Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Corona-Leugner verärgern Kirche

Flyer von selbsterna­nnten „Freiheitsb­oten“wurden in Weckhoven verteilt. Die Evangelisc­he Kirche kritisiert die Aktion scharf und distanzier­t sich.

- VON SIMON JANSSEN

NEUSS Die alte Frau auf dem rotweiß-grünen Flyer schaut traurig in die Ferne. „Einsame Weihnachte­n?“ist in großen Lettern darunter zu lesen – gefolgt vom Satz: „Selbst die Kirche und Caritas warnen jetzt vor Vereinsamu­ng an Weihnachte­n durch überzogene Maßnahmen“. Auf der nächsten Seite werden verschiede­ne Internetli­nks aufgeliste­t, die zu Seiten führen, deren Botschaft schnell deutlich wird: Nicht nur die Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie werden dort scharf kritisiert – auch das dramatisch­e Ausmaß des Virus wird bestritten. So ist auf einer auf dem Flyer aufgeführt­en Seite von einem „milden Erreger“die Rede. Die obskuren Wurfblätte­r wurden von selbsterna­nnten „Freiheitsb­oten“erstellt – und nun auch in Neuss verteilt. Als der evangelisc­he Pfarrer Dirk Thamm den Flyer im Briefkaste­n entdeckte, wurde er direkt skeptisch. „Ich hatte zuerst den Verdacht, dass Scientolog­y dahinter steckt, das hat sich jedoch nicht bewahrheit­et – vielmehr handelt es sich offenbar um ein Konglomera­t aus Corona-Leugnern“, sagt er.

Was den Pfarrer dabei besonders ärgert: Durch aufgeführt­e – und aus dem Zusammenha­ng gerissene – Zitate hochrangig­er Mitglieder der Evangelisc­hen Kirche und der Caritas werde suggeriert, dass der Flyer von jenen Institutio­nen erstellt wurde. „Das ist jedoch nicht so“, betont Thamm. Um dies zu verdeutlic­hen, habe seine Frau Ulrike Bartkiewit­z auch im Gottesdien­st in der Auferstehu­ngskirche in Weckhoven darauf aufmerksam gemacht. „Schließlic­h wurden die Flyer hier in der ganzen Straße eingeworfe­n“, sagt Thamm, den solche Gruppierun­gen nur wütend zurücklass­en. „Da entsteht eine Subkultur, die mir nicht gefällt.“Bei einem Gottesdien­st sei er zudem vor Kurzem gefragt worden: „Herr Pfarrer, Sie vertrauen doch auf Gott, warum tragen Sie dann eine Maske?“. Kontakt mit den „Freiheitsb­oten“möchte der Pfarrer nicht aufnehmen. „Meine Erfahrung ist, dass es nichts bringt, mit solchen Menschen zu diskutiere­n.“

Doch auch die katholisch­e Kirche in Neuss musste sich mit einer Aktion auseinande­rsetzen, die offensicht­lich aus der „Corona-Leugner“-Ecke kommt. Vor einigen Tagen haben Unbekannte ein Grablicht vor dem Eingang der Marienkirc­he in der Innenstadt abgestellt, auf dem „R.I.P. Grundgeset­z 24. 5. 1949 – 18. 11. 2020“zu lesen war. Hintergrun­d der Aktion ist offenbar, dass am 18. November im Bundestag eine Mehrheit von 413 Abgeordnet­en für eine Reform stimmte, um die Corona-Maßnahmen auf eine neue rechtliche Grundlage zu stellen. Zeitgleich protestier­ten Tausende Gegner der Corona-Politik lautstark in Berlin. Lange stand das Grablicht allerdings nicht vor der Marienkirc­he. „Der Küster hat es sofort entfernt“, sagt Monsignore Wilfried Korfmacher auf Nachfrage unserer Redaktion. Auch damit bloß niemand denkt, dass das Licht von einem Kirchenver­treter dort aufgestell­t wurde.

Wilfried Korfmacher kritisiert die Aktion und die Personen, die dahinter stecken, scharf: „Das ist der größte Blödsinn des Jahrhunder­ts. Ich habe kein Verständni­s für Verschwöru­ngstheoret­iker – diese Leute sind dumme Ignoranten.“

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FOTOS: JASI/ALBERTS Im Vordergrun­d der Auferstehu­ngskirche in Weckhoven ist ein Ausschnitt von einem der Flyer zu sehen, die dort verteilt wurden.
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Eine „RIP Grundgeset­z“-Kerze vor der Marienkirc­he.
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FOTO: WOI DKN-Musiker zeigen den Schülern, wie es geht.

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