Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Kardinal setzt weiter auf neues Gutachten
Die mögliche Vertuschung des Missbrauchsfalls eines Düsseldorfer Priesters erregt die Gemüter im Erzbistum. Kardinal Woelki will aber nur zurücktreten, wenn seine Schuld bewiesen ist.
KÖLN/DÜSSELDORF Der schwere und nicht gemeldete Missbrauchsfall des 2017 verstorbenen Düsseldorfer Pfarrers O. stellt viele Fragen zum Verhalten der Kölner Bischöfe und Personalverantwortlichen. Für den Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller steht fest: „Kardinal Rainer Maria Woelki ist mit diesem Amt überfordert; und seine Versuche, noch die Kardinäle Höffner, Frings und Meisner zu retten, werden vergeblich sein. Es wird sich überdies zeigen, dass weitere große Lichtgestalten der katholischen Kirche in Deutschland Missbrauchsfälle in ihren Diözesen systematisch vertuscht haben.“
Kardinal Woelki kannte den Düsseldorfer Priester seit seiner Ausbildungszeit gut. In den Jahren 1983/84 soll er als Praktikant und Diakon in dessen Pfarrgemeinde tätig gewesen und dem Priester eng verbunden geblieben sein.
In den Düsseldorfer Gemeinden, in denen O. zunächst als Pfarrer,
später als pensionierter Subsidiar wirkte, löste die Nachricht vom möglichen Missbrauch eines Kindes im Kindergartenalter Bestürzung aus. Er sei „tief schockiert“, sagte Marco Schmitz. Der CDU-Landtagsabgeordnete wurde in der Pfarrei, in der O. lange tätig war, getauft. Dort ging er auch zur Kommunion, war jahrelang Messdiener. O. sei ein sehr umgänglicher Mensch gewesen, der aus Sicht der Jüngeren kirchlich eher konservativ dachte. Grenzüberschreitungen im Umgang mit Heranwachsenden habe er damals nicht erlebt. „Ich hätte es auch nicht für möglich gehalten, bei mir löst es Wut, Enttäuschung und Trauer aus“, sagt Schmitz. Auch deshalb, weil nun das damalige Opfer die Tat im Kopf noch einmal durchleben müsse.
„Er war der Prototyp des bodenständigen rheinischen Pastors, die Nachricht über den möglichen Übergriff hat mich kalt erwischt und schockiert alle, die ihn kannten, zutiefst“, sagte ein Priester, der O. als den Pfarrer der Nachbargemeinde kennengelernt hatte. Mehr als zwei Jahrzehnte begleitete O. in der von ihm geführten Gemeinde die Gläubigen. In seinen späteren Jahren als Subsidiar habe sich sein Gesundheitszustand, so die Wegbegleiter, erheblich verschlechtert. Unter anderem soll er zuletzt mehrere Jahre lang an starken demenziellen Symptomen gelitten haben. „Für die katholische Kirche in Düsseldorf ist der Fall ein schwerer Schlag“, so der Pfarrer.
„Absolut geschockt“ist der Düsseldorfer Stadtdechant Frank Heidkamp, der Pfarrer O. persönlich kannte. Wie viele Bürger wartet auch Heidkamp auf das, was das neue Gutachten zu den Missbrauchsfällen im Erzbistum abbilden wird. Dass sich dessen Vorlage verzögere, belaste viele Menschen, sei aber für ihn letztlich „nachvollziehbar“.
Nach den Worten von Bernadette Rüggeberg von Maria 2.0 im Rheinland empört es die Gläubigen im Erzbistum zunehmend, dass man nicht zu seiner Verantwortung stehe. „Wir sind genauso Kirche wie die Würdenträger, und es kann nicht sein, dass sie ihre Regularien über die der Gerechtigkeit und der Transparenz stellen. Das geht nicht. Das verschleiert die Botschaft, die wir zu verkünden haben, und das ist eine großartige Botschaft“, sagte Rüggeberg. Und: „Es tritt nur der zurück, der voll und ganz seine Schuld erkennt. Ich wundere mich aber, dass man überhaupt ein Gutachten braucht, um seine Schuld auch anzuerkennen.“Am Samstag, 12. Dezember, wird die Reforminitiative mit dem Katholischen Frauenbund ab 12 Uhr eine „Digitale Dom-Demonstration“für mehr Aufklärung und Transparenz im Erzbistum veranstalten. Und die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (KFD) forderte generell von den Bischöfen, im Missbrauchsskandal auch dann zum Rücktritt bereit zu sein, wenn keine Schuld im strafrechtlichen Sinne vorliegt.
Kardinal Woelki hatte in der Vergangenheit mehrfach davon gesprochen, er würde von seinem Amt als Kölner Erzbischof zurücktreten, wenn die von ihm in Auftrag gegebene Missbrauchsstudie nachweisen würde, dass er an Vertuschungen beteiligt war. Dies deutete er auch gestern in seiner Erklärung an. Von den Missbrauchsvorwürfen soll Woelki nach Bistumsangaben erstmals 2011 erfahren haben – damals als der für Düsseldorf zuständige Weihbischof. In dieser Zeit hatte schon der amtierende Kardinal Meisner notwendige Schritte zur Aufklärung unterlassen. In dem Fall wird auch der damalige Generalvikar Dominikus Schwaderlapp eingeweiht gewesen sein, der später Kölner Weihbischof wurde.