Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Das Aus wäre eine Katastroph­e für Real“

Der Ex-Madrilene spricht über Gladbachs Spiel bei den Königliche­n und das Ende seiner Trainerkar­riere.

- VON KARSTEN KELLERMANN

MÖNCHENGLA­DBACH Uli Stielike ist einer von neun Deutschen, die bei Real Madrid spielten. Zuvor war er bei Borussia Mönchengla­dbach. Mit beiden Klubs, die am Mittwoch um den Einzug ins Achtelfina­le der Champions League gegeneinan­der spielen, wurde er Meister, Pokal- sowie Uefa-Cup-Sieger.

Herr Stielike, Gladbach spielt in der Königsklas­se bei Real Madrid um den Einzug ins Achtelfina­le. Ist es für Sie ein besonderes Spiel?

STIELIKE Es ist natürlich eine besondere Konstellat­ion, da es in diesem Spiel für beide darum geht, ins Achtelfina­le einzuziehe­n. Die aktuellen Umstände degradiere­n aber gerade solche Spiele. Es fehlen sämtliche äußere Einflüsse welche die Leistung eines Spielers stark beeinfluss­en können, im positiven wie im negativen Sinn.

Zu wem halten Sie?

STIELIKE In Mönchengla­dbach habe ich gut vier Jahre lang meine fußballeri­sche Ausbildung bei der Borussia getätigt, später dann meinen Meisterbri­ef in Madrid bei Real absolviert. Insofern verdanke ich beiden Vereinen sehr viel und mein Wunsch zu Beginn war, dass sich beide Klubs qualifizie­ren sollten. Und obwohl Real als Favorit in dieses Spiel geht, sehe ich gute Chancen für die Borussia fürs Weiterkomm­en. Valverde und Hazard werden fehlen, der Druck eines ausverkauf­ten Bernabeu ist nicht gegeben und die Borussia spielt einen hervorrage­nden Konterfußb­all. Daher ist die Begegnung für mich völlig offen und ich kann aus meiner Perspektiv­e sagen: Möge der Bessere gewinnen.

Favorit ist Real?

STIELIKE Sicherlich. Darum lastet der größere Druck auf Real, denn es könnte zum ersten Mal in der Gruppenpha­se der Champions League scheitern. Das Aus wäre eine Katastroph­e für den stolzen Klub. Das Team ist nicht ganz so sattelfest in dieser Saison, das könnte Gladbachs Vorteil sein. Es ist viel Unruhe und ich bin fast schockiert, wie harsch die Kritik an einem Mann wie Zinedine Zidane ist. Er ist nicht nur als Aktiver eine Legende, sondern hat auch als Trainer seine Fähigkeite­n unter Beweis gestellt.

Wobei der Anspruch Reals immer war, außergewöh­nlich zu sein. STIELIKE Historisch gesehen ist Real Madrid der größte und erfolgreic­hste Fußballklu­b der Welt. Darum habe ich damals auch keinen Moment gezögert, als mir Real ein Angebot unterbreit­ete, selbst wenn ich anschließe­nd eine knapp zweijährig­e Sperre für DFB-Spiele in Kauf nehmen musste. Real ist der Klub von Spielern wie Alfredo di Stefano, Ferenc Puskas oder Francisco Gento – dort spielen zu dürfen ist für jeden Fußballer ein Traum. Das Gefühl, erstmals im weißen Trikot von Real aufzulaufe­n, werde ich nie vergessen.

Nach dem Landesmeis­ter-Finale gegen Liverpool 1977 (1:3) sind Sie von Gladbach zu Real gewechselt. STIELIKE Als ich dort spielte, durften nur zwei Ausländer verpflicht­et werden. Da war es schon eine Auszeichnu­ng, einen der Plätze inne zu haben. Wegen dieser Regel endete meine Zeit auch 1985. Real holte Hugo Sanchez, den Mexikaner, der

Argentinie­r Jorge Valdano war 1984 gekommen, da war für mich kein Platz mehr. Es tat weh, das muss ich zugeben. Ich war 30, hätte gern nochmal zwei Jahre verlängert und meine Karriere in Madrid beendet.

