Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Ein neuer Böhmermann-Hit
Der Satiriker hat mit dem Musikvideo „Bürgermeister“seine Karriere als Rapper beendet. In dem Song geht es um den Bürger als Souverän – und einen Gastauftritt.
DÜSSELDORF Die Revolution beginnt in diesem Lied in der Ratssitzung. Die Kommunalpolitik – sonst eher als unattraktiv für junge Leute verschrien – wird plötzlich zum Ursprung der Wende. Da werden Wahlplakate erstellt, Schilder bemalt, Kompromisse geschlossen und Argumente des Gegners so rational auseinandergenommen, dass im wahrsten Sinne des Wortes Schreibtische zersägt werden. Radikale Demokratie! Selten wurde in deutschen Rathäusern wohl so viel Hip-Hop getanzt.
Die Ausschnitte sind Teil des Musikvideos „Bürgermeister“von Böhmermanns Gangsta-Rapper-Kunstfigur, das am Freitag bei Youtube hochgeladen und bereits über 800.000 mal aufgerufen wurde. Als der „Soundtrack zum Wahljahr 2021“kündigte er das Lied in seiner Sendung „ZDF Magazin Royale“an.
Der neue Song ist bereits der fünfte, den Jan Böhmermann (auch in Wirklichkeit Sohn eines Polizisten) unter dem Pseudonym „POL1Z1STENS0HN“herausgebracht hat. Nachdem er sich mit den Liedern „Ich hab Polizei“und „Recht kommt“bereits an der Exekutive und der Judikative abgearbeitet hatte, sei nun die Legislative dran. Der Bürgermeister gehört da eigentlich nicht zu, klar. Der Titel solle aber eher als Wortspiel verstanden werden. Es gehe nicht um das Amt des Bürgermeisters, sondern um den Bürger als Souverän. „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“. Oder wie es in dem Song heißt: „Ich bin Bürgermeister, Mama! Ich mach’ das Gesetz!“
Der Gegner im Video ist demzufolge: ein klischeebeladener Kleinstadt-Bürgermeister mit Halbglatze, der seine Zigarre in seinem
Böhmermann / POL1Z1STENS0HN Zeile aus aus seinem aktuellen Rap-Song „Bürgermeister“
Büro genussvoll auf dem Bürgerlichen Gesetzbuch ausdrückt. Nicht gerade das beste Bild eines Bürgermeisters. Aber es gibt in dem Video ja den „POL1Z1STENS0HN“, der mit dunklem Wagen mit Kennzeichen „L-EX-1949“(eine Anspielung auf das Grundgesetz) um die Ecke kommt und alle dazu auffordert, sich selbst politisch einzubringen.
Musikvideo und Song sind dabei erstaunlich gut produziert. Es gibt Weltuntergangs-Sound mit Brechstangen-Beats und Lyrics, die zwischen Latein-Unterricht und Hip-Hop-Referenzen schwanken. Etwas für den Deutsch-Leistungskurs zum Interpretieren sei das, sagte Böhmermann augenzwinkernd in seiner Sendung.
Dabei orientiert er sich in Stil und abgehaktem Sprachduktus erneut stark an dem Offenbacher Rapper Haftbefehl („Chabos wissen wer der Babo ist“). Haftbefehl, dessen Texte mittlerweile selbst in den Feuilleton-Teilen vieler Zeitungen ganz selbstverständlich besprochen werden, lässt Präpositionen und Artikel weg und benutzt oft Worte, die nur Menschen verstehen, die wie er aufgewachsen sind.
Dass Jan Böhmermann sich in seinem Auftreten so stark an dem Rapper orientierte, kam nach seinen ersten Videos gemischt an. Während Jan Böhmermanns erster Song „Ich hab Polizei“in den Youtube-Kommentaren überwiegend gefeiert wurde, kam von einigen Journalisten auch Kritik. Böhmermann mache sich aus einer überheblichen Position heraus nicht nur über Haftbefehl lustig, sondern auch über ein ganzes Genre – ohne sich zuvor näher mit dessen Bedeutung als Sprachrohr für von Marginalisierung betroffenen Menschen auseinandergesetzt zu haben.
Umso überraschender darum der Cut, der in dem neuen Video „Bürgermeister“etwa ab Minute 3:08 passiert. Dort tritt Haftbefehl persönlich dazu, Böhmermann und er nicken sich kurz zu und reichen sich dann die Hände. Alles also wieder gut.
„Ich bin Bürgermeister, Mama! Ich mach’ das Gesetz!“