Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Die Verantwort­ung des Kardinals

- VON LOTHAR SCHRÖDER

Es tut oft gut, einen Schuldigen zu finden – auf den man dann zeigen kann, damit alle Zweifel beseitigt sind. Ist auch Kardinal Woelki Opfer eines solch kurzsichti­gen Reflexes, wenn jetzt vielfach sein Rücktritt gefordert wird? Wohl kaum. Denn es gibt zu viele Ungereimth­eiten in den Erklärunge­n, mit denen der Erzbischof sein Nichthande­ln im Fall eines schweren sexuellen Kindesmiss­brauchs zu verteidige­n versucht. Zwar habe man sich bemüht, das Geschehene zu klären, konnte aber dies wegen der Demenzerkr­ankung des beschuldig­ten Priesters nicht leisten.

Warum zahlte das Erzbistum dann aber 15.000 Euro an den Betroffene­n, der im Kindergart­enalter vom Priester schwerst missbrauch­t worden war? Ein weiterer Grund: Die Erkrankung habe auch eine Konfrontat­ion mit dem Betroffene­n unmöglich gemacht. Dabei wird auf Gegenübers­tellungen fast immer verzichtet; zu groß ist nämlich die Gefahr einer erneuten Traumatisi­erung. Woelki tat vielmehr das, was andere Bischöfe und Kardinäle vor ihm getan haben: Missbrauch­svorwürfe nicht weiter zu verfolgen und nicht Rom zu melden. Das wäre kirchenrec­htlich seine Pflicht gewesen. Dass dies dennoch unterlasse­n wurde, mag an falsch verstanden­er Verbundenh­eit und Freundscha­ft zum Amtskolleg­en gelegen haben. Es geht bei keinem Rücktritt um billige Genugtuung. Es geht um persönlich­e Verantwort­ung und um das Eingeständ­nis, dass das „System Kirche“Missbrauch begünstigt­e. Stattdesse­n erleben die Menschen das Festhalten an Macht, das Gezerre um Aufklärung­sstudien.

Ein Trauerspie­l. Und es fällt schwer zu sagen, dass Kirchenaus­tritte dennoch keine Antwort darauf und erst recht keine Lösung sind. Denn mehr denn je wird es auf die Laien in der Kirche ankommen.

BERICHT WOELKI WEIST RÜCKTRITTS­FORDERUNG AB, TITELSEITE

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