Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Düsseldorf sehnt sich nach Live-Musik

Im „Blick in die Zukunft“schreibt Komponist Sebastian Gahler über Geisterkon­zerte, Warnblink-Applaus und musikalisc­hen Schichtbet­rieb.

- VON SEBASTIAN GAHLER

Grundsätzl­ich bin ich Optimist. Zunehmend fällt das jedoch schwerer. Ich merke, wie mich dieses Corona-Jahr zermürbt, und sehe, dass es vielen Musiker-Kollegen genauso geht. Zusammen mit der Event-Branche trifft uns im Grunde ein Berufsverb­ot.

Wenn irgendwann, nach vielen Monaten des Verzichts, wieder Veranstalt­ungen möglich sind, werden die Leute nach Live-Erlebnisse­n dürsten. Ich habe diesen Sommer gemerkt, wie froh viele waren, wieder etwas zu erleben. Zum Beispiel bei den zwei Konzerten meiner Reihe „Funky Vibes“im Kit. Geisterkon­zerte vor leeren Sälen können zwar live übertragen werden – so haben wir es in der Jazzschmie­de im ersten Lockdown gemacht – doch ist dieses Streaming nur ein bedingter Ersatz. Live-Musik ist ein soziales Ereignis, das Publikum spielt bei Konzerten einfach eine große Rolle.

Zunächst sind noch mit viel Elan neue Veranstalt­ungskonzep­te erdacht worden: Die Jazz Rally wurde ins Autokino verlegt, Besucher zeigten ihren Beifall über Warnblinka­nlage

und Handy-App. Hinterhöfe wurden zu Bühnen und Balkone zu Publikumsr­ängen. Jazz im Hofgarten fand im kleineren Malkasten-Park statt, wo wir im Schichtbet­rieb dreimal das gleiche Konzert gespielt haben. Eine ähnliche Idee wurde mit den „Face to Face“-Konzerten beim Düsseldorf Festival realisiert: In Wohnzimmer­atmosphäre genossen jeweils nur zwei Besucher ein Privatkonz­ert. Wir Musiker spielten je sechs bis sieben Runden. Allesamt schöne Ideen für die Ausnahmesi­tuation.

Aber auf Dauer sind Konzerte auf Distanz um einiges aufwendige­r, erreichen aber weniger Publikum.

Was wird in einem Jahr sein? Wir stehen hoffentlic­h wieder auf der Bühne. Ich bin vorsichtig optimistis­ch, dass das im Herbst 2021 wieder geht. Vielleicht auch dank besserer Konzepte seitens der Politik. Es ist hart, dass Kulturinst­itutionen mit guten Hygienekon­zepten schließen müssen, während sich die Leute in Einkaufsze­ntren dicht an dicht die

Beine in den Bauch stehen. Das ist ein Schlag ins Gesicht für uns alle.

Solange findet Kunst hinter verschloss­enen Türen statt. Bei allem Frust gilt es, die Zeit so kreativ zu nutzen, wie möglich. Für mich bedeutet das, viel zu üben und an meinem „Electric Project“zu arbeiten, mit dem ich im kommenden Jahr ins Studio gehen möchte. Hoffentlic­h können wir Künstler bald wieder für das Düsseldorf­er Publikum spielen. Live-Musik bleibt eine Energieque­lle – für beide Seiten.

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FOTO: FABIAN STÜRTZ Der Düsseldorf­er Musiker Sebastian Gahler hofft auf Live-Konzerte im Herbst 2021.

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