarten. „Wir sollten uns die Entwicklung in den nächsten Tagen genau anschauen, auch auf den Intensivstationen, und erst dann entsprechende Entscheidungen treffen“, sagte NRW-Vizeministerpräsident Joachim Stamp (FDP) am Dienstag. In NRW bewegten sich die Infektionszahlen seitwärts, die Situation sei fragil. Es gefährde aber das Vertrauen der Bürger, getroffene Maßnahmen nach wenigen Tagen schon wieder über den Haufen zu werfen, sagte Stamp auf die Frage nach einem möglichen Vorziehen der Beratungen der Ministerpräsidenten mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU). „Ich glaube nicht, dass das Höher, Schneller, Weiter, was Herr Söder in die Welt ruft, wirklich hilfreich ist“, so Stamp.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte am Sonntag schärfere Kontaktbeschränkungen und Ausgehverbote angekündigt. In einer Regierungserklärung am Dienstag begrüßte er den von der Nationalen Wissenschaftsakademie Leopoldina geforderten harten Lockdown mit Geschäftsschließungen ab Weihnachten. Wenn sich die Ministerpräsidentenkonferenz auf diesen Weg einige, werde Bayern ihn mittragen, sagte der CSU-Chef.
Angesichts anhaltend hoher Infektionszahlen spricht sich die Nationale
Wissenschaftsakademie Leopoldina für eine drastische Verschärfung der Corona-Beschränkungen bereits ab kommender Woche aus. Die Feiertage und der Jahreswechsel sollten für einen „harten Lockdown“genutzt werden, um die deutlich zu hohen Neuinfektionen schnell zu verringern, heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme. In einem ersten Schritt soll den Wissenschaftlern zufolge die Schulpflicht ab kommendem Montag bis zu den Weihnachtsferien aufgehoben werden. Ab 24. Dezember bis mindestens 10. Januar solle dann „in ganz Deutschland das öffentliche Leben weitgehend ruhen“.
Mehrere Landesregierungen kündigten inzwischen an, ihre Corona-Maßnahmen anzupassen. In Rheinland-Pfalz sollen die geltenden Auflagen allenfalls über Weihnachten gelockert werden, aber nicht mehr über Silvester. Sachsen steuert gar auf einen harten Lockdown ab Montag zu. Schulen, Kitas und Geschäfte sollen dort schließen, sagte Ministerpräsident Michael
Kretschmer (CDU). Nur lebensnotwendige Läden sollen analog dem Vorgehen im Frühjahr offen bleiben. Die Maßnahmen sind bis zum 10. Januar vorgesehen. Ob es in dieser Woche zu einer weiteren Ministerpräsidentenkonferenz kommen wird, blieb am Dienstag offen. Neben NRW soll auch die Landesregierung von Niedersachsen sich eher zurückhaltend gezeigt haben. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ist hingegen offen für Schließungen im Einzelhandel.
Der Handelsverband NRW stellte für den Fall des harten Lockdowns eine klare Forderung: „Wer solche Entscheidungen will, muss auch klar sagen, wer das bezahlt, sprich: für die Umsatzausfälle der Händler aufkommt“, sagte Peter Achten, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes NRW, unserer Redaktion. Der Handel sei bisher kein Hotspot gewesen. Schon durch die aktuellen Einschränkungen fürchtet die Branche in NRW im Weihnachtsgeschäft einen Umsatzrückgang in Milliardenhöhe.
Leitartikel, Politik