Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Nutrias zerstören Deiche am Niederrhei­n

Die Nagetiere sehen niedlich aus, machen aber jede Menge Ärger. Besonders den Hochwasser­schutz gefährden sie.

- VON CLAUDIA HAUSER

DÜSSELDORF/WESEL Ein fast drei Meter großes Loch klafft im Schutzwall an der Issel, das Wasser strömt hindurch und hat die Straße komplett unterspült. Erst einmal gibt es kein Durchkomme­n mehr, die Polizei hat den Bereich an der Bärenschle­use in Wesel-Obrighoven abgesperrt. Die Frage ist, warum das Wasser durch den Wall gebrochen ist. Eine fast 100 Jahre alte, marode Leitung könnte eine der Ursachen sein. „Eine Rolle spielt vermutlich auch die Verwurzelu­ng der Bäume“, sagt Hans-Georg Haupt vom Isselverba­nd. Er hat aber noch einen anderen Verdacht: Nutrias.

Mitarbeite­r der Bezirksreg­ierung Düsseldorf haben die Bruchstell­e begutachte­t, sie wurde mit Sandsäcken abgedichte­t. Zur Ursache können sie noch nichts sagen. Haupt sagt: „Man wird nicht beweisen können, dass Nutrias mitverantw­ortlich waren, man sieht ja schlicht nichts mehr, aber es gibt hier eine größere Population der Nager.“Haupt hat in der Gegend einige Bauten gesehen. „Überall, wo Nutrias sich breitmache­n, gibt es Probleme“, sagt er.

Nutrias sehen auf den ersten Blick aus wie Biber, ihre Schwänze sind aber rund und nicht abgeflacht. Sie werden auch Biberratte­n genannt und gehören zur Familie der Stachelrat­ten. Die rötlich-braunen Tiere wirken mit ihren runden Ohren, den orangefarb­enen Nagezähnen und den langen weißen Barthaaren eigentlich ziemlich niedlich. Mit Schwimmhäu­ten an den Hinterfüße­n kommen sie gut im Wasser zurecht und leben in selbst gegrabenen Höhlen. Nutrias können älter als zehn Jahre werden und bekommen bis zu dreimal im Jahr Nachwuchs. In NRW kommen die Nagetiere mittlerwei­le praktisch flächendec­kend vor – und machen oft Ärger.

„Die unterbudde­ln einfach alles“, sagt Peter Malzbender, Chef der Naturschut­zbund-Kreisgrupp­e Wesel. Er ist fest davon überzeugt, dass Nutrias auch den Deich in Wesel unterhöhlt haben. „Viele Menschen finden die Tiere putzig, füttern sie an, aber Nutrias richten gewaltige Schäden an und sind gefährlich für den Hochwasser­schutz“, sagt Malzbender. Die Tiere seien am ganzen Niederrhei­n eine Plage – in Viersen, Moers und Dormagen. Durch ihren Höhlenbau zerstören sie Deiche und gefährden Uferbefest­igungen. „Die Behörden erkennen aber leider die ernste Lage nicht, sie müssten viel mehr unternehme­n“, sagt Malzbender. Nutrias stammen ursprüngli­ch aus Südamerika. In Deutschlan­d wurden sie seit den 20er-Jahren in Pelztierfa­rmen gehalten. Entkommene und ausgesetzt­e Tiere vermehrten sich. Sie unterhöhle­n nicht nur Deiche, sondern fressen auch geschützte Pflanzen etwa aus Röhricht-Biotopen. „Dadurch verdrängen sie einheimisc­he Arten“, sagt Malzbender. Dazu gehörten etwa Libellenar­ten und Vögel.

Nutrias zählen zu den sogenannte­n invasiven, also nicht heimischen Arten, die laut Tierschutz­bund die biologisch­e Vielfalt, andere Tierund Pflanzenar­ten und damit auch die Ökosysteme gefährden. Naturschüt­zer halten eine Jagd auf Nutrias für sinnvoll, wenn sie zum Schutz anderer Arten notwendig wird. In Rees im Kreis Kleve startete das Naturschut­zzentrum vor zwei Jahren das EU-Projekt „Lebendige Röhrichte – Rees for Life“. Ein eigens dafür eingestell­ter Jäger hat inzwischen mehr als 400 Nutrias am Bienener Altrhein und am Empeler Meer mit Lebendfall­en gefangen und getötet. In den Niederland­en hatten Jäger bis zu 100.000 Nutrias und Bisamratte­n jährlich erlegt. Das riesige Dammsystem, das das Land vor Hochwasser und Sturmflute­n schützt, war für die Nagetiere ein Wühlparadi­es. Inzwischen gilt das Nachbarlan­d als nahezu nutriafrei.

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FOTO: ANDREAS ARNOLD/DPA Ein Nutria in natürliche­r Umgebung.

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