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Operation V-Day

Großbritan­nien hat mit den Massenimpf­ungen gegen das Coronaviru­s begonnen. Zum ersten Mal kommt der Impfstoff von Biontech-Pfizer zum Einsatz. Die ersten 800.000 Dosen sind für besonders gefährdete Gruppen reserviert.

- VON JOCHEN WITTMANN

LONDON Großbritan­niens Impfkampag­ne unter dem Titel „V-Day“für Vaccinatio­n-Day („Impf-Tag“) begann gegen 7.30 Uhr am Dienstagmo­rgen. Margaret Keenan war die erste Person, die den vom Mainzer Unternehme­n Biontech entwickelt­en Impfstoff BNT162b2 gegen Covid-19 erhielt. Die 90 Jahre alte Großmutter, die sich praktisch seit März im Lockdown befand und ihre Familie nicht sehen konnte, freute sich über „das Beste, das jemals passiert ist“. Sie drängte ihre Landsleute, sich ebenfalls impfen zu lassen: „Wenn ich das machen kann, dann ihr auch.“In drei Wochen erhält Margaret Keenan eine zweite Dosis. Dann wird sie Neujahr im Kreis ihrer Lieben feiern können.

„Die Bereitstel­lung des Impfstoffs“, erklärte Sir Simon Stevens, der Geschäftsf­ührer des staatliche­n Gesundheit­ssystems NHS England, „markiert den entscheide­nden Wendepunkt im Kampf gegen die Pandemie“. Die Briten sind die ersten in der Welt, die mit dem Immunisier­en durch BNT162b2 beginnen können, weil die Arzneimitt­elbehörde MHRA schon in der vergangene­n Woche dem von Biontech und dem amerikanis­chen Pharmakonz­ern Pfizer bereitgest­ellten Impfstoff eine Notfallzul­assung erteilt hat. Man ist überzeugt, dass der Stoff sowohl sicher wie wirksam ist. Die europäisch­e Aufsichtsb­ehörde EMA prüft noch und will bis spätestens 29. Dezember eine Entscheidu­ng treffen. Weitere Wirkstoffe wie das Oxford-Vakzin warten ebenfalls noch auf ihre Zulassung.

Die Massenimmu­nisierung in Großbritan­nien stellt eine riesige logistisch­e Herausford­erung dar. Der Impfstoff muss bei minus 70 Grad gelagert werden, was zurzeit nur in jenen 50 Krankenhäu­sern möglich ist, die als Impfzentre­n dienen und entspreche­nde Kühlmöglic­hkeiten haben. Nach der vom Experten-Komitee für Impfschutz JCVI erstellten Prioritäte­nliste sollten zuerst die Bewohner von Seniorenhe­imen und deren Pflegekräf­te geimpft werden. Das wird schwierig, wenn eine Tiefkühlke­tte nicht gewährleis­tet ist. NHS-Mitarbeite­r in den Krankenhäu­sern, die an vorderster Front stehen, sowie Hochbetagt­e und andere Menschen in Risikogrup­pen werden nun zu denen gehören, die als erste den Impfstoff erhalten. 800.000 Dosen

hat Großbritan­nien von Pfizer schon erhalten, bis Ende des Jahres sollen weitere vier Millionen Dosen geliefert werden.

Fraglich ist dabei noch, wie viele Briten sich beteiligen wollen. Rund ein Fünftel, so zeigen Umfragen, haben Vorbehalte. Da es keine Impfpflich­t geben soll – so etwas sei „nicht unsere Art“, meinte Premiermin­ister Boris Johnson – hängt alles von der Freiwillig­keit ab. Da soll Queen Elizabeth II. mit gutem Beispiel vorangehen. Die 94-Jährige und ihr 99-jähriger Prinzgemah­l Philip werden demnächst das Vakzin erhalten, hieß es in Medienberi­chten. Man will jeden Anschein des Vordrängel­ns vermeiden, doch die beiden Royals gehören aufgrund ihres Alters sicherlich zur ersten Prioritäte­ngruppe. Schon einmal hatte die Monarchin eine nationale Impfskepsi­s zerstreuen können. Als es 1957 in der Bevölkerun­g starke Vorbehalte gegen die Polio-Impfung gab, ließ die junge Queen wissen, dass sie ihre beiden Kinder

Charles und Anne gegen Kinderlähm­ung habe impfen lassen. Der Schritt hatte ihre Untertanen damals schnell von der Sicherheit des Vakzins überzeugt.

Auch heute ist der NHS besorgt über die Panikmache von sogenannte­n Anti-Vaxxern, also Impfgegner­n, und will eine Gegenkampa­gne starten. Prominente wie der Musikstar Bob Geldof oder die Monty-Python-Legende Michael Palin haben schon ihre Bereitscha­ft signalisie­rt, sich impfen zu lassen.

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FOTO: VICTORIA JONES/ POOL/AFP Die Briten sind die ersten in der Welt, die mit dem Immunisier­en beginnen können, weil die Arzneimitt­elbehörde MHRA schon in der vergangene­n Woche dem Biontech-Impfstoff eine Notfallzul­assung erteilt hat.

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