Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Konzert für Schüler trotz Corona-Pandemie
Drei Jahre lang wollen die Deutsche Kammerakademie und das Alexander-von-Humboldt-Gymnasium zusammenarbeiten.
NEUSS „Kommt ihr mal bitte zur Ruhe!“Dieser Aufforderung von Sebastian Zafirakis (34), Musiklehrer am Alexander-von-Humboldt-Gymnasium, kamen die 30 Schüler der 7d geradezu schlagartig nach. Denn während überall in Deutschland keine Konzerte stattfinden dürfen, gab es gestern die deutschlandweite Ausnahme im Humboldt: Dank der im vergangenen Jahr vertraglich vereinbarten Kooperation zwischen dem Gymnasium und der Deutschen Kammerakademie Neuss am Rhein (DKN) wurde vom Land Nordrhein-Westfalen im Rahmen des Förderprogramms „Orchester und Ensemble“diese Konzert-Sonderstunde genehmigt. Und weil zu Pandemiezeiten jeweils nur eine Klasse teilnehmen durfte, gaben Solisten der DKN das Konzert gleich viermal an zwei Tagen.
Um richtig Stimmung zu machen, sorgten sie erst einmal für Frühlingsgefühle: Der erste Satz „Allegro“aus Antonio Vivaldis „Vier Jahreszeiten“verblüffte vor allem durch exzellentes Zusammenspiel. Lilit Tonoyan und Karla Assmann (Violine), Luiza Antonescu (Viola) sowie Milan Vrsajkov (Violoncello) hatten sich nach nur einer gemeinsamen Probe zu einem vollkommen überzeugenden Streichquartett zusammengefunden.
Wiebke Rademacher, Konzertpädagogin an der Hochschule für Musik Köln, stellte der Klasse die Musiker vor und bat sie, sich mit einem musikalischen Fragment zu personifizieren. Karla Assmann folgte der Einladung prompt: „Morgen kommt der Weihnachtsmann.“
Es wurde aber spannender: Orchestral-wuchtig endet das Finale in Antonin Dvoáks „Streichquartett F-Dur“. Weil der Komponist das Werk 1893 in seinem amerikanischen Ferienort Spilville, einer tschechischen Siedlung in Iowa, schrieb, heißt dieses Quartett auch „Das Amerikanische“. Von erregender Vielfalt ist die Tondichtung im 2. Streichquartett „Intime Briefe“von Leoš Jana ek. Er hat dieses Quartett 1928 kurz vor seinem Tod der von ihm geliebten Kamila Stösslová gewidmet.
Sehr schön war, dass Wiebke Rademacher
zum dramatischen Spiel der Streicher aus seinen Liebesbriefen las: „Du bist wie ein schwarzes Wölkchen am Himmel – zu hoch, ich kann dich nicht erreichen.“Neuromantisch, aber zugleich tieftraurig emotionalisiert der zweite Satz „Molto Adagio“im Streichquartett Nr. 1 von Samuel Barber. Da dieser Satz häufig als Filmmusik eine Rolle spielt, forderte die Konzertpädagogin die Schüler auf, „Regisseur zu spielen“und Bilder und Gedanken zu dieser Musik auf einem bereit liegenden Zettel zu verfassen.
Zu den verhalten gesungenen Kantilenen zunächst in der 1. Violine, dann im Violoncello notierten oder zeichneten die jungen Zuhörer ganz eifrig. „Sehr schön und lebhaft, aber leider auch traurig“kommentierte ein Schüler seine Aufzeichnungen.
Lebhaft wurde es tatsächlich aber im Folgenden: Unter Anleitung von Wiebke Rademacher kapierte die 7d ganz schnell eine Bodypercussion mit Schnipsen, Klatschen und
Springen. Das passte kongenial zu Antonio Vivaldis drittem Satz „Presto“aus seinem Violinkonzert „Der Sommer“.
Blitz, Donner, wildes Blätterrauschen und Sturm brachen mit musikalischer Urgewalt und perfekter Choreografie in den Musiksaal des AvH-Gymnasiums herein. Diese Übereinstimmung fand heftigen Applaus.
„Es war toll, Neues kennen zu lernen, Gehörtes zu zeichnen und derart perfekte Streicher zu erleben“: So fasste Liv (12) diese außergewöhnliche Schulstunde zusammen. Sie sprach damit auch für ihre Klassenkameraden, die musikalisch hoch interessiert sind: Beinahe die Hälfte der 7d spielt ein Instrument.
DKN-Orchestermanager Martin Jakubeit (51) war mit diesem Auftritt – dem zweiten der DKN im Alexander-von-Humboldt-Gymnasium – so zufrieden, dass er spontan die zunächst auf drei Jahre angelegte Zusammenarbeit zwischen Orchester und Schule vertiefen will: „Warum nicht ein Orchesterkonzert in der Mensa mit 400 Schülerinnen und Schülern?“fragt er, ohne eine Antwort sogleich zu erwarten.