Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Der letzte Shopping-Tag vor dem Lockdown
Am Dienstag konnten viele Händler letztmals für die nächsten Wochen öffnen. Schlangen gab es vor ganz unterschiedlichen Läden.
STADTMITTE „Ich leg’ jetzt mal auf, viele Menschen hier, wie in den besten Zeiten“, ruft ein junger Mann am Beginn der Flinger Straße in sein Handy, während er in ein Geschäft eilt, aber entweder hat er die besten Zeiten nicht wirklich vor Augen, oder der Gesprächspartner am anderen Ende muss schnell abgewimmelt werden, denn die Einkaufsstraßen der Stadtmitte füllen sich an diesem Dienstag nur langsam. Bis zum frühen Nachmittag unterscheidet sich der Betrieb im wichtigsten Einkaufs-Ort der Region kaum von anderen eher trüben Tagen der vergangenen Wochen, dann wird es von Stunde zu Stunde voller – jetzt kommen auch die dazu, die vorher arbeiten mussten.
Es ist der letzte Tag vor dem Lockdown, die letzte Gelegenheit vor Weihnachten für den Kauf von Büchern, Kleidung oder Spielzeug, zumindest auf dem klassischen Weg im stationären Handel. Viele Geschäfte werben in den Schaufenstern mit drastischen Rabatten, um noch Winterware loszuwerden. Der befürchtet heftige Ansturm bleibt aus, auf den Straßen bilden sich am Nachmittag dennoch längere Staus vor den Parkhäusern und an den Kreuzungen rund um die Königsallee, ein riskantes Wendemanöver hier, ein kleines Hupkonzert da.
Es sind Kennzeichen aus Oberhausen, Dinslaken, Duisburg, dem Kreis Mettmann dabei. Auch aus den Niederlanden kommen vereinzelte Besucher. Normalerweise sind sie in der Adventszeit zu Tausenden in Düsseldorf unterwegs, am Dienstag nutzen sie noch einmal die Shopping-Möglichkeit, während im Nachbarland der Lockdown schon einen Tag früher in Kraft getreten ist. Auch auf den Fußwegen geht es zu fortgeschrittener Stunde gedrängter zu. An einigen Ampeln könnte man meinen, es habe nie einen Mindestabstand gegeben; und wenn man versucht, ihn einzuhalten, landet man schnell auf der Fahrbahn. Der letzte Öffnungstag der Geschäfte vor dem Weihnachtsfest ist auch in anderen Jahren kräftezehrend, aber für viele eben gleichzeitig stimmungsvoll, er klingt nach „Last Christmas“in Dauerschleife und duftet zwischen den Rempeleien nach Glühwein und Mandeln.
Dieses Jahr ist der letzte Tag aber sehr plötzlich gekommen, und er klingt nach einem einzelnen Straßenmusiker, der sich in einer Regenpause tapfer an der Schadowstraße aufstellt und ein wenig spielt, aber kaum Zuhörer findet. Und er klingt nach mehr als einem Pärchen, das vor dem nächsten Laden lautstark darüber verhandelt, ob man sich in diese nächste Warteschlange nun auch noch stellen soll: „Es nervt mich wirklich, man muss ja nicht überall hin heute.“
Nach dem Duft dieses Tages muss man suchen, finden kann man ihn zum Beispiel an der einzelnen Bratwurst-Bude, an der sich trotz der widrigen Umstände einige Kunden angestellt haben. Der Weihnachtsmarkt fehlt besonders auffällig an der im Umbau befindlichen Schadowstraße. An der Flinger Straße und der Königsallee verbreitet zumindest die Beleuchtung einen Hauch von Advent.
Die auffälligsten Warteschlangen an der Luxusmeile bilden sich vor den Designer-Boutiquen wie Louis Vuitton, Hermès und Gucci, an der nahe gelegenen Schadowstraße dagegen unter anderem beim Bekleidungs-Discounter Primark oder beim Outlet-Anbieter TK Maxx im Kö-Bogen II, und so bleibt zumindest das breite Spektrum der Düsseldorfer
Einkaufswelt auch an diesem Tag berücksichtigt.
Die Schlangen an den günstigeren und größeren Geschäften schieben sich, das ist der erlaubten Personenzahl geschuldet, insgesamt sichtlich schneller nach vorne. Innerhalb der Läden sorgen die strikten Einlassbeschränkungen dann für überraschend viel Luft und Bewegungsfreiheit, egal ob im Elektro-Markt, beim Mode-Händler oder im großen Kaufhaus. Gedränge sieht man kaum, größere Menschenansammlungen nur an den Kassen. „So könnte ich öfter einkaufen“, sagt eine Kundin.
Die Händler sehen das anders, denn vollere Läden bedeuten auch andere Umsätze, und die liegen auch an solchen Tagen wie diesem noch 20 bis 30 Prozent unter dem Durchschnitt, wie der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes, Peter Achten, am Dienstagabend sagt. „Und die beiden besten Wochen des Jahres wären jetzt erst noch gekommen, die vor Weihnachten und die danach.“
Dennoch sei der Handel gerade dankbar „für jede Stunde und jeden Euro, der aufgeholt werden kann“; viele organisieren parallel gerade den Verkauf ihrer Waren per Bestellung und Abholung. Er hoffe nun fest, dass der Lockdown den gewünschten Effekt bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie habe, sagt Achten.
An der Schadowstraße bleibt eine Familie vor einem Mann im roten Nikolaus-Kostüm stehen, der aus einem Dekorationsgeschäft kommt. Ehrfürchtig blicken die beiden kleinen Töchter zu ihm auf, warten, dass er etwas sagt, er läutet laut eine Weihnachtsglocke. „Letzter Aufruf. 70 Prozent Rabatt auf alle frischen Pflanzen“, ruft er. Die Familie geht weiter.