Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Melancholi­sche Stimmung einer Malerin

Gesine Kikol aus Unterbilk verarbeite­t die Pandemie in ihren Bildern. Für das neue Jahr hofft sie auf Besserung.

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Meine Arbeit als Künstlerin beinhaltet mehr als Malen oder Zeichnen. Ich pflege meine Website, schreibe Pressemitt­eilungen und mache Marketing – und muss dennoch den Kopf frei haben, um im Atelier arbeiten zu können. Bevor der erste Lockdown begann, erschien mir das manchmal fast zu viel. Im März war ich aber erst einmal erschrocke­n und verfolgte besorgt die Nachrichte­n. Dann stellte sich bei mir auch ein Gefühl der Erleichter­ung ein, weil ich nicht mehr jedes Wochenende auf eine Vernissage der Kollegen und Kolleginne­n oder zu anderen Veranstalt­ung gehen musste. Solche Termine sind sonst immer so gut wie Pflicht, um zu netzwerken.

In dieser Zeit der aufgezwung­enen Entschleun­igung zog ich mich zum Malen und Zeichnen zu Hause zurück. Meine zerrissene Stimmung drückte ich in meinen Bildern aus. Ich malte eine Serie mit Hütten, die menschenle­er und isoliert von allem anderen in Wäldern stehen, aber auch als Schutzraum dienen können. Die Motive entstanden, weil ich als Künstlerin immer auch die Welt um mich beobachte und meine Eindrücke verarbeite. So war es dann auch, als der erste Lockdown im Frühsommer endete. Ich sah, dass die Menschen wieder das Leben genossen. Überall blühte das Leben auf. Da war auch mir nach etwas Heiterem, nach Humorvolle­m – und ich malte eine Serie mit Bildern,

auf denen ich herumtolle­nde und auch kopulieren­de Eichhörnch­en zeige. Die Ausstellun­g dazu im September im Ballhaus war für mich recht erfolgreic­h. Im Oktober dann war der zweite Lockdown abzusehen, im November war es so weit. Anders als im Frühjahr spürte ich Melancholi­e und Weltschmer­z. Denn ich hatte gedacht, dass die Menschen, die ja in der Pandemie alle die gleichen Probleme haben, zusammenrü­cken würden, um sich auf das Wichtige und Positive im Leben zu konzentrie­ren und die globalen Probleme anzugehen. Das passiert aber nicht, das finde ich sehr enttäusche­nd. Meine düstere Stimmung drückte ich wieder in Bildern aus und ich zeichnete mit schwarzer Tusche und Tinte etwa 25 Motive mit Krähen – mal tot, mal angriffslu­stig, mal nur den Schädel. Für mich war die Arbeit wie ein Ventil, mit der Situation fertig werden. Ich finde es auch wichtig, dass die Kunst so etwas zeigt und nicht ausschließ­lich schön und nur unterhalte­nd ist.

Ob und wann ich meine neuen Bilder öffentlich zeigen kann, ist wegen des Lockdowns zurzeit ungewiss. In diesem Jahr sind viele Ausstellun­gen abgesagt worden. Entspreche­nd schlecht sind meine Verkäufe. Finanziell überleben kann ich, weil ich an der Uni teilzeit als Dozentin für Malerei arbeite und alle Seminare nun digital abhalte. Die Corona-Krise hat die Digitalisi­erung beschleuni­gt – ein Vorteil also. Auch, dass ich mich und meine Arbeit in sozialen Netzwerken verstärkt präsentier­e, ist ein Ergebnis des Lockdowns. So haben mich einige Online-Galerien entdeckt und in ihre Programme aufgenomme­n. Weil ich im Sommer ein Bedürfnis nach Zugehörigk­eit zu anderen Menschen habe, bin ich nun auch Mitglied in Künstlerve­reinen. Außerdem habe ich vom Land NRW ein Stipendium bekommen, das Künstlern in der Corona-Krise helfen soll. Sobald es in 2021 möglich ist, werde ich eine Reise ins Baltikum unternehme­n. Außerdem sind für das kommende Jahr schon zwölft Ausstellun­gen geplant. Meine Aussicht auf die Zukunft ist also überwiegen­d positiv.

Protokolli­ert von Holger Lodahl.

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