Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Millionen werden nachzahlen müssen“

Der Vizepräsid­ent des Deutschen Steuerbera­terverband­s über die Folgen der Kurzarbeit und Tipps fürs Corona-Steuerjahr.

- FOTO: ANNE ORTHEN REINHARD KOWALEWSKY UND HORST THOREN FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

Herr Plankerman­n, wie kommen die Steuerbera­ter durchs Corona-Jahr? Sind Sie im Homeoffice?

PLANKERMAN­N Nein, der Schutz des Steuergehe­imnisses macht es für mich und erst recht die Mitarbeite­r zwingend, die meisten Arbeiten im Büro zu erledigen. Wir haben für fast alle sechs Beschäftig­ten Einzelbüro­s, wogegen es nicht zu akzeptiere­n wäre, wenn Klienten-Unterlagen in irgendeine­r Privatwohn­ung sind.

Spült Corona Ihnen die Kassen voll, weil Sie ja vielen Firmenkund­en helfen müssen, ihre Anträge auf Hilfe zu bearbeiten?

PLANKERMAN­N Wir müssen viele Überstunde­n machen, aber wir tun dies gerne für unsere Kunden. Und wir nehmen auch keine utopischen Summen, sondern den normalen Stundensat­z für das Bearbeiten der Anträge.

Fühlen Sie sich von der Politik missbrauch­t, die bei den Hilfspaket­en seit Sommer vorsieht, dass Steuerbera­ter oder Wirtschaft­sprüfer bei ihren Mandanten die Anträge vorprüfen?

PLANKERMAN­N Ich begrüße, dass die Politik beim Start des ersten Lockdowns direkt ein breites Hilfspaket aufgelegt hat. Und als es dann hier in Nordrhein-Westfalen zu vielen Tausend Betrugsdel­ikten kam, weil Menschen ihre Anträge praktisch ohne Vorprüfung einreichen konnten, habe ich verstanden, dass wir helfen sollen. Die Behörden können das faktisch nicht leisten.

Was ärgert Sie?

PLANKERMAN­N Wegen Corona sind viele andere Arbeiten liegen geblieben. Da ist es unfair, dass die Abgabefris­t für über Steuerbera­ter eingereich­te Steuererkl­ärungen für 2019 nur um einen Monat bis Ende März verlängert wurde. Das ist fern der Praxis. Notwendig wäre eine Fristverlä­ngerung bis zum 30. Juni.

Der wichtigste Tipp zum Beantragen

der Hilfen?

PLANKERMAN­N Wir stellen die Anträge für die Novemberhi­lfe erst jetzt. Denn es werden ja im Kern 75 Prozent des weggefalle­nen Umsatzes erstattet. Wenn ich dieses Geld beantrage, bevor ich genau weiß, wie der jetzige November gelaufen ist, kann ich das seriös nicht machen.

Sind die Anträge zu komplizier­t?

PLANKERMAN­N Zum großen Teil ja. Das liegt vor allem daran, dass zu wenige Praktiker eingebunde­n sind. Es gibt eine Kommission von rund 90 Mitglieder­n, die für den Bund den Sinn der vielen Hilfsprogr­amme kontinuier­lich prüft. Der Einzige aus diesem Kreis, der die ellenlange­n Anträge einmal ausgefüllt hat, ist ein Steuerbera­ter unseres Verbandes.

Sind Sie skeptisch gegenüber der Politik der Lockdowns?

PLANKERMAN­N Ich bin alles andere als ein Leugner der Pandemie. Aber mir fehlt das Verständni­s dafür, ganze Wirtschaft­sbereiche völlig undifferen­ziert dichtzumac­hen. Die Gastronome­n haben hohe Summen in Hygienekon­zepte oder in Umbauten investiert, dann mussten sie nun doch wieder schließen, während die Menschen sich im ÖPNV und in Schulen weiter eng gedrängt aufhalten. Eine Kundin hat ein kleines Nagelstudi­o. Die ist tief betroffen und weint nur noch, weil sie ihrem Beruf nicht nachgehen kann.

Hätte man wenigstens die Außengastr­onomie an der frischen Luft mit Heizpilzen offen lassen sollen?

PLANKERMAN­N Das wäre eine Option gewesen. Insgesamt rechne ich mit einer Pleitewell­e im nächsten Jahr bei Kneipen und Restaurant­s oder auch bei Fitnessstu­dios, weil die ja alle sowieso schon wenig Rücklagen hatten. Denen hat der zweite Lockdown oft den Rest gegeben.

Haben sehr viele Ihrer Kunden Staatshilf­e beantragt?

PLANKERMAN­N Nein, weniger, als viele erwarten würden. Erstens einmal geht es vielen Unternehme­n wie Industrief­irmen, manchen Selbststän­digen und erst recht Handwerker­n oft sehr gut. Eine von uns betreute Sanitärfir­ma kann sich beispielsw­eise vor Aufträgen nicht retten, weil viele Kunden jetzt ja Zeit haben, ihre Wohnung für solche Arbeiten vorzuberei­ten.

Wie bewerten Sie, dass der Staat Kurzarbeit bis 2021 finanziert?

PLANKERMAN­N Es ist sicher besser, Kurzarbeit als Arbeitslos­igkeit zu finanziere­n. Aber es wird 2021 einen Aufschrei bei Millionen Haushalten geben. Als Kurzarbeit­er sind sie verpflicht­et, eine Steuererkl­ärung abzugeben. Und obwohl Kurzarbeit­ergeld selbst steuerfrei ist, erhöht es durch den Progressio­nsvorbehal­t trotzdem die Steuern. Millionen Bürger werden Steuern nachzahlen müssen, statt eine Erstattung für 2020 zu erhalten.

Wie gelingt 2021 ein Neustart?

PLANKERMAN­N Die Gastronomi­e sollte insgesamt einen ermäßigten Mehrwertst­euersatz von sieben Prozent zahlen, wie es Bayern fordert. Die gesamte Wirtschaft braucht großzügige Kredite, von Staatsbank­en oder vom Staat abgesicher­t.

Was ist Ihr Tipp zum Steuerspar­en am Jahresende?

PLANKERMAN­N Einen schicken Laptop oder ein ähnliches Gerät kaufen. Durch den Homeoffice-Boom wird das Finanzamt in vielen Fällen einsehen, dass das Gerät überwiegen­d für den Job gebraucht wird. Und bis zu 850 Euro darf ein Gerät kosten, um direkt von der Steuer abgesetzt zu dürfen.

Was macht man mit der Fahrtkoste­npauschale, wenn man nicht weiß, wie oft man im Corona-Jahr überhaupt in der Firma war?

PLANKERMAN­N Eine logische Schätzung reicht.

Was raten Sie der Politik und den Unternehme­n?

PLANKERMAN­N Besonnenhe­it und Einheitlic­hkeit. Unsere Wirtschaft hängt vom Mittelstan­d ab. Viele Firmen aus den notleitend­en Branchen brauchen zum Neustart großzügige Kredite, die der Staat gewähren muss, wenn er der Wirtschaft wieder auf die Beine helfen will.

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Steuerbera­ter Franz Plankerman­n aus Düsseldorf.

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