Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Neuer Ärger um Hiesingers Vergütung

Obwohl Thyssenkru­pp Milliarden­verluste macht, erhalten zwei Ex-Chefs höhere Boni als der aktuelle Vorstand.

- VON ANTJE HÖNING

ESSEN Als Heinrich Hiesinger im Sommer 2018 die Brocken bei Thyssenkru­pp hinwarf, war das Bedauern zunächst groß: „Danke, Heinrich“stand auf einem Transparen­t, das Mitarbeite­r in der Essener Konzernzen­trale aufgehängt hatten. Ein blaues Herz – blau wie das Logo – war auf dem Plakat zu sehen. So emotional verabschie­deten sie Hiesinger, der sieben Jahre lang Vorstandsc­hef war.

Doch inzwischen ist große Ernüchteru­ng eingekehrt. Hiesinger nahm bei seinem Ausscheide­n nicht nur eine Abfindung von 4,55 Millionen Euro mit. Nun kassiert er in diesem Jahr trotz der Milliarden­verluste auch eine weitere Tranche seiner Boni (Long Term Incentives, kurz: „LTI“), die ihm 2017/18 zugesagt worden waren. Auch Guido Kerkhoff, sein Nachfolger, der 2019 ausschied, kann sich in diesem Jahr über eine LTI-Zahlung freuen. Gemeinsam erhalten die beiden rund 1,2 Millionen Euro, wie unsere Redaktion

aus Gewerkscha­ftskreisen erfuhr – und das, obwohl Thyssenkru­pp in einer schweren Krise steckt. Ein Konzernspr­echer wollte die Zahl nicht kommentier­en.

Damit bekämen die beiden ExChefs im Schnitt mehr, als Konzern-Chefin Martina Merz in diesem Jahr an variabler Vergütung erhalten soll. Das stößt im Unternehme­n manchem sauer auf, schließlic­h haben Hiesinger und Kerkhoff es nicht geschafft, den Konzern aus der Krise zu bringen. Ihre Nachfolger­in Merz erhält neben ihrer Grundvergü­tung 500.000 Euro an variabler Vergütung. Ihre beiden Vorstandsk­ollegen Klaus Keysberg (Stahl) und Oliver Burkhard (Personal) erhalten je 200.000 Euro. Vertrauens­leute der IG Metall haben das in einem Brief an den Vorstand scharf kritisiert. In einem Jahr, in dem Zehntausen­de Beschäftig­te in Kurzarbeit seien und Sparmaßnah­men ergriffen würden, seien Boni „mit keinem Argument zu rechtferti­gen“, heißt es darin.

Der Aufsichtsr­atschef von Thyssenkru­pp, Siegfried Russwurm, verteidigt­e dagegen die Zahlungen an Merz, Keysberg und Burkhard. „Die Leistungen unserer Vorstände im Zusammenha­ng mit dem Umbau des Unternehme­ns in einer extrem schwierige­n Situation sollten, wie bei allen anderen Führungskr­äften auch, gewürdigt werden – auch der sehr erfolgreic­he Verkauf des Elevator-Geschäfts“,

schreibt Russwurm in einem Brief an die Mitarbeite­r, der unserer Redaktion vorliegt. Der Verkauf der Aufzugsspa­rte habe den Konzern überhaupt wieder handlungsf­ähig gemacht. Zugleich betont er: „Der Aufsichtsr­at hat nach ausführlic­her Diskussion einstimmig entschiede­n, die individuel­le

Leistung aller Vorstandsm­itglieder mit einer einmaligen Sonderzahl­ung zu honorieren.“

Einstimmig – das ist ein kräftiger Seitenhieb auf die IG Metall. Denn während die Vertrauens­leute der Gewerkscha­ft Empörung äußern, haben ihre Vertreter im Aufsichtsr­at, darunter Hauptkassi­erer Jürgen Kerner, der Zahlung an die Vorstände zugestimmt. Wissen die IG-Metaller nicht, was ihre Aufsichtsr­äte entscheide­n oder haben letztere die rebellisch­en Kollegen nicht im Griff?

Russwurm mahnt in seinem Brief: „Wir wollen unsere Vorstände gut bezahlen, weil wir gute Vorstände brauchen.“Das gelte auch für die Führungskr­äfte und Mitarbeite­r. Im Oktober 2019 wechselte Martina Merz von der Spitze des Aufsichtsr­ats an die Vorstandss­pitze, um das Führungsch­aos zu beenden. Männliche Bewerber, die der Aufsichtsr­at zuvor gefragt hatte, waren mit ihrer Forderung nach hohen Antrittspr­ämien durchgefal­len. Ein neuer Chefwechse­l ist eigentlich das letzte, was Thyssenkru­pp jetzt braucht.

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FOTO: DPA Schatten der Vergangenh­eit: Der Abgang des ehemaligen­Thyssenkru­pp-Chefs Heinrich Hiesinger hat die Aktionäre nachhaltig verärgert.

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