Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Borussia spielt bei den ganz Großen mit
Der Achtelfinal-Einzug in der Champions League ist der nächste wichtige Entwicklungsschritt des Klubs.
MÖNCHENGLADBACH Es war, als wolle das Schicksal den Fußballern von Borussia Mönchengladbach einen Denkzettel verpassen. Dafür, dass sie wenig geboten hatten im finalen Spiel der Champions-League-Gruppenphase bei Real Madrid. Man darf beim Rekordsieger der Königsklasse 0:2 verlieren, das ist an sich keineswegs ehrenrührig. Doch wie sich Gladbach im Estadio Alfredo di Stefano verkaufte, war so gar nicht das, was man von dieser Mannschaft kennt.
Als die Lehrstunde vorbei war, versammelte sich ganz Borussia an einem Tablet und hoffte, dass im 1200 Kilometer entfernten Mailand nichts mehr passieren würde zwischen Inter und Schachtjor Donezk. Fast acht Minuten dauerte die Tortur, dann war es fix: Gladbach steht erstmals im Achtelfinale der Champions League und spielt jetzt bei den ganz Großen mit.
Dass ein Team des Trainers Marco Rose einen historischen Erfolg schafft mit einer Niederlage und bevorzugt von der Gunst des Schicksals, dass andere das nötige Ergebnis liefern, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Denn Roses Prinzip ist es, Fußballspiele zu gewinnen und immer aktiv zu sein. Zudem er vorher mit RB Salzburg zweimal unbesiegt in der Qualifikation zur Meisterklasse gescheitert war. Aus Borussia-Sicht ist eine solche Konstellation fast wider die Natur des Klubs. Bei dem gehört das tragische Scheitern dazu, es ist ein Teil des Mythos. Der ist nun um eine Variante reicher. Der Verein, der einst wegen einer Cola-Dose ausschied und dem ein 12:0-Sieg nicht zum Titel reichte, verlor sich ins Achtelfinale.
Aber bitte: Borussia hat getan, was nötig war, um zwei Teams hinter sich zu lassen, der Rest hat dann gestimmt, so viel Glück gehört zum Erfolg dazu. Es hat sogar etwas Spitzenteam-mäßiges, siehe Real, das ebenfalls mit zwei Niederlagen weitergekommen ist, weil es, wie Gladbach, die richtigen Spiele gewonnen hat. Es ist der nächste Schritt in der Entwicklung der Neuzeit-Borussia,
deren sportliche Schöpfungsgeschichte mit der Inthronisierung von Manager Max Eberl im Oktober 2008 begonnen hat und seit der Relegationsrettung 2011 unter Trainer Lucien Favre verblüffend schnell vorangeht.
9,5 Millionen Euro bringt der Einzug ins Achtelfinale, das ist gerade im Zeichen der Corona-Pandemie ein gern genommener Geldregen. Insgesamt haben die Borussen nun schon über 40 Millionen Euro verdient in der Königsklasse. Der Mehrwert der Tatsache, nun zu den besten 16 Klubs Europas zu gehören, ist da nicht eingepreist. Die Wahrnehmung Borussias wird sich dadurch nochmal deutlich ändern, gerade in finanziell interessanten Märkten wie Asien. „Wir haben den Namen Borussia Mönchengladbach ganz teuer verkauft, mit Leistungen und Ergebnissen. Darum können wir stolz sein“, sagte Mittelfeldmann
Christoph Kramer.
Dass es für jeden einzelnen Spieler und Trainer Marco Rose nicht nur eine Prestigegeschichte und eine sportliche Herausforderung ist, sich in der K.o.-Runde als Gruppenzweiter mit einem weiteren ganz Großen aus Europas Fußball-Adel zu messen (der FC Liverpool, Manchester City, der FC Chelsea, Juventus Turin oder Paris Saint-Germain sind die Kandidaten), liegt auf der Hand: Denn jeder Auftritt auf höchster Ebene macht die Spieler interessanter auf dem Markt und steigert ihren Wert. Dass Borussia nebenbei ihre Postion als ein Bundesliga-Topteam sichert und der Abstand zu Klubs wie Frankfurt, Wolfsburg oder Hoffenheim wächst, kommt hinzu.
Am Montag um 12 Uhr ist die Achtelfinal-Auslosung in Nyon, da werden die Borussen erneut fiebernd vor dem Bildschirm sitzen. Eine Tortur wird es aber nicht sein, sondern eine Freude, einzig das Gusto Einzelner könnte nicht getroffen werden. Dass viele Gladbacher ein Spiel an der legendären Anfield Road in Liverpool gern nehmen würden, haben sie längst wissen lassen. „City“gab es schon 2015 und 2016, Juve 2015, Paris wäre ein Novum, Chelsea ebenfalls. Die „Reds“hingegen wären fast die logische Fortführung der bisherigen Zulosung, denn schon Real Madrid und Inter waren geschichtlich extrem belegte Gegner. Zudem wäre es das Treffen Marco Roses mit seinem Kumpel Jürgen Klopp, das wäre weit mehr als eine pikante Randnotiz des Loses.
Rose wird, wenn er das liest, die Augen verdrehen. Für ihn spielen solche Dinge offiziell keine Rolle, er bleibt lieber cool und wird die Geschichte vor allem als Chance definieren. Er ließ auch wissen, dass es nun der Job sei, seriös auf das Spiel am Samstag gegen Hertha BSC in der Bundesliga (15.30 Uhr) umzuschalten. Die Königsklasse darf nicht die Sinne vernebeln für den Alltag. „Wir sind nur hier, weil wir im Tagesgeschäft gut waren. Wir wissen, dass man da performen und Punkte holen muss, um es wieder zu schaffen“, sagte Rose. Gegen Hertha gibt es dann auch keine Nachspielzeit auf dem Tablet, da muss es Borussia selbst regeln.