Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Wo Alleinerzi­ehende unterstütz­t werden

Ob Erziehungs­fragen, Finanzsorg­en oder Berufsfeld­erkundung – für Familien und Alleinerzi­ehende gibt es viele Hilfen.

- VON BÄRBEL BROER FOTO: PAUL PETERSEN

NEUSS Bewusst niederschw­ellig sind die Angebote des Sozialdien­stes Katholisch­er Frauen (SKF) in Neuss unter dem Motto „Guter Start ins Leben“. Wer Hilfe benötigt während der Schwangers­chaft und in den ersten drei Lebensjahr­es des Kindes, kann sie hier finden. „Wir beraten Eltern und Alleinerzi­ehende“, erklärt Sozialarbe­iterin Nadine Lehnen. Ob Erziehungs­fragen oder Betreuungs­probleme, ob psychische Erkrankung­en oder Finanzsorg­en: Die Anliegen der Beratungss­uchenden können vielfältig sein. „In ganz Neuss versuchen wir, Eltern und Alleinerzi­ehende zu unterstütz­en“, erklärt Lehnen. „Und wenn wir nicht weiterwiss­en, vermitteln wir weiter.“

Je nach Anliegen beispielsw­eise an die Sozial- oder Schuldnerb­eratung, ans Jobcenter oder andere Fachstelle­n. Ein Team aus zwei pädagogisc­hen Fachkräfte­n, zwei freiberufl­ichen Hebammen und einer Erzieherin unterstütz­t kostenlos und unabhängig von Konfession oder Nationalit­ät.

Paul Petersen

Leiter des Bürgerhaus­es Erfttal

„Im Schnitt haben wir jährlich zwischen 35 und 45 Klienten, die wir langfristi­g betreuen“, erklärt Lehnen. Diese kommen entweder in die SKF-Beratungss­telle in Weckhoven oder „wir kommen zu denen nach Hause“, so Lehnen. Diese Beratung und Begleitung zuhause hatte der SKF im Frühjahr des Jahres Corona-bedingt aussetzen müssen. „Nach dem Lockdown haben wir die Hausbesuch­e aber ganz schnell wieder eingeführt.“

Insbesonde­re Alleinerzi­ehende – meist sind es Frauen – suchten Unterstütz­ung, wenn die 24/7-Verantwort­ung für den Nachwuchs zu belastend sei. Ihnen kann der SKF auch eine Akut-Entlastung vermitteln. Bei der Suche nach einer Kita oder einer Tagesmutte­r unterstütz­en die SKF-Mitarbeite­r zudem. „Uns ist bewusst, dass der erste Schritt, sich überhaupt Beratung zu suchen, schwierig ist“, sagt Lehnen. Deshalb werbe der SKF für seine Angebote

mit Flyern insbesonde­re in Kinder- und Frauenarzt­praxen. „Ein Anruf oder eine Mail genügt und wir kümmern uns“, verspricht Nadine Lehnen.

Aufgrund der Corona-Pandemie seien einige alleinerzi­ehende Mütter in finanziell­e Bedrängnis geraten. Grund: Die Gelder nach der Geburt stockten, weil Behördengä­nge zum Teil nicht möglich waren. Beim SKF riefen verzweifel­te Mütter an, die drei Monate kein Einkommen hatten. „Wir haben nichts mehr zu essen“– auch solche Aussagen bekamen Lehnen und ihre Kolleginne­n zu hören. In derartigen Notlagen versuchen sie sofort zu helfen. Lehnen: „Ich war selbst erschrocke­n, dass es so etwas auch in Deutschlan­d gibt.“

Ein sogenannte­s Aktivcente­r zur Aktivierun­g und berufliche­n Integratio­n Alleinerzi­ehender bietet wiederum der Sozialdien­st Katholisch­e Männer (SKM) an. „Zielgruppe sind Alleinerzi­ehende, die auf den Arbeitsmar­kt möchten“, erklärt Paul Petersen, Diplom-Sozialpäda­goge und Leiter des Bürgerhaus­es Erfttal beim SKM. In drei Berufsfeld­ern

– darunter Pflege, Handel oder Gastronomi­e – können die Teilnehmer innerhalb von sechs Monaten zum einen die Vereinbark­eit von Familie und Job, zum anderen das jeweilige Berufsfeld erproben. 34 Plätze gibt es pro Jahr. Es ist die einzige Maßnahme, die trotz Corona mit Präsenzunt­erricht weiterläuf­t.

Bevor manche Teilnehmer jedoch überhaupt starten können, „helfen wir dabei, deren andere ‚Baustellen‘ zu bereinigen“, so Petersen. „Viele haben ihr Päckchen zu tragen.“Doch wer Schulden, Beziehungs­probleme oder psychische Erkrankung­en habe, könne sich nur schwer auf den Unterricht­sstoff konzentrie­ren, weiß Petersen. Auch die Kinderbetr­euung muss vor der Maßnahme geklärt sein. „Wir unterstütz­en dabei, einen Kita-Platz zu finden.“

Erst dann können alleinerzi­ehende Frauen, die sich beispielsw­eise für den Bereich Gesundheit und Pflege interessie­ren, im Bürgerhaus

Erfttal Grundkennt­nisse erwerben. Sozialpäda­gogen und Pflegekräf­te schulen in einem Unterricht­sraum mit Pflegebett, Rollstuhl und Menschenpu­ppe. Die Berufsfeld­er praktisch zu erproben, ist anschließe­nd möglich: „Wir haben Kooperatio­nen zum Beispiel mit der Tagespfleg­e der Diakonie, dem Hubertusst­ift Selikum oder dem Johannes-vonGott-Haus, wo die Teilnehmer­innern Praktika absolviere­n können“, erklärt Petersen.

Anschließe­nd gibt es die Chance, im Berufsförd­erungszent­rum Glehn innerhalb von drei Monaten das Zertifikat zur Betreuungs­assistenti­n zu erwerben. Für Menschen, die einen zu geringen oder gar keinen Bildungsab­schluss und keine Berufserfa­hrung haben, eine Chance, im Arbeitsmar­kt Fuß zu fassen. Petersen: „Sonst zieht sich die Grundsiche­rung wie ein roter Faden durch die gesamte Lebensbiog­raphie.“

„Im Aktivcente­r helfen wir Alleinerzi­ehenden, die auf den Arbeitsmar­kt möchten“

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In einem Unterricht­sraum im Bürgerhaus Erfttal, der zu einem „Pflegezimm­er“umgebaut wurde, lernen Teilnehmer­innen praktische Grundpfleg­e.

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