Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Schöne Erinnerungen an Berliner mit Senf
99 Jahre lang gab es in der Traditionsbäckerei Schlüter Backwaren, Torten – und zu Karneval auch mal einen kleinen Scherz.
STADTMITTE Der Familienbetrieb der Schlüters existiert bereits seit 1921. Zunächst an der Karlstraße, seit 80 Jahren residieren die Bäcker auf der Oststraße. In dritter Generation führt Annemarie Post-Schlüter gemeinsam mit ihrem Ehemann Bruno Post den Betrieb – seit dem Jahr 1991. Jetzt aber wird es ein Ende geben. „Wir schließen Heiligabend für immer. Schon 2019 haben wir entschieden, 2020 zuzumachen, aus Altersgründen und der Gesundheit zuliebe“, sagt Post-Schlüter.
„Wir sind beide nicht krank“, stellt sie klar, „aber wir möchten noch genug Energie haben, um andere Sachen zu machen, außer zu arbeiten. Die Entscheidung aufzuhören, ist wohl überlegt.“Aber nicht emotionslos getroffen. 30 Jahre lang haben die Eheleute mit viel Herzblut, Leidenschaft, Engagement, Spaß und Freude das traditionsreiche Familienerbe weiter geführt, auch, weil sie in einem spannenden Stadtviertel ihre Qualitätsbackwaren anboten. „Wir hatten Kunden aus allen Kontinenten. Für viele davon hat die Einführung in die deutsche Brotund Backkultur bei uns stattgefunden“, verrät Post-Schlüter.
Seitdem der Entschluss zur Geschäftsaufgabe gefallen war, versuchen die Schlüters schon, einen Nachfolger für die Bäckerei zu finden. Ein Jahr lang ohne Erfolg. „Ich hoffe ja noch, dass sich auf den letzten Drücker noch jemand meldet“, so die Konditorin mit einem Tränchen im Auge. „Was uns das Aufhören etwas leichter macht, ist, dass die meisten unserer 20 Mitarbeiter
bereits einen neuen Job gefunden haben.“
Der Bäckermeister und die Konditorin gehen mit einem lachenden und einem weinenden Auge in den Ruhestand. „Wir freuen uns auf die gemeinsame Zeit, die vor uns liegt“, stellt Post-Schlüter fest. „Aber wir haben so viele schöne Erinnerungen, wir haben so viel Spaß gehabt mit unseren Kunden, unseren Mitarbeitern und mit den Geschäftsinhabern drumherum, da fällt der Abschied nicht leicht.“
Auch für „Nachbarin“und Fan Nina Thea Ungermann wird es nicht leicht. „Zuverlässigkeit, Flexibilität, Spontaneität, Qualität und Humor lieferten die Schlüters“, lobt die Schumacher-Geschäftsführerin. „Zu Karneval haben wir immer Berliner bestellt. Mindestens einer war nicht mit Marmelade, sondern – ganz Tradition – mit ABB-Senf gefüllt.“Sie schätzt vor allem die hohe Qualität der Schlüterschen Backwaren, der Torten, Pralinen, Trüffel und Petit Fours.
Heiligabend wird für die Gastronomin besonders schwer, wie sie sagt. „Bis dahin habe ich mir noch jeden Tag ‚legale Drogen‘ geholt. Das brauche ich jetzt“, gesteht die Brauerei-Chefin. Damit meint sie die Baumkuchenspitzen und andere süße Köstlichkeiten, die noch bis zum 24. Dezember von Annemarie Post-Schlüter und Bruno Post in der Traditionsbäckerei tagtäglich frisch zubereitet werden.
„Die Bäckerei Schlüter gehört zu meinem Leben einfach dazu“, erklärt Ungermann. „Bis ich sechs Jahre alt war, durfte ich alleine nur bis zur Ecke Oststraße, Bismarckstraße gehen. Da bin ich immer bei Schlüters vorbei und auch oft reingegangen. Ich kenne die Oststraße einfach nicht ohne Schlüter, meine Mutter kennt die Oststraße ebenfalls nicht ohne Schlüter.“
Annemarie Post-Schlüter hat jetzt andere Dinge vor, als mit Schokolade, Marzipan, Krokant oder Nougat jeden Tag neue süße, verführerische Spezialitäten zu zaubern.
„Ich möchte all das machen, was ich drei Jahrzehnte lang nicht machen konnte“, verrät Post-Schlüter. „Ich möchte in Grundschulen vorlesen, Abendveranstaltungen besuchen, ins Kino und Theater gehen, reisen, Italienisch lernen und den Jakobsweg pilgern.“
Das alles gönnt Nina Thea Ungermann ihrer Noch-Nachbarin von ganzem Herzen. Doch der Bäckerei-Abschied könnte ihr auch viel Arbeit machen. „Wir haben für unsere Gaststätten die Röggelchen und die Brötchen von Schlüter bezogen. Jetzt müssen wir uns nach einer anderen Bäckerei umsehen, die die gleiche Qualität liefert“, erzählt die Schumacher-Geschäftsführerin. „Wir haben sogar schon Brötchenund Röggelchen-Testessen gemacht. Es wird nicht einfach, einen Schlüter-Nachfolger zu finden, der dieselbe Qualität liefert. Die Geschäftsaufgabe ist ein Verlust für Schumacher, für die Oststraße und auch persönlich für mich.“