Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Vier Wege aus der Verschuldung
Der Bundeshaushalt 2021 ist geprägt von der Krise: Die Ausgaben steigen auf fast eine halbe Billion, ein Drittel wird finanziert durch neue Kredite. Finanzminister Olaf Scholz hat damit kein Problem. Union, AfD und FDP aber schon.
Der„wirtschaftskompetenteste Kanzler, den man kriegen kann“, sagte Olaf Scholz in einem Interview an diesem Wochenende, „heißt Olaf Scholz“. Ein zu geringes Selbstbewusstsein zeichnet ihn also nicht aus, den bislang einzigen Kanzlerkandidaten der im Bundestag vertretenen Parteien.
Der Finanzminister trägt es auch an diesem Dienstag zu Beginn der Bundestags-Haushaltswoche zur Schau. Der Staat, sagt Scholz freiredend, habe mit seinen massiven Unterstützungsleistungen dazu beigetragen, „dass wir gut durch diese Krise kommen“. Konjunktur und Beschäftigung liefen aktuell sogar besser als in allen Prognosen vorhergesagt. Sämtliche internationale Organisationen und Ökonomen würden die expansive Finanzpolitik der Bundesregierung loben. „Das ist der Goldstandard. So muss man das machen“, lobt sich Scholz selbst.
Doch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) holt ihn anschließend schnell zurück auf den Boden: Scholz kassiert einen Rüffel vom Chef des Hauses, weil er beim Weggehen vom Rednerpult keine Maske getragen hat.
Einen ungleich größeren Dämpfer müsste Scholz einstecken, sollte seine Kampagne für den Bundestagswahlkampf 2021 nicht zünden. Noch bringt es seine SPD höchstens auf die Hälfte der Umfragewerte der Union. Aber das soll sich ändern, sobald die Bürger realisieren, wie der erfahrene Fahrensmann Scholz das Land sicher durch die Krise steuert. Dafür nimmt er viel Geld in die Hand: Scholz hat die Neuverschuldung im Einvernehmen mit dem Koalitionspartner im laufenden und kommenden Jahr um 350 Milliarden Euro in die Höhe geschraubt. Knapp eine halbe Billion Euro will Scholz im kommenden Jahr ausgeben, ein Drittel davon auf Pump finanziert. Die Frage, ob und wie diese Schulden abgetragen werden, wird den Wahlkampf prägen. Dessen Konturen zeichnen sich schon ab, den Parteien stehen vier Wege zur Verfügung.
Wirtschaftswachstum Scholz setzt auf die Rückkehr des Wachstums, das wieder höhere Steuereinnahmen in die Kassen des Staates spülen werde und den Schuldenberg automatisch abtrage. Wie nach der Finanzkrise 2009 soll die Wirtschaft auch nach der Corona-Krise wie ein Phönix aus der Asche auferstehen. Zuversichtlich stimmt Scholz, dass die Schuldenquote nach der Finanzkrise vor zwölf Jahren 80 Prozent der Wirtschaftsleistung betrug, während jetzt eine deutlich geringere Quote von „nur“72 Prozent absehbar sei.
Es ist ein Naturgesetz der Konjunktur, dass die Wirtschaft irgendwann wieder wächst, wenn sie zuvor fast stillgestanden hatte und ihr massiv Auslandsaufträge weggebrochen waren, die allmählich zurückkommen. Aber im Unterschied zur Finanzkrise ist von der Pandemie nicht nur der Finanzsektor, sondern die gesamte Wirtschaft betroffen, und zwar weltweit. Und gerade stellt sich heraus, dass die Impfung der Bevölkerung doch länger dauern wird als erhofft, der Lockdown doch noch schärfer ausfallen muss und dass die angekündigte staatliche Novemberhilfe für Unternehmen wegen Software-Problemen erst im kommenden Jahr fließen kann. Zudem ist eine dritte Corona-Welle nicht ausgeschlossen und damit auch der Rückfall in eine erneute Rezession. Allein auf die Option Wirtschaftswachstum zu setzen, kann riskant sein, zumindest im Wahlkampf.
Olaf Scholz (SPD) Bundesfinanzminister, zur expansiven Finanzpolitik der Regierung
Schuldenbremse Die Linken wollen sie abschaffen, die Grünen wollen sie so reformieren, dass künftig deutlich mehr Zukunftsinvestitionen etwa in den Klimaschutz möglich werden. Auch Teile der SPD sympathisieren mit der Option, dauerhaft ein höheres Defizit zu fahren, als es die Schuldenbremse im Grundgesetz bisher zulässt. Schließlich verdiene der Bund aufgrund der Negativzinsen Geld mit seinen Bundesanleihen. Und mehr Zukunftsinvestitionen bedeuteten staatliche Vermögensbildung, lauten die Argumente. Dafür bräuchten die Befürworter Zwei-Drittel-Mehrheiten im Bundestag und im Bundesrat. Union, FDP und AfD sind offiziell gegen ein Herumbasteln an der Schuldenbremse. Sie haben jedoch auch kein Patentrezept für den schon ab 2022 nötigen massiven Defizitabbau und die Finanzierung der beschlossenen Tilgungspläne.
Ausgabenkürzungen Der Haushaltsausgleich seit 2014 gelang nicht nur, weil das Wirtschaftswachstum nach der Finanzkrise wieder angesprungen war, sondern weil das Ausgabenwachstum gedrosselt wurde. Ob dies angesichts der Demografie und des Klimawandels ab 2022 abermals gelingt, ist fraglich. Die Union dürfte sich schwertun, Kürzungsvorschläge im Wahlkampf zu konkretisieren. Die FDP ist dafür, Linke und Grüne sind strikt dagegen.
„Das ist der Goldstandard. So muss man das machen“
Steuererhöhungen Die Parteien im linken Spektrum wollen die Steuerbelastungen für Vermögende und Besserverdienende erhöhen. Linke und Grüne sind für Vermögensabgaben, Scholz mogelt sich um eine Antwort noch herum. Fest steht für den Kanzlerkandidaten und die SPD, dass „starke Schultern“künftig mehr tragen sollen. Wer stark ist, lässt sich aus dem letzten SPD-Wahlprogramm ablesen: 2017 wollte die SPD den Spitzensteuersatz ab einem zu versteuernden Einkommen von 60.000 Euro im Jahr anheben, bis er ab 76.000 Euro bei 45 Prozent liegen sollte. Mitunter ist in der SPD auch von einem „Corona-Soli“die Rede. Die Union ist, bislang jedenfalls, wie schon 2017 gegen höhere Steuerbelastungen, die FDP kämpft sogar für Entlastungen.
Das Thema Steuererhöhungen wird der SPD nicht schaden, sondern helfen, solange die Mehrheit glaubt, dass es sie selbst nicht trifft. „Diejenigen, die sehr viel leisten können“, müssten künftig einen höheren Beitrag leisten, sagt Scholz kämpferisch im Bundestag. Als ob jetzt schon Wahlkampf wäre.