Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
„Millionen werden nachzahlen müssen“
Der Vizepräsident des Deutschen Steuerberaterverbands über die Folgen der Kurzarbeit und Tipps fürs Corona-Steuerjahr.
Herr Plankermann, wie kommen die Steuerberater durchs Corona-Jahr? Sind Sie im Homeoffice?
PLANKERMANN Nein, der Schutz des Steuergeheimnisses macht es für mich und erst recht die Mitarbeiter zwingend, die meisten Arbeiten im Büro zu erledigen. Wir haben für fast alle sechs Beschäftigten Einzelbüros, wogegen es nicht zu akzeptieren wäre, wenn Klienten-Unterlagen in irgendeiner Privatwohnung sind.
Spült Corona Ihnen die Kassen voll, weil Sie ja vielen Firmenkunden helfen müssen, ihre Anträge auf Hilfe zu bearbeiten?
PLANKERMANN Wir müssen viele Überstunden machen, aber wir tun dies gerne für unsere Kunden. Und wir nehmen auch keine utopischen Summen, sondern den normalen Stundensatz für das Bearbeiten der Anträge.
Fühlen Sie sich von der Politik missbraucht, die bei den Hilfspaketen seit Sommer vorsieht, dass Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer bei ihren Mandanten die Anträge vorprüfen?
PLANKERMANN Ich begrüße, dass die Politik beim Start des ersten Lockdowns direkt ein breites Hilfspaket aufgelegt hat. Und als es dann hier in Nordrhein-Westfalen zu vielen Tausend Betrugsdelikten kam, weil Menschen ihre Anträge praktisch ohne Vorprüfung einreichen konnten, habe ich verstanden, dass wir helfen sollen. Die Behörden können das faktisch nicht leisten.
Was ärgert Sie?
PLANKERMANN Wegen Corona sind viele andere Arbeiten liegen geblieben. Da ist es unfair, dass die Abgabefrist für über Steuerberater eingereichte Steuererklärungen für 2019 nur um einen Monat bis Ende März verlängert wurde. Das ist fern der Praxis. Notwendig wäre eine Fristverlängerung bis zum 30. Juni.
Der wichtigste Tipp zum Beantragen
der Hilfen?
PLANKERMANN Wir stellen die Anträge für die Novemberhilfe erst jetzt. Denn es werden ja im Kern 75 Prozent des weggefallenen Umsatzes erstattet. Wenn ich dieses Geld beantrage, bevor ich genau weiß, wie der jetzige November gelaufen ist, kann ich das seriös nicht machen.
Sind die Anträge zu kompliziert?
PLANKERMANN Zum großen Teil ja. Das liegt vor allem daran, dass zu wenige Praktiker eingebunden sind. Es gibt eine Kommission von rund 90 Mitgliedern, die für den Bund den Sinn der vielen Hilfsprogramme kontinuierlich prüft. Der Einzige aus diesem Kreis, der die ellenlangen Anträge einmal ausgefüllt hat, ist ein Steuerberater unseres Verbandes.
Sind Sie skeptisch gegenüber der Politik der Lockdowns?
PLANKERMANN Ich bin alles andere als ein Leugner der Pandemie. Aber mir fehlt das Verständnis dafür, ganze Wirtschaftsbereiche völlig undifferenziert dichtzumachen. Die Gastronomen haben hohe Summen in Hygienekonzepte oder in Umbauten investiert, dann mussten sie nun doch wieder schließen, während die Menschen sich im ÖPNV und in Schulen weiter eng gedrängt aufhalten. Eine Kundin hat ein kleines Nagelstudio. Die ist tief betroffen und weint nur noch, weil sie ihrem Beruf nicht nachgehen kann.
Hätte man wenigstens die Außengastronomie an der frischen Luft mit Heizpilzen offen lassen sollen?
PLANKERMANN Das wäre eine Option gewesen. Insgesamt rechne ich mit einer Pleitewelle im nächsten Jahr bei Kneipen und Restaurants oder auch bei Fitnessstudios, weil die ja alle sowieso schon wenig Rücklagen hatten. Denen hat der zweite Lockdown oft den Rest gegeben.
Haben sehr viele Ihrer Kunden Staatshilfe beantragt?
PLANKERMANN Nein, weniger, als viele erwarten würden. Erstens einmal geht es vielen Unternehmen wie Industriefirmen, manchen Selbstständigen und erst recht Handwerkern oft sehr gut. Eine von uns betreute Sanitärfirma kann sich beispielsweise vor Aufträgen nicht retten, weil viele Kunden jetzt ja Zeit haben, ihre Wohnung für solche Arbeiten vorzubereiten.
Wie bewerten Sie, dass der Staat Kurzarbeit bis 2021 finanziert?
PLANKERMANN Es ist sicher besser, Kurzarbeit als Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Aber es wird 2021 einen Aufschrei bei Millionen Haushalten geben. Als Kurzarbeiter sind sie verpflichtet, eine Steuererklärung abzugeben. Und obwohl Kurzarbeitergeld selbst steuerfrei ist, erhöht es durch den Progressionsvorbehalt trotzdem die Steuern. Millionen Bürger werden Steuern nachzahlen müssen, statt eine Erstattung für 2020 zu erhalten.
Wie gelingt 2021 ein Neustart?
PLANKERMANN Die Gastronomie sollte insgesamt einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent zahlen, wie es Bayern fordert. Die gesamte Wirtschaft braucht großzügige Kredite, von Staatsbanken oder vom Staat abgesichert.
Was ist Ihr Tipp zum Steuersparen am Jahresende?
PLANKERMANN Einen schicken Laptop oder ein ähnliches Gerät kaufen. Durch den Homeoffice-Boom wird das Finanzamt in vielen Fällen einsehen, dass das Gerät überwiegend für den Job gebraucht wird. Und bis zu 850 Euro darf ein Gerät kosten, um direkt von der Steuer abgesetzt zu dürfen.
Was macht man mit der Fahrtkostenpauschale, wenn man nicht weiß, wie oft man im Corona-Jahr überhaupt in der Firma war?
PLANKERMANN Eine logische Schätzung reicht.
Was raten Sie der Politik und den Unternehmen?
PLANKERMANN Besonnenheit und Einheitlichkeit. Unsere Wirtschaft hängt vom Mittelstand ab. Viele Firmen aus den notleitenden Branchen brauchen zum Neustart großzügige Kredite, die der Staat gewähren muss, wenn er der Wirtschaft wieder auf die Beine helfen will.