Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
„Eltern sollten klare Regeln aufstellen“
Die Drogenbeauftragte der Regierung über Digitalsucht bei Kindern und das Rauchen in der Pandemie. Frau Ludwig, wie geht es Kindern und Jugendlichen in der Corona-Pandemie?
LUDWIG Wir haben mit vielen Kinderund Jugendärzten gesprochen. Alle sagen, dass es eine schwierige Situation ist, wenn Schulen und Kitas Kinder über Wochen nicht zu Gesicht bekommen. Im ersten Lockdown waren auch Spiel- und Bolzplätze abgesperrt. Daraus hat man gelernt, nun sind sie in Begleitung Erwachsener offen. Das ist für viele Familien sehr notwendig. Ich verhehle nicht: Für mich sind die Schulschließungen der härteste Brocken in diesem erneuten Lockdown, das möchte ich mit aller Deutlichkeit sagen. Für alle Kinder, egal ob aus stabilen oder nicht stabilen Verhältnissen, ist diese Lage schwierig. Kinder brauchen Kinder. Und Kinder brauchen auch Lehrer und Erzieher.
Also wäre es besonders wichtig, ab dem 10. Januar die Schulen wieder zu öffnen?
LUDWIG Absolut. Für mich ist das unter bildungspolitischen, aber vor allem sozialen Aspekten eine Hauptforderung. Und zwar nicht nur, weil die Eltern wieder arbeiten gehen sollen, sondern ich will eine Generation Corona vermeiden. Wir haben eine Verantwortung dafür, dass es wieder zu Präsenzbildung und geregelten Abläufen kommt.
Der Anteil junger Menschen mit einer als problematisch eingestuften Internet- und Computernutzung ist schon vor Corona hoch gewesen. LUDWIG Das Thema hat sich weiter verschärft. Es treibt Eltern und Lehrer um. Eltern fragen sich, ob sie mehr reglementieren müssen und die Mediennutzung ihrer Kinder zu hoch ist. Meine Rückmeldung aus Suchtberatungen ist sogar, dass Kinder und Jugendliche dort anrufen und sagen, sie hätten Probleme und sich im digitalen Universum irgendwie verloren. Wichtig ist das Maß. Ohne Digitalisierung lassen sich zum Beispiel die Lockdowns nicht überstehen. Natürlich können Kinder digitalen Kontakt zu ihren Freunden halten. Aber ich lasse ja Kinder auch nicht ohne Schwimmkurse ins Wasser. Sie brauchen eine gewisse Anleitung: Was ist gut und was ist zu viel? Ich kann Eltern nur ermuntern, technische Möglichkeiten zu nutzen und klare Regeln aufzustellen. Etwa Abendessen ohne digitale Geräte oder feste Zeiten für die Nutzung. Und sie sollten auch selbst ein Vorbild sein und nicht dauernd auf das Handy starren.
Ist der Alkoholkonsum in der Pandemie gestiegen?
LUDWIG Wir haben noch keine validen Ergebnisse, die Studien laufen noch. Die Verkaufszahlen, also wie viel Alkohol verkauft wurde an der Supermarktkasse, sind gestiegen. Das lässt aber noch keine Rückschlüsse auf den Konsum zu. In Umfragen geben Menschen an, dass sie glauben, mehr getrunken zu haben in der Pandemie. Das werden wichtige Ergebnisse sein, wenn es valide Zahlen gibt.
Hat Covid-19 die Einstellung zum Rauchen verändert?
LUDWIG Immer weniger Jugendliche und Kinder beginnen mit dem Rauchen. Ob sich das auch auf Erwachsene in der Krise ausgeweitet hat, wissen wir noch nicht. Klar ist: Wer raucht, ist anfälliger für einen schweren Covid-19-Verlauf. Dieser Zusammenhang ist belegt. Ich würde mir sehr wünschen, dass angesichts der Krise viele Raucher beginnen, ihre Sucht zu hinterfragen.
Ein Nachtleben findet wegen des Lockdowns gerade nicht statt. Hat der Drogenkonsum in der Pandemie nachgelassen?
LUDWIG Nein, weniger Drogenkonsum gibt es leider nicht. Hinter der Drogenkriminalität stecken organisierte, mafiöse Strukturen. Die Drogen kommen jetzt nicht mehr per Flugzeug, sondern verstärkt über Schiffe ins Land, auch der Internethandel hat zugenommen. Hier können wir leider keine Entwarnung geben.
KERSTIN MÜNSTERMANN FÜHRTE DAS GESPRÄCH.