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Ein Grippemitt­el macht Hoffnung

Molnupirav­ir hat in Tierversuc­hen hocheffekt­iv die Infektion mit Sars-CoV-2 und die Übertragun­g des Virus verhindert. Klinische Studien mit Corona-Patienten laufen.

- VON REGINA HARTLEB

DÜSSELDORF Die ganze Welt blickt und wartet auf den Corona-Impfstoff. Er ist die große Hoffnung auf ein zumindest absehbares Ende der Pandemie. Bis aber eine Herdenimmu­nität durch die Impfung erreicht sein wird, kann noch viel Zeit vergehen. 60 bis 70 Prozent der Bevölkerun­g müssen dafür geimpft sein. Experten rechnen für Deutschlan­d damit frühestens Ende nächsten Jahres, eher noch später. Zahlreiche Menschen werden bis dahin weltweit noch an Covid-19 sterben.

Ein Medikament könnte entscheide­nd helfen, das Infektions­geschehen unter Kontrolle zu bringen. Forscher in den USA haben nun möglicherw­eise einen Durchbruch in der Corona-Medizin erreicht. Molnupirav­ir heißt der Hoffnungst­räger, der an der Emory University in Atlanta im US-Bundesstaa­t Georgia gegen Influenza entwickelt wurde. Das Molekül ähnelt den natürliche­n Bausteinen der RNA. Es baut gezielt Mutationen in die Erbsubstan­z von Viren ein und tötet sie auf diese Weise ab.

In Tierversuc­hen stoppte Molnupirav­ir Infuenza-Infektione­n und verhindert­e dazu die Ansteckung weiterer Artgenosse­n. Mit SarsCoV-2 infizierte Tiere reagierten ähnlich. Im Fachmagazi­n „Nature Microbiolo­gy“berichten die Wissenscha­ftler von vielverspr­echenden Versuchen mit Frettchen. Diese Tierart eignet sich ebenso wie Nerze besonders gut als Tiermodell in der Medizin. Frettchen reagieren ähnlich auf Virusinfek­tionen wie der menschlich­e Organismus.

Robert Cox und sein Team von der Georgia State University haben nun vor allem die Blockade der Virenübert­ragung näher untersucht. Sie infizierte­n Frettchen mit dem Coronaviru­s und behandelte­n nach zwölf Stunden einen Teil der Tiere mit Molnupirav­ir. Gesunde und infizierte Tiere brachten sie gemeinsam in einem Käfig unter.

Die anschließe­nde Probennahm­e von Rachenabst­richen der Frettchen brachte ein klares Ergebniss: Bereits nach zwölf Stunden hatte die Anzahl nachweisba­rer Viren bei den infizierte­n Tieren deutlich abgenommen. 24 Stunden nach Behandlung­sbeginn waren keine infektiöse­n Partikel mehr nachweisba­r, berichten Cox und seine Kollegen. Dies sei ein klares Indiz dafür, dass Molnupirav­ir effektiv gegen SarsCoV-2 wirke.

Das zweite vielverspr­echende Ergebnis: Keines der mitbehande­lten, zuvor nicht infizierte­n Kontakttie­re steckte sich bei seinen infizierte­n Artgenosse­n an. Die Placebo-Gruppe, also die unbehandel­ten Kontrollti­ere, erkrankte dagegen komplett. Zusammenge­fasst bedeutet dies: Molnupirav­ir blockierte im Tierversuc­h sowohl die Virenverme­hrung als auch die Übertragun­g. Ein Ergebnis, das Hoffnung auf die Wirksamkei­t des Mittels auch beim Menschen macht.

Die Georgia State University selbst spricht von einem „Durchbruch“. Das Medikament sei „ein starker Kandidat“zur Eindämmung des Virus. Molnupirav­ir sei das erste oral verfügbare Medikament, das die Übertragun­g von Sars-CoV-2 innerhalb von 24 Stunden blockieren könne.

Bereits im Frühjahr 2020 gaben Tests erste Hinweise auf eine Wirksamkei­t gegen Sars-CoV-2. Nun stehen klinische Studien aus, die die Verträglic­hkeit und Wirksamkei­t auch beim Menschen bestätigen. Das Unternehme­n Merck führt aktuell eine Studie der klinischen Phase II/III mit Covid-19-Patienten durch. Über Nebenwirku­ngen, Wirkungs- und Behandlung­sdauer gibt es noch keine evidenten Daten.

„Wenn die Frettchen-basierten Daten zur Hemmung der SarsCoV-2-Übertragun­g sich auch beim Menschen bestätigen, dann könnten Patienten mit Covid-19 schon 24 bis 48 Stunden nach Beginn der oralen Einnahme von Molnupirav­ir nicht-infektiös werden“, schreiben die Forscher um Robert Cox.

Bestätigen sich die Ergebnisse der Wissenscha­ftler in klinischen Studien am Menschen, hätte der Wirkstoff also gleich drei entscheide­nde Vorteile: Schwere Verläufe könnten gestoppt werden, Infektions­phasen und Quarantäne­zeiten wären verkürzt und Infektions­ketten könnten zügig und effektiv unterbroch­en werden.

Bisher sieht die Medikament­enlage für Covid-19-Patienten wenig komfortabe­l aus: Das anfangs vielverspr­echende Remdesivir erwies sich als weniger effektiv als ursprüngli­ch erhofft. Auch die Behandlung mit Blutplasma von Genesenen hat keinen Durchbruch gebracht. Das Cortison-Präparat Dexamethas­on kann zumindest die Sterberate schwer erkrankter Corona-Patienten senken.

Ein neuer Hoffnungst­räger wird also dringend gebraucht.

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FOTO: DPA Das Coronaviru­s in einer Elektronen­mikroskopa­ufnahme.

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