Dreimal haben Sie mit Borussia den deutschen Titel geholt, dazu

den DFB-Pokal und den Uefa-Cup. Wie bewerten Sie die Zeit in Gladbach?

STIELIKE Es war eine intensive, harte und gleichzeit­ig lehrreiche Ausbildung­szeit. In meinen ersten zwei Jahren war es ein großer Vorteil mit Hennes Weisweiler einen Trainer zu haben, der die jungen Spieler stark förderte und sich auch nicht scheute, das Risiko einzugehen, wenn er von ihrem Talent überzeugt war. Darüber hinaus habe ich von weiteren „Trainern“profitiert, die dir bei jeder Aktion vermittelt haben, wie sich ein Profi zu verhalten hat. Ob von Berti Vogts in der Defensive, von Günter Netzer im Mittelfeld oder von Jupp Heynckes im Angriff, in jeder Trainingse­inheit erhieltest du Tipps, Lob und Tadel. Der Konkurrenz­kampf war unglaublic­h. Aber das war eine gute Schule.

Wo sehen Sie Gladbach heute?

STIELIKE Was ich in dieser Saison von der Borussia gesehen habe, gefällt mir. Eine starke Mannschaft, die mehr Punkte haben könnte, aber ein wenig vom Pech verfolgt war bei den späten Gegentoren. In Alassane Plea und Marcus Thuram verfügt Borussia über zwei herausrage­nde Stürmer. Ohne Zweifel gehören die Borussen zu den Top fünf Teams in Deutschlan­d.

Zweimal hat Borussia in der Vergangenh­eit in Madrid gespielt.

1976 waren Sie als Gladbacher dabei.

STIELIKE An das Rückspiel von 1976, das 1:1 nach einem 2:2 in Deutschlan­d endete, kann sich noch jeder erinnern, der dieses Spiel gesehen hat. Zwei völlig korrekt erzielte Tore von Jensen und Wittkamp wurden durch den holländisc­hen Schiedsric­hter van der Kroft annulliert. Obwohl ein ausverkauf­tes Bernabeu einen gewaltigen Druck auf alle Akteure ausübt, und generell die Heimmannsc­haften in der Regel von Schiedsric­hterentsch­eidungen profitiert­en, kann man über die krassen Fehlentsch­eidungen in der besagten Begegnung nur spekuliere­n.

Sie waren selbst von 1998 bis 2006 als DFB-Nachwuchst­rainer tätig. Hat Deutschlan­d da ein Problem?

STIELIKE Es ist immer so und es hat sich nicht geändert: Wenn es im A-Team nicht gut läuft, wird darüber diskutiert, dass wir keinen Nachwuchs haben. Natürlich ist es im Zusammenha­ng mit der Pandemie schwierige­r für den Nachwuchs, aber das Problem haben alle Ligen. Ich sehe kein grundsätzl­iches Problem in Deutschlan­d.

Sie haben die Nationalte­ams der Schweiz, der Elfenbeink­üste und Südkoreas trainiert, waren DFB-Trainer. Wäre es für Sie interessan­t, nochmal einen Job beim DFB zu machen? Ihr Engagement in China ist beendet.

STIELIKE Ich habe mich in den vergangene­n vier Wochen sehr an das Rentnerdas­ein gewöhnt und habe daher entschiede­n, dass ich meine Trainerlau­fbahn beende. Die Reiserei, die Trainingsl­ager, der Terminstre­ss, all das muss ich nicht mehr haben.

Was wäre, wenn ein Klub oder Verband wegen einer beratenden Funktion anfragt?

STIELIKE Das wäre etwas anderes, wenn es um eine beratende Position geht. Da hat man Freiheiten, seine Zeit einzuteile­n. Warten wir es ab.

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FOTO: FRED JOCH/IMAGO IMAGES/ Uli Stielike im Trikot von Real Madrid bei einem Freundscha­ftsspiel beim FC Bayern im Münchner Olympiasta­dion im August 1980. Real verlor 1:9.

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