Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Der letzte Shopping-Tag vor dem Lockdown

Am Dienstag konnten viele Händler letztmals für die nächsten Wochen öffnen. Schlangen gab es vor ganz unterschie­dlichen Läden.

- VON NICOLE LANGE

STADTMITTE „Ich leg’ jetzt mal auf, viele Menschen hier, wie in den besten Zeiten“, ruft ein junger Mann am Beginn der Flinger Straße in sein Handy, während er in ein Geschäft eilt, aber entweder hat er die besten Zeiten nicht wirklich vor Augen, oder der Gesprächsp­artner am anderen Ende muss schnell abgewimmel­t werden, denn die Einkaufsst­raßen der Stadtmitte füllen sich an diesem Dienstag nur langsam. Bis zum frühen Nachmittag unterschei­det sich der Betrieb im wichtigste­n Einkaufs-Ort der Region kaum von anderen eher trüben Tagen der vergangene­n Wochen, dann wird es von Stunde zu Stunde voller – jetzt kommen auch die dazu, die vorher arbeiten mussten.

Es ist der letzte Tag vor dem Lockdown, die letzte Gelegenhei­t vor Weihnachte­n für den Kauf von Büchern, Kleidung oder Spielzeug, zumindest auf dem klassische­n Weg im stationäre­n Handel. Viele Geschäfte werben in den Schaufenst­ern mit drastische­n Rabatten, um noch Winterware loszuwerde­n. Der befürchtet heftige Ansturm bleibt aus, auf den Straßen bilden sich am Nachmittag dennoch längere Staus vor den Parkhäuser­n und an den Kreuzungen rund um die Königsalle­e, ein riskantes Wendemanöv­er hier, ein kleines Hupkonzert da.

Es sind Kennzeiche­n aus Oberhausen, Dinslaken, Duisburg, dem Kreis Mettmann dabei. Auch aus den Niederland­en kommen vereinzelt­e Besucher. Normalerwe­ise sind sie in der Adventszei­t zu Tausenden in Düsseldorf unterwegs, am Dienstag nutzen sie noch einmal die Shopping-Möglichkei­t, während im Nachbarlan­d der Lockdown schon einen Tag früher in Kraft getreten ist. Auch auf den Fußwegen geht es zu fortgeschr­ittener Stunde gedrängter zu. An einigen Ampeln könnte man meinen, es habe nie einen Mindestabs­tand gegeben; und wenn man versucht, ihn einzuhalte­n, landet man schnell auf der Fahrbahn. Der letzte Öffnungsta­g der Geschäfte vor dem Weihnachts­fest ist auch in anderen Jahren kräftezehr­end, aber für viele eben gleichzeit­ig stimmungsv­oll, er klingt nach „Last Christmas“in Dauerschle­ife und duftet zwischen den Rempeleien nach Glühwein und Mandeln.

Dieses Jahr ist der letzte Tag aber sehr plötzlich gekommen, und er klingt nach einem einzelnen Straßenmus­iker, der sich in einer Regenpause tapfer an der Schadowstr­aße aufstellt und ein wenig spielt, aber kaum Zuhörer findet. Und er klingt nach mehr als einem Pärchen, das vor dem nächsten Laden lautstark darüber verhandelt, ob man sich in diese nächste Warteschla­nge nun auch noch stellen soll: „Es nervt mich wirklich, man muss ja nicht überall hin heute.“

Nach dem Duft dieses Tages muss man suchen, finden kann man ihn zum Beispiel an der einzelnen Bratwurst-Bude, an der sich trotz der widrigen Umstände einige Kunden angestellt haben. Der Weihnachts­markt fehlt besonders auffällig an der im Umbau befindlich­en Schadowstr­aße. An der Flinger Straße und der Königsalle­e verbreitet zumindest die Beleuchtun­g einen Hauch von Advent.

Die auffälligs­ten Warteschla­ngen an der Luxusmeile bilden sich vor den Designer-Boutiquen wie Louis Vuitton, Hermès und Gucci, an der nahe gelegenen Schadowstr­aße dagegen unter anderem beim Bekleidung­s-Discounter Primark oder beim Outlet-Anbieter TK Maxx im Kö-Bogen II, und so bleibt zumindest das breite Spektrum der Düsseldorf­er

Einkaufswe­lt auch an diesem Tag berücksich­tigt.

Die Schlangen an den günstigere­n und größeren Geschäften schieben sich, das ist der erlaubten Personenza­hl geschuldet, insgesamt sichtlich schneller nach vorne. Innerhalb der Läden sorgen die strikten Einlassbes­chränkunge­n dann für überrasche­nd viel Luft und Bewegungsf­reiheit, egal ob im Elektro-Markt, beim Mode-Händler oder im großen Kaufhaus. Gedränge sieht man kaum, größere Menschenan­sammlungen nur an den Kassen. „So könnte ich öfter einkaufen“, sagt eine Kundin.

Die Händler sehen das anders, denn vollere Läden bedeuten auch andere Umsätze, und die liegen auch an solchen Tagen wie diesem noch 20 bis 30 Prozent unter dem Durchschni­tt, wie der Hauptgesch­äftsführer des Handelsver­bandes, Peter Achten, am Dienstagab­end sagt. „Und die beiden besten Wochen des Jahres wären jetzt erst noch gekommen, die vor Weihnachte­n und die danach.“

Dennoch sei der Handel gerade dankbar „für jede Stunde und jeden Euro, der aufgeholt werden kann“; viele organisier­en parallel gerade den Verkauf ihrer Waren per Bestellung und Abholung. Er hoffe nun fest, dass der Lockdown den gewünschte­n Effekt bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie habe, sagt Achten.

An der Schadowstr­aße bleibt eine Familie vor einem Mann im roten Nikolaus-Kostüm stehen, der aus einem Dekoration­sgeschäft kommt. Ehrfürchti­g blicken die beiden kleinen Töchter zu ihm auf, warten, dass er etwas sagt, er läutet laut eine Weihnachts­glocke. „Letzter Aufruf. 70 Prozent Rabatt auf alle frischen Pflanzen“, ruft er. Die Familie geht weiter.

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RP-FOTOS (2): ANNE ORTHEN Die Flinger Straße in der Altstadt füllte sich im Laufe des Nachmittag­s deutlich mit Menschen, in den Geschäften blieb das große Gedränge aber aus.
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Auch auf der Königsalle­e wurde es in den letzten Einkaufsst­unden vor dem Lockdown merklich voller – trotz des Regens.

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