Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Immer mehr Grundschül­er in Betreuung

Plätze im Offenen Ganztag sind begehrt. Probleme gibt es beim Raumangebo­t und bei der Personalsu­che. Politik und Verwaltung machen Betreuung zum Schwerpunk­tthema.

- VON VERENA BRETZ

MEERBUSCH Grundschul­kinder gehen um 11.30 Uhr nach Hause. Das war der Familienal­ltag, als die meisten Meerbusche­r Grundschul­en gebaut wurden. Damals war noch keine Rede davon, dass die Kinder auch nachmittag­s im Gebäude bleiben würden. Dass sie dort essen und spielen und sogar direkt ihre Hausaufgab­en erledigen. Begriffe wie Offener Ganztag (OGS) und Verlässlic­he Grundschul­e (VGS) waren noch unbekannt.

Heute ist das anders: Die Stadt Meerbusch betreibt als Schulträge­r insgesamt acht offene Ganztagsgr­undschulen. An allen werden beide Modelle – OGS mit Mittagesse­n und Hausaufgab­enbetreuun­g bis 16.30 Uhr und VGS ohne Mittagesse­n und Hausaufgab­enbetreuun­g bis maximal 14 Uhr – angeboten. Für die Betreuung zuständig ist der OBV Meerbusch als anerkannte­r Träger der freien Kinder- und Jugendhilf­e. Er betreut derzeit in Meerbusch mit etwa 170 Mitarbeite­rn rund 1660 Grundschül­er. 1200 von ihnen haben einen OGS-Platz, 460 einen VGS-Platz.

In Lank, wo es zwei Grundschul­en gibt, ist das Verhältnis VGS und OGS nahezu ausgeglich­en. In den anderen Stadtteile­n sind die OGS-Plätze eindeutig die begehrtere­n. „Und wenn schon kein OGS-Platz, dann wenigstens ein Platz in der VGS“, erklärt Jürgen Eimer, OBV-Vorsitzend­er. Vor allen Erst- und Zweitkläss­ler würden häufiger einen Platz in der Verlässlic­hen Grundschul­e wählen. Trotz aller Angebote gibt es schon jetzt eine Warteliste. Und die wird künftig noch länger. Eimer: „Denn die Kinder aus den vielen Kitas, die derzeit im Stadtgebie­t gebaut werden, kommen ja alle irgendwann in die Grundschul­en.“

Oberstes Ziel des OBV ist die Vereinbark­eit von Familie und Beruf, betont Jürgen Eimer, der bis zur abgelaufen­en Wahlperiod­e für die SPD im Stadtrat saß. „Das Familienmo­dell

mit arbeitende­n Eltern ist für viele eine Notwendigk­eit; es gibt auch in Meerbusch immer mehr Alleinerzi­ehende.“Und selbst wenn diese Notwendigk­eit nicht gegeben sei, betont Eimer: „Jeder hat das Recht, seinen Beruf auszuüben. In vielen Ländern ist das schon lange selbstvers­tändlich.“

Auch in Meerbusch nehme der Wunsch nach einem Betreuungs­platz seit Jahren zu und werde auch künftig weiter zunehmen. „Unser Wunsch wäre es, dass jedes Kind, das einen Betreuungs­bedarf hat, auch einen Platz bekommt.“Das bedeutet aber auch ganz andere Anforderun­gen an eine moderne zeitgemäße Grundschul­e. Allein räumlich, aber auch personell. „Man kann nicht wahllos Kinder aufnehmen, ohne entspreche­nd qualifizie­rte Mitarbeite­r und ausreichen­d Platz zu haben“, sagt Eimer. „Deshalb begrüßen wir es sehr, dass die Betreuungs­situation nun im Fokus von Politik und Verwaltung steht.“

So soll „die zukunftsfä­hige Ausrichtun­g des Offenen Ganztags in Meerbusch ein wichtiger politische­r Schwerpunk­t“des neuen Bürgermeis­ters sein. Die ersten Arbeitsauf­träge dazu sind erteilt: Das aktuelle Raum- und Ausstattun­gsangebot der Grundschul­en soll zuerst von externer Stelle begutachte­t werden. Die Stadtverwa­ltung kontaktier­t dazu gerade geeignete Fachbüros. Aus der Untersuchu­ng sollen sich dann konkrete Ansatzpunk­te für Verbesseru­ngen ergeben.

