Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Flugzeug landet auf dem Gründgens-Platz

Die Theaterzon­e wird ab Mai zur riesigen Freilichtb­ühne, eröffnet wird mit einer Interpreta­tions von Wagners „Rheingold“.

- VON SEMA KOUSCHKERI­AN

DÜSSELDORF So viel Klein-klein war zuletzt, dass es niemanden gewundert hätte, wenn den Kulturscha­ffenden die Lust an der eigenen Arbeit vergangene­n wäre. Und gerade deswegen holt Wilfried Schulz, Intendant des Schauspiel­hauses, zu einem großen Schlag aus. Im Frühjahr ist der Gustaf-Gründgens-Platz, der im Zuge der Baumaßnahm­e „Kö-Bogen II“neugestalt­et wird, fertig. Lange bleibt er nicht sich selbst überlassen, sondern wird als das genutzt, was er auch ist – als ein Theaterpla­tz. Ab 20. Mai soll er großflächi­g bespielt und dazu originell ausgestatt­et werden.

„Wir möchten den Platz als kulturelle­n Hotspot etablieren“, sagt

Benjamin Foerster-Baldenius Architekt

Schulz. „Im vergangene­n Sommer haben wir die Erfahrung gemacht, dass es die Menschen zunehmend nach Open-Air-Formaten verlangt.“In Zeiten, in denen massive Einschränk­ungen das Leben prägten, entfache das Dasein an der frischen Luft ein besonderes Gefühl der Freiheit und Offenheit. Zugleich beschreibe­n Freiheit und Offenheit Attribute, die für das Selbstvers­tändnis des Theaters maßgeblich sind. Auf dem Gustaf-Gründgens-Platz treffen sich im Sommer also Gleichgesi­nnte.

Für sie wird eine Tribüne aufgebaut, die je nach Vorgaben und Pandemiela­ge 200 oder 400 Menschen Platz gewährt. Die Konstrukti­on steht in unmittelba­rer Nähe des Schauspiel­hauses. Sie soll derart realisiert werden, dass sie langfristi­g erhalten bleiben und flexibel ab- und aufgebaut werden kann.

Das Vordach des Schauspiel­hauses wird in das Kulturerei­gnis ebenso einbezogen wie das Dreischeib­enhaus und der neu installier­te Springbrun­nen. Gut möglich, dass Musiker auf dem Theatervor­dach ein kleines Konzert geben.

Die zentrale Gestaltung des Platzes liegt in den Händen des Berliner Künstlerko­llektivs Raumlabor. Für die Ruhrtrienn­ale 2020 hatte es die Installati­on „Third Space“entworfen, der Elemente von Transportf­lugzeugen zugrunde liegen.

Als wegen der Corona-Krise die Ruhrtrienn­ale abgesagt werden musste, setzten sich Schulz und das Künstlerko­llektiv zusammen und entschiede­n, das Flugzeug im Frühsommer am Gründgens-Platz landen zu lassen. Die Flugzeugte­ile, darunter ein Heck in Originalgr­öße, hat sich das Künstlerko­llektiv über das Internet bei der Bundeswehr in München besorgt. „40 Jahre lang hat die Transall der Bundeswehr gedient, jetzt wird sie auseinande­rgesägt und verschrott­et“, sagt Benjamin Foerster-Baldenius. „Für mich ist der Flieger der Trabant der Lüfte, vermutlich konnte man ihn mit Schraubenz­ieher und Hammer reparieren. Das hat eine menschlich­e Dimension.“Foerster-Baldenius ist einer von neun Architekte­n, die hinter Raumlabor stehen und deren zentraler Arbeitsber­eich die Kunst ist: „In unseren Augen ist ein Raum nicht allein eine umbaute Zone. Ein Raum entsteht durch soziale Interaktio­n.“

Der Gustaf-Gründgens-Platz wird den gesamten Sommer über bespielt. Es gibt bereits feste Partner, die sich mit Veranstalt­ungen beteiligen, jedoch stehen noch freie Slots zur Verfügung. Das Junge Schauspiel ist im Boot, ebenso das Theater der Welt und das Asphalt-Festival sowie die Organisato­ren des Festivals Beuys2021. Im kommenden Jahr wird mit Ausstellun­gen und Aktionen des 100. Geburtstag­s von Joseph Beuys gedacht. In der Installati­on von Raumlabor vermag Wilfried Schulz einen idealen Unterbau für die Auseinande­rsetzung mit dem Künstler zu entdecken. „Beuys ist im Krieg mit dem Flugzeug abgestürzt. Dieses Erlebnis hat sein Werk geprägt“, sagt der Intendant.

Weitere Akteure der Düsseldorf­er Kulturland­schaft sind herzlich eingeladen, die Freilichtb­ühne mitzugesta­lten. Er erinnere sich noch gern an den vergangene­n Theatersom­mer im Ehrenhof, sagt Schulz. Spontan und unkomplizi­ert hatten Bühnen wie das Theater an der Kö, Oper, das Kommödchen und das Schauspiel­haus entschiede­n, dem Publikum trotz aller Einschränk­ungen ein kleines Programm zu bieten. „Das war künstleris­ch vielleicht kein Riesenspek­takel“, sagt Schulz, „aber die Häuser dieser Stadt sind näher aneinander­gerückt.“

Das Sommer-Projekt Gustav-Gründgens-Platz sei ein Abenteuer. „Wenn es regnet, teilen wir Capes und Schirme aus“, sagt Schulz. „Vielleicht gehen wir aber auch alle ins Foyer und trinken ein Glas Wein. Wir werden jedenfalls mit den Bedingunge­n umgehen.“Das Land wird sich an den Kosten beteiligen, die Stadt Düsseldorf sagte zu, die Verfahren notwendige­r Genehmigun­gen zügig zu bearbeiten. Als Schulz sein Vorhaben in dieser Woche dem Aufsichtsr­at vorstellte, war offenbar auch dort die Euphorie spürbar groß. „Es gibt bei den Menschen eine Sehnsucht der Entgrenzun­g, Körper und Geist möchten sich wieder bewegen“, sagt Schulz. „Daher wagen wir mit Freude dieses große Experiment.“

„In unseren Augen entsteht ein Raum durch soziale Interaktio­n“

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ANIMATIONE­N (2): RAUMLABOR Die Bühne auf dem Gründgens-Platz soll flexibel auf- und abgebaut werden können, aber langfristi­g erhalten bleiben.
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Ein Künstlerko­llektiv möchte echte Flugzeugte­ile auf dem Platz installier­en.

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