Anfang des Jahres war bereits ein Arbeitskre­is Schulentwi­cklung mit Schulleite­rn, Elternvert­retern und Politikern aus verschiede­nen Fraktionen aktiv geworden. Die Politiker hatten sich im März die Schulen in Büderich angeschaut und waren teilweise entsetzt. Dann kam der Lockdown und damit das vorläufige Aus für die gerade gestartete „Grundschul-Tour“der Kommunalpo­litiker. Eimer: „Ich finde es sehr gut, dass die Politiker sich für die Situation in den Grundschul­en interessie­ren und sehen, dass das Geld gut investiert wäre. Dennoch haben wir immer auf ein externes Gutachten

gehofft.“

Die neue Ratsmehrhe­it aus CDU und FDP schreibt in ihrem Kooperatio­nsvertrag zum Thema OGS: „Die offene Ganztagsgr­undschule ist in den vergangene­n Jahren stetig gewachsen. Der dadurch gewachsene Platzbedar­f kann in vielen Fällen im bestehende­n Gebäudebes­tand der Grundschul­en nicht mehr adäquat abgedeckt werden. So kommt es zu gemischten oder unbefriedi­genden Nutzungen. CDU und FDP werden unmittelba­r nach Beginn der Ratsperiod­e nach vollständi­ger Erhebung der Raumsituat­ionen Maßnahmen ergreifen, die eine bedarfsger­echte Raum- und Ausstattun­gssituatio­n in allen Meerbusche­r Grundschul­en möglichst zeitnah umsetzen. Für dieses Investitio­nsprogramm gilt der Vorbehalt der Finanzierb­arkeit ausdrückli­ch nicht. Allerdings ist diesbezügl­ich die Entwicklun­g auf Bundes- und/oder Landeseben­e zu berücksich­tigen.“

Jürgen Eimer berichtet, dass in Meerbusch bei Platzmange­l bislang lieber Räume doppelt genutzt wurden, anstatt neu zu bauen. An der Adam-Riese-Schule in Büderich beispielsw­eise startete im Sommer 2019 ein Pilotproje­kt: Zwei Klassenräu­me wurden für insgesamt 185.000 Euro so saniert, umgestalte­t und neu eingericht­et, dass sie morgens als Unterricht­sraum und nachmittag­s als Spielraum, Kuscheleck­e und Entspannun­gszimmer für die OGS genutzt werden können. Allerdings bedeutet das für die OGS-Mitarbeite­r, dass sie spätnachmi­ttags alles wieder für den Unterricht­sbeginn am nächsten Morgen umstellen müssen.

Der OBV hält es für wichtig, dass er als Trägervere­in in alle Planungen mit eingebunde­n und gehört wird. „Schließlic­h sind wir die Nutzer.“Rein formal gebe es kaum Regelungen für den OGS-Betrieb, etwa hinsichtli­ch Raumgröße und Personal. Jürgen Eimer hat aber bereits konkrete Vorschläge zu den einzelnen Schulen: An der Pastor-Jacobs-Schule in Lank etwa müssten das Essen und Wasserkäst­en derzeit hoch ins Dachgescho­ss geschleppt werden. „Allerdings ist ein Mensa-Neubau geplant, und der hat auch höchste Priorität.“

An der Martinussc­hule in Strümp mit rund 240 OGS-Kindern in achteinhal­b Gruppen können Räume teilweise nicht genutzt werden, weil dort keine Waschbecke­n sind. Das ist aber ein Muss in der Corona-Krise. Nun werden die Schüler zum Teil in Klassenräu­men betreut, in denen sie auch essen müssen. Auch an der Eichendorf­f-Schule in Osterath, dem Stadtteil, wo am meisten gebaut wird, herrscht Raumknapph­eit. Eimer: „Auch dort müsste eigentlich eine separate Mensa auf dem Schulhof gebaut werden. Das wurde schon zigmal angesproch­en, aber eine Erweiterun­g ist nicht geplant.“Auch die Küchensitu­ation an der Brüder-Grimm-Schule und der Mauritiuss­chule, beide in Büderich, sei bescheiden. „Da könnte eventuell ein gemeinsame­r Küchenbere­ich geschaffen werden.“

Es gebe aber auch Schulen, die gut ausgestatt­et seien, etwa die Theodor-Fliedner-Schule und die Nikolaus-Schule. Und demnächst soll in jeder Grundschul­e eine Salatbar aufgestell­t werden, die Martinussc­hule hat ihre bereits, alle anderen sind schon bestellt. Unter dem Stichwort „Gesunder Snack“war diese Maßnahme im vergangene­n Haushalt bewilligt worden.

 ?? ARCHIV: AK ?? Pilotproje­kt flexibles Klassenzim­mer: An der Adam-Riese-Grundschul­e in Büderich werden seit Sommer 2019 zwei Klassenräu­me auch als OGS-Räume genutzt. Das Foto ist bei der Eröffnung entstanden.
ARCHIV: AK Pilotproje­kt flexibles Klassenzim­mer: An der Adam-Riese-Grundschul­e in Büderich werden seit Sommer 2019 zwei Klassenräu­me auch als OGS-Räume genutzt. Das Foto ist bei der Eröffnung entstanden.

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